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Jahresbericht für 2023

29. Bericht des Bürgerbeauftragten für 2023

29. Bericht des Bürgerbeauftragten gemäß § 8 Absatz 7 des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (PetBüG M-V) für das Jahr 2023

Der Jahresbericht ist öffentlich und erscheint als Drucksache des Landtages, aber auch eigenständig als Broschüre mit zusätzlichen Dokumenten.

Inhalt

  • Vorwort
  • A. Überblick zur Arbeit im Jahr 2023
    1. Aufgabenstellung, Zahlen und Fakten
    2. Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
  • B. Arbeit des Bürgerbeauftragten, dargestellt nach Aufgabengebieten
    1. Inneres, Bau und Digitalisierung; Tätigkeit als Polizeibeauftragte
      • a) Inneres, Bau und Digitalisierung
        • Auch Wohnungslose wollen wählen (Fortsetzung aus 2021)
        • Ein Standesamt traut (sich) nicht (Fortsetzung aus dem Vorjahr)
        • Weiterhin: Probleme bei der Terminvergabe von Behörden
        • Gemeindliche Finanzlage verhindert Lösungen
        • Gemeindevertretung: Eingeschränktes Fragerecht?
        • Sprachkenntnisse bei der Einbürgerung
        • Kurabgabenermäßigung bei Behinderungen
        • Ordnungsrecht: Parken an Engstelle
        • Keine Erstattung der Gebühr für den Anwohnerparkausweis
        • Bauangelegenheiten
        • Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen
      • b) Tätigkeit zur Landespolizei
        • Schießausbildung
        • Petitionen zur Landespolizei
        • Körperliche Durchsuchung von Kindern
        • Die fehlerhafte Polizeikontrolle
        • Strafanzeigen bei der Polizei
        • Inklusionsbeauftragte und Inklusionsvereinbarungen
        • Arbeitszeiten der Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten
    2. Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz
      • Fehlerhafte Verordnung bei der Juristenausbildung
    3. Finanzen
      • Beihilfe: Die Bearbeitung dauert zu lange – immer noch (Fortsetzung aus dem Vorjahr)
      • Kindergeld: Nicht immer kinderleicht
    4. Wirtschaft, Infrastruktur, Energie, Tourismus und Arbeit
      • Probleme beim Deutschlandticket/Seniorenticket
      • Deutsche Bahn: Ferienzeit war unbekannt (Fortsetzung aus dem Vorjahr)
      • Rückforderung von Corona-Überbrückungshilfen
    5. Klimaschutz, Landwirtschaft und Umwelt
      • Alleenschutz trifft Bebauungsrecht (Fortsetzung aus dem Vorjahr)
      • Gesundheit geht vor? Zur Überwachung eines Industrieunternehmens (Fortsetzung aus den Vorjahren)
    6. Bildung und Kindertagesförderung
    7. Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten
      • Härtefallfonds für ehemals politisch Verfolgte der DDR (Fortsetzung aus dem Vorjahr))
      • Restauratorenliste restauriert
    8. Soziales, Gesundheit und Sport
      • a) Kinder- und Jugendhilfe
        • Lieber früh als spät: Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche
      • b) Arbeitsförderung
        • Keine Prüfung für Heilpraktiker in Mecklenburg-Vorpommern?
      • c) Grundsicherung für Arbeitsuchende
        • Regelung mit Tücken: Vorläufige Zahlungseinstellung
        • Veraltete Richtlinien für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung
      • d) Sozialhilfe
        • Kein Anstieg der Bestattungskosten zwischen 2012 und 2021?
      • e) Gesetzliche Sozialversicherungen
        • Zunehmende Einschränkungen persönlicher Beratungsangebote vor Ort
        • Überhöhte Gebühren bei der Leichenschau
        • Steigende Kosten bei der vollstationären Pflege – Reform der Pflegeversicherung
        • Witwenrente: Versorgungsehe oder nicht?
      • f) Wahrnehmung der Belange von Menschen mit Behinderungen
        • Petitionen von Menschen mit Behinderungen
        • Bedarfsgerechte Betreuung von Kindern mit Behinderungen
        • Verwaltung, die entgegen kommt
        • Parkerleichterung: Immer wieder Kampf
        • Eingliederungshilfe: Viele Fragen und wenig Antworten
        • Rückfall mangels Unterstützung
        • Wohnung barrierefrei? Ein Hürdenlauf
        • Persönliches Budget: Rechtzeitige Entscheidung nötig
        • Einmal mehr: Kraftfahrzeughilfe
  • C. Zusammenarbeit mit anderen Ombudsinstitutionen

 

Es geht um mehr …

Die Zahlen dieses Jahresberichts sind eigentlich wie gewohnt. 1.747 Eingaben haben den Bürgerbeauftragten im Jahr 2023 erreicht. Eine Zahl, so hoch wie vor der Corona-Pandemie. Wieder bezog sich knapp die Hälfte der Fälle auf soziale Angelegenheiten – wie in den meisten Jahren auch. Im Nordosten nichts Neues also? So einfach ist es wohl nicht. Denn es gibt auch andere Zahlen, Zahlen, die von Veränderungen zeugen und eine kritische Sprache sprechen. Nach einer Umfrage trauten nur noch ein Viertel der Befragten dem deutschen Staat zu, seine Aufgaben zu erfüllen – so wenig wie nie.

Dieses geschwundene Vertrauen ist in manchen Gesprächen und Zusendungen bei uns direkt oder in Nebentönen zu spüren, mehr als früher. Warum ist das so? Sind es wirklich schlechte Ergebnisse und Erfahrungen mit Politik und Verwaltung? Oder gibt es vielleicht zu hohe Erwartungen? Schwingt auch die Sorge vor zu vielen Veränderungen und Zumutungen mit? Genau können wir es nicht wissen.

Aber eines stimmt ja: In diesen Zeiten wird unserer Demokratie durch Klimakrise, Krieg, Bevölkerungsrückgang oder Migration mehr abverlangt als in den Jahrzehnten zuvor. Manchmal wirkt unser Staat da überfordert – und seine Verwaltungen auch. So ist der Nachwuchsmangel im öffentlichen Dienst jetzt zu spüren, immer deutlicher. Häufiger scheitern Ansprüche der Betroffenen gegenüber Trägern der Verwaltung mittlerweile nicht an der Bewilligung, sondern an fehlenden Fachkräften, die die Leistungen erbringen müssten, an Einrichtungen, die keine Plätze mehr anbieten können.

Was aber tun gegen geringes Vertrauen und große Sorgen? Vertrauen gewinnt nicht, wer große Erwartungen erweckt, die schnell zerplatzen. Alle Sorgen kann kein Staat lösen und Eigenverantwortung darf er nicht ersetzen. Vertrauen gewinnt am Ende auch nicht, wer radikal schlichte Lösungen herausgibt, denn sie lösen nichts. Nein, es geht um nüchterne Antworten, greifbare Lösungen, praktische Ergebnisse – auch im Kleinen.

Schon ein vereinfachtes Formular, ein verbesserter Zugang zu einem Amt oder eine wirksame Hilfestellung sind ein Bonus für das Ganze. Wer einen öffentlichen Dienst verrichtet, der muss wissen: Es geht immer um mehr als den Einzelfall, gerade jetzt. Dies ist auch ein Sinn in der Arbeit des Bürgerbeauftragten: Die Hilfe im Kleinen erreichen und die Qualitätsverbesserung, die für das Ganze wirken soll. An dieser Arbeit haben viele mitgewirkt, in unserer Dienststelle, in der Landtagsverwaltung. Viele haben sie unterstützt und begleitet. Allen sei gedankt. Denn gemeinsam erreichen wir mehr, wo es doch um mehr geht.

Matthias Crone
Bürgerbeauftragter des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Schwerin, im Februar 2024

A. Überblick zur Arbeit im Jahr 2023

Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern regelt in Artikel 10 das Petitionsrecht. Danach hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen mit Bitten oder Beschwerden an Behörden und an die Volksvertretung zu wenden. Ergänzend dazu ist das Amt des Bürgerbeauftragten in Artikel 36 der Landesverfassung verankert. Das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz (PetBüG M-V) von 1995 konkretisiert Artikel 36. Gemäß § 6 Abs. 1 PetBüG M-V ist es die Aufgabe des Bürgerbeauftragten,

  • die Rechte der Bürger gegenüber der Landesregierung und den Trägern der öffentlichen Verwaltung im Lande zu wahren,
  • die Bürger in sozialen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen sowie
  • insbesondere die Belange von Menschen mit Behinderungen wahrzunehmen.

Mit diesem gesetzlichen Auftrag obliegt dem Bürgerbeauftragten nicht nur die Behandlung von Petitionen. Die vorgesehene Beratung und Unterstützung in sozialen Angelegenheiten und die hervorgehobene Wahrnehmung der Belange von Menschen mit Behinderungen richten das Amt besonders auf Beratung und Hilfe aus. 

Seit Frühjahr 2021 nimmt der Bürgerbeauftragte gemäß § 6 Abs. 5 PetBüG M-V die besondere Aufgabe des Beauftragten für die Landespolizei wahr (s. hierzu B 1. b).

Nach der Corona-Pandemie, die 2020 und 2021 zu einer erheblichen Anzahl von Petitionen und Anfragen geführt und 2022 noch eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, ist 2023 nun wieder das normale Petitionsgeschehen zurückgekehrt. Die Gesamtzahl erreichte mit 1.747 wieder das Niveau vor der Pandemie (2019: 1.749). Auch der Anteil der Petitionen zu den sozialrechtlichen Anliegen (einschließlich Gesundheit), der sich während der Pandemie deutlich verringert hatte, stieg wieder auf knapp 49 Prozent aller Eingaben (853 Fälle) an.

Die Zahl der Petitionen enthält die Fälle, die eine vertiefte Bearbeitung erforderten, wie z. B. die Kontaktaufnahme zu den zuständigen Behörden, Prüfungen der Sach- und Rechtslage oder ausführlichere Auskünfte und Beratungen. Nicht mitgezählt, aber vereinfacht dokumentiert, wurden – wie schon immer – kleinere Anfragen, die keinen wesentlichen Arbeitsaufwand verursachen. 

Die Entwicklung des Petitionsaufkommens ergibt sich aus der folgenden Übersicht:

Diagramm zur Petitionsentwicklung seit 2012

Bei der Verteilung nach Sachthemen zeigten sich mehrere Verschiebungen in den Schwerpunkten. So ging die Zahl der Petitionen zu den Sozialgesetzbüchern etwas, bei den Bereichen „Baurecht, Landesplanung“, „Steuern, Abgaben“ und „Polizei- und Ordnungsrecht, Justizangelegenheiten, Liegenschaftsrecht“ sogar deutlich zurück. Hingegen stieg die Anzahl in den Themenbereichen „Kommunale Angelegenheiten“ und „Wirtschaft, Arbeit, Fördermittel, Verkehr“ sowie bei den Eingaben aus der Landespolizei stark an. Die Verteilung der weiteren Petitionen auf die unterschiedlichen Themen entsprach im Wesentlichen der des Vorjahres.

Übersicht der Verteilung der Petitionen nach Sachthemen
Themen: 2023 2022 2021
Sozialgesetzbuch II, III, V, VI, VII, VIII, XI, XII 460
davon:
478
davon:
458
davon:
160 zu SGB II 218 zu SGB II 208 zu SGB II
36 zu SGB V 37 zu SGB V 29 zu SGB V
65 zu SGB VIII 71 zu SGB VIII 93 zu SGB VIII
Besondere soziale Angelegenheiten, Gesundheit 222 289 290
Belange der Menschen mit Behinderung, insb. Sozialgesetzbuch IX 138 142 155
Kommunale Angelegenheiten 243 162 152
Wirtschaft, Arbeit, Fördermittel, Verkehr 176 145 140
Schule, Ausbildung, Kultur, Denkmalschutz 86 84 135
Baurecht, Landesplanung 71 99 106
Umwelt- und Naturschutz 83 79 90
Steuern und Abgaben 42 75 74
Polizei- und Ordnungsrecht, Justizangelegenheiten, Liegenschaftsrecht 188 259 376
Eingaben aus der Landespolizei1 38 5 9
Gesamt 1.747 1.817 1.985

Gemäß § 1 PetBüG M-V können Eingaben an den Bürgerbeauftragten auch mündlich vorgetragen werden. Dabei wird am häufigsten der telefonische Weg gesucht. Verstärkt wurden auch wieder im persönlichen Gespräch bei Sprechtagen oder in der Dienststelle des Bürgerbeauftragten Petitionen aufgenommen. Insgesamt waren dies deutlich über die Hälfte aller Petitionen (999, Vorjahr: 963). Auch über elektronische Medien (E-Mail, Kontaktformular der Webseite, vereinzelt per Fax) wandten sich wieder viele Bürgerinnen und Bürger an die Dienststelle, wenn auch seit dem Ende der Pandemie seltener als in den Vorjahren (583, Vorjahr: 653). Per Brief gingen 164 Petitionen (Vorjahr: 198) ein. Ein Verfahren zur Rechtmäßigkeit einer Richtlinie zu den Kosten der Unterkunft beim Bürgergeld wurde durch den Bürgerbeauftragten von Amts wegen eingeleitet.

Ziel der Arbeit des Bürgerbeauftragten ist es, die Bürgerinnen und Bürger möglichst schnell zu beraten und ihre Anliegen, soweit notwendig, zügig an die zuständigen Behörden heranzutragen. Von den 2023 eingegangenen 1.747 Petitionen waren bis zum 20.02.2024 bereits 1.410 abgeschlossen. In 21 Prozent dieser Erledigungen wurde dem Anliegen voll oder teilweise entsprochen. Der große Beratungsbedarf spiegelt sich ebenfalls in der Statistik wider, denn bei ca. 58 Prozent der erledigten Petitionen konnte den Bürgern durch Auskunft und Beratung geholfen werden.

Erledigungsart Anzahl
Dem Anliegen wurde entsprochen 216
Dem Anliegen wurde teilweise entsprochen 87
Dem Anliegen wurde nicht entsprochen 117
Auskunft wurde erteilt 381
Beratung wurde erteilt 436
Abgabe an den Petitionsausschuss des Bundestages 2
Abgabe an den Petitionsausschuss des Landtages 8
Abgabe an sonstige Dienststellen 5
Anregung zur Bundesgesetzgebung übermittelt -
Anregung zur Landesgesetzgebung übermittelt -
Zurückgezogen 39
Gemäß § 2 PetBüG nicht behandelt 37
Erledigung in sonstiger Art und Weise (z. B. anderweitige Klärung) 81
Gesamtzahl der erledigten Petitionen aus dem Jahr 2023 1.410

Gemäß § 6 Abs. 3 PetBüG M-V führt der Bürgerbeauftragte im ganzen Land Sprechtage durch. Auf diese Weise eröffnet der Bürgerbeauftragte ein Angebot an die Bürger, ihn persönlich vor Ort sprechen zu können. Dabei werden mit Petenten laufende Verfahren beraten, vor allem aber neue Anliegen aufgenommen. Solche Sprechtage werden in gut erreichbaren öffentlichen Räumen durchgeführt, zumeist in Kommunalverwaltungen. Die Verwaltungen vor Ort unterstützen so und durch die Bekanntmachungen der Sprechtage die Arbeit des Bürgerbeauftragten. Der Bürgerbeauftragte nutzt solche Termine z. B. auch dazu, Ortstermine durchzuführen, Probleme und Anliegen mit den örtlichen Verwaltungsspitzen zu beraten und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Polizeidienststellen oder Schulen zu besuchen. Mit dem Auslaufen der Pandemie konnten die 41 Sprechtage vor Ort wieder ohne Einschränkungen durchgeführt werden.

Datum Ort Datum Ort
18.01.2023 Neubrandenburg 30.06.2023 Neubrandenburg
25.01.2023 Stralsund 05.07.2023 Stralsund
01.02.2023 Hagenow 13.07.2023 Ueckermünde
08.02.2023 Wismar 27.07.2023 Röbel
15.02.2023 Pasewalk 09.08.2023 Rostock
22.02.2023 Demmin 16.08.2023 Wismar
01.03.2023 Parchim 23.08.2023 Demmin
15.03.2023 Bergen 30.08.2023 Pasewalk
22.03.2023 Barth 05.09.2023 Bergen
04.04.2023 Rostock 12.09.2023 Parchim
18.04.2023 Waren 12.10.2023 Prerow
26.04.2023 Greifswald 19.10.2023 Waren
03.05.2023 Güstrow 25.10.2023 Greifswald
10.05.2023 Ribnitz-Damgarten 02.11.2023 Güstrow
17.05.2023 Wolgast 07.11.2023 Neustrelitz
24.05.2023 Ludwigslust 14.11.2023 Ludwigslust
01.06.2023 Neustrelitz 21.11.2023 Bad Doberan
07.06.2023 Schwerin 30.11.2023 Anklam
15.06.2023 Anklam 06.12.2023 Rostock
21.06.2023 Bad Doberan 13.12.2023 Schwerin
28.06.2023 Wittenburg    

 

Wenn die Arbeit des Bürgerbeauftragten nur wenigen bekannt wäre, könnte sein Angebot nur von wenigen in Anspruch genommen werden. Also kommt es darauf an, viele Menschen über Arbeit und Auftrag zu informieren. Das geschah im Berichtsjahr klassisch über Medieninformationen wie auch über persönliche Präsenz bei großen Publikumsveranstaltungen, etwa beim MV-Tag in Neubrandenburg oder dem Tag der offenen Tür des Landtags.

Auch 2023 erreichten den Bürgerbeauftragten aus aktuellen Anlässen wieder eine Reihe von Anfragen, denen er durch Stellungnahmen oder Interviews nachkam, wenn es einen Bezug zum Petitionsgeschehen gab. Wenn sich hier wichtigere Themen herausbildeten, veröffentlichte er eigene Erklärungen. Ende des Jahres hatte der Bürgerbeauftragte beim NDR wieder Gelegenheit, Rede und Antwort zu stehen. Bürgerinnen und Bürger konnten vorab Fragen einreichen, die dann über die verschiedenen medialen Kanäle beantwortet wurden, so über Social Media, einen Podcast und im Radio. Am Abend folgte ein Interview im „Nordmagazin“.

Im eigenen Informationsangebot des Bürgerbeauftragten finden sich auf der Webseite unter anderem die Sprechtagstermine, aktuelle Pressemitteilungen, Dokumente und Erklärungen aus der Zusammenarbeit mit anderen Beauftragten und auch die Jahresberichte. Der Instagram-Account des Bürgerbeauftragten konnte etwas an Bedeutung zulegen; hier finden sich derzeit rund 120 Beiträge, und die Zahl der Follower wächst. Es zeigt sich aber, dass der langsame Anstieg hier den Rückgang bei der Nutzung traditioneller Medien nicht kompensieren kann.

Inhaltliche Schwerpunkte in der Medienarbeit setzte der Bürgerbeauftragte vor allem bei behindertenpolitischen Themen. So kritisierte er, dass die Anliegen von Kindern mit Behinderungen nicht genügend Beachtung finden: Es sei z. B. deren Betreuung während der Schulferien tagsüber vielerorts nicht gesichert, sollten die Eltern sich keinen Urlaub nehmen können. Auch das Förderschulsystem löse diese Fragen offensichtlich nicht.

Im Rahmen des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Mai mahnte der Bürgerbeauftragte erneut, mehr Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, und wies in diesem Zusammenhang auf die Schlüsselrolle der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen hin.  

Mit Blick auf die allgemein angespannte Haushaltslage der Kommunen warnte der Bürgerbeauftragte vor einer Bewilligung nach Kassenlage im sozialen Bereich. Vielmehr forderte er eine Bewilligung, die rechtlich geboten ist und den Menschen mit Behinderung Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht. 

In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorsitzenden des Inklusionsförderrates der Landesregierung berichtete er über die Forderung und den Beschluss des Gremiums, über das Kommunalabgabengesetz zwingend in den Kurabgabensatzungen Ermäßigungen oder Befreiungen für Menschen mit Behinderungen vorzusehen, solange die Kurangebote nicht barrierefrei seien.

Zur Öffentlichkeitsarbeit können auch drei Fachveranstaltungen gezählt werden, die der Bürgerbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen und in seiner Eigenschaft als Beauftragter für die Landespolizei in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Partnern durchführte:

  • Wie schon in den Vorjahren, richtete die Agentur für Arbeit in Schwerin mit dem Bürgerbeauftragten auch 2023 eine Veranstaltung mit einem prominenten, von Behinderung betroffenen Gast aus und ermutigte öffentliche und private Arbeitgeber, mehr Inklusion im Betrieb zu wagen.
  • Gemeinsam mit dem Behindertenbeirat Nordwestmecklenburg und der Hochschule Wismar wurde dort ein Forum für eine intensive Debatte über die Möglichkeiten der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Richtung auf den ersten Arbeitsmarkt geschaffen.
  • Erstmalig führten die Fachhochschule Güstrow und der Bürgerbeauftragte eine gemeinsame Tagesveranstaltung durch. Thema: „Polizei (in) der Demokratie“, Adressaten waren Polizei- und Beamtenanwärter, jüngere Polizeibeamte und Schüler der Oberstufe.

B. Arbeit des Bürgerbeauftragten, dargestellt nach Aufgabengebieten

Die Reihenfolge der weiteren Darstellung entspricht der Reihung der Parlamentsausschüsse. 

Die Anzahl der Petitionen in der Zuständigkeit des Innenausschusses bewegte sich mit 605 im Berichtsjahr weiter auf sehr hohem Niveau (Vorjahr: 532). Vor allem die kommunalen Angelegenheiten tragen hierzu bei. Dies waren z. B. Verkäufe, Vermietungen und Verpachtungen von Grundstücken, Anliegen zur Information und Beteiligung von Bürgern nach der Kommunalverfassung oder bestimmte Infrastrukturanliegen. Häufig wurden auch kommunale Gebühren und Abgaben angesprochen. Hinzu kamen weitere Themengebiete der Innenpolitik, wie z. B. Polizei- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Ausländerrecht oder das Recht des öffentlichen Dienstes. 

Zu den kommunalen Gebühren und Abgaben erreichten den Bürgerbeauftragten erneut 48 Eingaben. Ein häufigeres Thema waren hier erneut die Kurabgaben, aber auch Straßenreinigungsgebühren oder Wasser- und Abwassergebühren. 

Nach der gesetzlichen Regelung soll der Bürgerbeauftragte auf eine zügige Lösung hinwirken. Deswegen haben die Behörden den Bürgerbeauftragten nach § 7 PetBüG M-V spätestens nach einem Monat über die veranlassten Maßnahmen, den Fortgang oder das Ergebnis des Verfahrens zu unterrichten. Verstärkt fällt jedoch bei Kommunen auf, dass diese gesetzliche Monatsfrist nicht ansatzweise beachtet wird. 

Des Öfteren musste der Bürgerbeauftragte über längere Zeiträume wiederholt die Beantwortung anmahnen. Die von ihm gestellten Fragen wurden dann auch manchmal gar nicht oder nur oberflächlich beantwortet. Rechtliche Begründungen waren zuweilen nicht nachvollziehbar. So zog eine Stadt z. B. für die Rechtfertigung einer öffentlich-rechtlichen Maßnahme zivilrechtliche Gerichtsentscheidungen heran, die weder vom Sachverhalt noch von der Rechtsgrundlage vergleichbar waren. Mindestens bei rechtlich nicht gängigen Fragestellungen sind die Möglichkeiten kleinerer Verwaltungen offenkundig begrenzt. Mangels juristischen Personals in der Verwaltung werden solche Prüfungen gelegentlich an Anwaltskanzleien ausgelagert, deren Zuarbeiten teilweise aber auch oberflächlich sind. 

Die Anzahl der Petitionen mit ausländerrechtlichem Bezug sank von 47 auf 39. Diese umfassten die ganze Bandbreite des Aufenthaltsrechts, von der Unterbringung von Flüchtlingen über Aufenthaltstitel bis hin zum Familiennachzug. Weiterhin wurden Probleme bei Einbürgerungen angesprochen. 

Mit 71 Petitionen (Vorjahr: 99) sank die Anzahl im Bereich Bauen und Bauleitplanung parallel zur baukonjunkturellen Entwicklung deutlich. Dabei bezogen sich die meisten auf konkrete Schwierigkeiten bei Bauvorhaben, z. B. wenn die Baubehörde eine beantragte Baugenehmigung nicht erteilen wollte.

Seitdem der Bürgerbeauftragte auch mit der Aufgabe des Polizeibeauftragten betraut wurde, hat sich die Anzahl der Petitionen in diesem Bereich deutlich erhöht. So gingen neben den 38 Eingaben aus dem Bereich der Landespolizei auch 36 von Bürgerinnen und Bürgern ein. 

Auch Wohnungslose wollen wählen (Fortsetzung aus 2021)

Im Jahresbericht 2021 wurde der Fall eines Bürgers ohne festen Wohnsitz geschildert, der Schwierigkeiten hatte, in das Wählerverzeichnis für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Landtag eingetragen zu werden.

Selbstverständlich haben auch Menschen ohne festen Wohnsitz das Recht, sich an Wahlen zu beteiligen. Da sie nicht im Melderegister und damit auch nicht im Wählerverzeichnis ihrer Gemeinde gelistet sind, müssen sie einen Antrag stellen, um durch Eintragung im Wählerverzeichnis an der Wahl teilnehmen zu können. Für diese Antragstellung müssen Fristen amtlich bekannt gemacht werden. Diese Veröffentlichungen auf herkömmlichem Weg erreichen Menschen ohne festen Wohnsitz aber oft nicht.

Damit wohnungslose Wahlberechtigte künftig generell über die erforderliche rechtzeitige Antragstellung besser informiert werden, schlug der Bürgerbeauftragte den Landkreisen, den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten vor, über die Voraussetzungen und Fristen für eine Eintragung in das Wählerverzeichnis auch auf anderen Wegen als nur durch amtliche Bekanntmachung zu informieren. Die Wahlbehörden könnten etwa an Einrichtungen herantreten, die üblicherweise Kontakt zu Wohnungslosen haben, wie gemeinnützige Träger der Wohnungslosenhilfe oder private Initiativen (Obdachlosenunterkünfte, Tafeln). Auch die Sozialämter könnten Hinweise und Erklärungen aushängen. Mit einem geringen Mehraufwand würde mehr Bürgern die Teilnahme an Wahlen erleichtert. Die Reaktionen der angeschriebenen Kommunen auf die Vorschläge des Bürgerbeauftragten fielen ganz überwiegend positiv aus. Die Mehrheit der Städte und Landkreise will bei den nächsten Wahlen – dies sind im Jahr 2024 die Europa- und die Kommunalwahl – entsprechende Anstrengungen unternehmen. 

Der Bürgerbeauftragte wies das Innenministerium 2023 mit Blick auf die kommenden Wahlen auf praktische Erleichterungen und rechtliche Anpassungsmöglichkeiten hin. Dieses griff diese Vorschläge auf und kündigte an, sie in die Prüfung für die Erarbeitung der Wahl-Verwaltungsvorschrift einzubeziehen bzw. als Empfehlung an die Kommunen weiterzugeben. So sei unter anderem ein Muster für den Antrag, mit dem wohnungslose Wahlberechtigte in das Wählerverzeichnis eingetragen werden können, entwickelt worden. Dieses Muster soll in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen werden, ebenso wie ein Muster für einen Informationsaushang in den oben erwähnten typischen Anlaufstellen für wohnungslose Personen.

Ein Standesamt traut (sich) nicht (Fortsetzung aus dem Vorjahr)

2022 berichtete der Bürgerbeauftragte über einen Fall, bei dem das Standesamt einer Kleinstadt die Eheschließung einer älteren Mitbürgerin verweigert hatte. Begründet hatte das Standesamt die Ablehnung damit, dass zunächst geklärt werden müsse, ob eine vorhergehende Scheidung der Bürgerin im Ausland 2009 oder erst 2012 rechtswirksam erfolgt sei. Der Bürgerbeauftragte hatte vergeblich sowohl das Standesamt als auch die Fachaufsicht beim Landkreis und im Innenministerium darauf hingewiesen, dass kein Ehehindernis bei der Petentin bestehe. Für das Eingehen einer neuen Ehe sei es nämlich unwesentlich, wann genau eine vormalige Ehe rechtswirksam geschieden worden sei, solange – wie im hiesigen Fall – feststehe, dass eine Scheidung jedenfalls erfolgt sei. Zudem war der frühere Ehegatte inzwischen verstorben.

Im Oktober 2022 hatte das zuständige Amtsgericht auf Antrag der Petentin die Rechtsauffassung des Bürgerbeauftragten bestätigt und angeordnet, dass das Standesamt die Eheschließung vorzunehmen habe. Da dieses aber Rechtsmittel einlegte, musste das Oberlandesgericht entscheiden. Auch dieses stellte im Frühjahr 2023 fest, dass kein Ehehindernis vorliege und das Standesamt unnötige Fragen aufgeworfen habe. Die Eheschließung müsse stattfinden. Daraufhin konnte das ältere Paar im Mai 2023 endlich heiraten – fast zwei Jahre nach der Bestellung des Aufgebots.

Zur Nachbearbeitung des Vorgangs wandte sich der Bürgerbeauftragte erneut an Landkreis und Innenministerium. Er kritisierte, dass die Fachaufsichten die wesentlichen Kernpunkte des Problems nicht erkannt hatten.

Der Landkreis, dessen Fachaufsicht mit einer Stellungnahme die Probleme ursprünglich ausgelöst hatte, zog sich nun darauf zurück, dass man nur eine beratende Funktion gehabt habe. Das Problem sei durch das Standesamt verursacht worden. Man habe nach einer praktikablen Lösung gesucht, aber der zuständigen Mitarbeiterin des Landkreises habe letztlich der „Mut“ gefehlt, eine solche dem Standesamt vorzuschlagen. In künftigen Fällen wolle man „mutiger“ sein. 

Das Innenministerium machte es sich noch einfacher. Es verwies zum einen darauf, dass die Standesbeamten nach dem Personenstandsgesetz unabhängig seien. Zum anderen habe es zwar unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben, aber es sei keine offenkundig abwegige Rechtsauslegung zu erkennen gewesen. Es habe daher keine weiteren Argumente gegeben, um das Standesamt zu einem Umdenken zu bewegen. 

Der Bürgerbeauftragte bleibt dabei, dass seitens der Fachaufsichten die Sach- und Rechtslage unzureichend geprüft und das Standesamt unzulänglich beraten wurde. Zwar sind Standesbeamte gemäß § 2 des Personenstandsgesetzes nicht an Weisungen gebunden. Die Fachaufsicht hat jedoch auch in diesem Fall die Aufgabe, auf eine fehlerfreie Rechtsanwendung hinzuwirken. Hätten die Fachaufsichten die Standesbeamtin deutlich genug auf die offenkundige Rechtslage hingewiesen, hätte diese wohl die Eheschließung durchgeführt. So musste sie gerichtlich dazu gebracht werden. 

Weiterhin: Probleme bei der Terminvergabe von Behörden

Auch in diesem Berichtsjahr beschwerten sich wiederholt Bürgerinnen und Bürger, dass es unmöglich sei, bei bestimmten Behörden zeitnah Termine zu erhalten. Zwei Beispiele:

  • Ein Ehepaar berichtete, dass es für seine Tochter kurzfristig einen Kinderreisepass benötigt hatte. Bei einer Anfrage im Februar habe die zuständige Amtsverwaltung ihnen allerdings nur einen Termin für Mai angeboten. Alternativ könnten sie an einem bestimmten Wochentag nachmittags auch ohne Termin vorbeikommen. Vor Ort seien sie jedoch abgewiesen worden, da es an diesem Nachmittag keine Kapazitäten gegeben habe. Ein erneuter Termin sei dann erst für Juni angeboten worden. Letztlich sei es den Petenten nur mit „viel Bitten und Betteln“ gelungen, bei einer anderen Sprechzeit doch noch kurzfristig einen Ausweis zu erhalten, aber nur, weil ein anderer Bürger kurzfristig seinen Termin abgesagt hatte.
  • In einem anderen Fall berichtete ein Bürger, dass er Anfang Juni für seine drei Kinder Reisepässe für eine ab 22. Juli anstehende Reise beantragen wollte. Der früheste online erhältliche Termin beim Bürgerbüro sei jedoch erst nach Reisebeginn gewesen. Eine Mitarbeiterin vor Ort habe ihm keinen früheren Termin geben können. Auch bei einer persönlichen Vorsprache mit seinen Kindern während der terminfreien Öffnungszeiten sei es ihm nicht möglich gewesen, die Pässe zu beantragen. Man habe ihm gesagt, dass es nicht das Problem des Bürgerbüros sei, wenn er seine Reise nicht früh genug plane. Er könne es ja erneut bei einem anderen Sprechtag versuchen, aber immer nur mit einem der drei Kinder. 

Für den Bürger, der für die Behördentermine jedes Mal freinehmen musste, war dies keine Lösung. Nachdem er erfahren hatte, dass in Ausnahmefällen auch örtlich unzuständige Behörden Ausweise ausstellen können, erkundigte er sich bei anderen Meldebehörden des Umlandes. Bei einer anderen Amtsverwaltung konnte er dann unproblematisch Ausweise erhalten. Dafür hatte ihm die zuständige Mitarbeiterin kurzfristig und sogar außerhalb der Sprechzeiten einen Termin ermöglicht. 

Der Bürgerbeauftragte wertete diese Fälle mit den zuständigen Behörden aus. Von Seiten der Behördenleitungen wurden die Probleme aber eher bagatellisiert. Im ersten Fall versprachen sie Verbesserungen, um schnellere Terminvergaben zu erreichen. Dies erfolgte dann auch bis zum Jahresende. Im zweiten Fall wurden die Probleme weitgehend bestritten. 

Bei Internetrecherchen musste der Bürgerbeauftragte bei Behörden im ganzen Land immer noch feststellen, dass Termine teilweise erst mit langen Wartezeiten vergeben werden. Weiterhin ist es dem Bürgerbeauftragten daher ein wichtiges Anliegen, eine gute Zugänglichkeit von Behörden zu sichern. Bürger sollen in allen Behörden die Möglichkeit haben, zu allgemeinen Öffnungszeiten ohne Termin vorzusprechen – auch wenn es dann zu Wartezeiten kommen kann. Daneben können und sollten auch individuelle Terminabsprachen online oder telefonisch angeboten werden. Bei kurzfristig entstandenen Problemen – wie den oben geschilderten Fällen – muss es möglich sein, auch kurzfristig Lösungen zu finden. Der gute Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen ist grundlegend für ein solides Vertrauen in die öffentliche Verwaltung. Hierzu gaben die Bürgerbeauftragten der Länder eine gemeinsame „Schweriner Erklärung“ im April 2023 ab (vgl. C.). 

Gemeindliche Finanzlage verhindert Lösungen

Gesetzliches Ziel der Tätigkeit des Bürgerbeauftragten ist u. a. die schnelle und einvernehmliche Lösung von Streitigkeiten zwischen Bürgern und Staat (§ 7 PetBüG M-V). Manchmal scheitern Lösungen sogar trotz jahrelanger Bemühungen des Bürgerbeauftragten an der Finanzlage und letztlich auch an dem politischen Willen der beteiligten Kommunen. Hierzu zwei Beispiele:

  • In einem Fall hatte sich schon 2018 ein Bewohner einer dörflichen Gemeinde an den Bürgerbeauftragten gewandt. Er beklagte Probleme mit der Regenentwässerung seiner Wohnstraße. Ursprünglich war das Niederschlagswasser der Straße auf einem Nachbargrundstück des Petenten entsorgt worden. Nach Grundstücksverkauf und Bebauung setzte die Gemeinde als Ersatz Versickerungsschächte für das Regenwasser, die aber bei starkem Regen nicht ausreichen. In einem Fall kam es dazu, dass Regenwasser über die Garagenzufahrt in das Haus des Petenten eindrang und erhebliche Schäden anrichtete. Auch bei anderen Regenfällen staute sich das Wasser seenartig vor dem Grundstück des Petenten. Nur weil er inzwischen seine Garageneinfahrt mit einer Holzkonstruktion verbarrikadiert hatte, kam es in der Folge nicht mehr zu größeren Schäden.  
    Seit Einreichen der Petition bemühte sich der Bürgerbeauftragte wiederholt und intensiv um eine Lösung. Ursprünglich von der Gemeinde zugesagte Bauarbeiten zur Verbesserung der Entwässerung fanden nie statt. Auf weitere Nachfragen und Gespräche des Bürgerbeauftragten wurden wiederholt Prüfungen für eine Lösung und Verbesserungsarbeiten in Aussicht gestellt. Tatsächlich erfolgten aber unter Hinweis auf die mangelnde Finanzierbarkeit für die finanziell angeschlagene Gemeinde über Jahre keine Maßnahmen.  
    Der Petent hatte für den größeren Wassereintritt in seinem Haus inzwischen eine Klage auf Schadensersatz gegen die Gemeinde eingereicht. Nachdem diese Klage 2023 aus formalen Gründen abgewiesen worden war, sah die Gemeinde plötzlich keine Notwendigkeit mehr, die Straßenentwässerung zu verbessern, obwohl die Problematik offenkundig weiter besteht. Der Bürgerbeauftragte hat die Angelegenheit aufbereitet und an den Petitionsausschuss des Landtages abgegeben, da er es nicht hinnehmen will, dass sich die Gemeinde unter Verweis auf ihre Finanzlage ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Entwässerung entzieht.
  • In einem anderen Fall hatte ein Bürger 2019 eine Petition eingelegt. Über sein landwirtschaftliches Grundstück war während der DDR-Zeit ein öffentlicher Weg angelegt worden, der inzwischen als touristischer Radweg genutzt wird. Der Eigentümer wollte diese Fläche mit ihren Lasten an die Gemeinde abgeben. Für solche Fälle bestimmt das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz eine Verpflichtung der Gemeinde zum Kauf der öffentlichen Wegfläche auf Antrag des Grundeigentümers. Der Petent hatte hierzu bei der Gemeinde nachgefragt – ohne Ergebnis. Letztlich sah die Gemeinde nach wiederholtem Nachhaken des Bürgerbeauftragten ein, dass sie die Fläche übernehmen muss. Das wesentliche Problem ist für die sehr kleine Gemeinde (unter 150 Einwohner) aber die Finanzierung der Vermessungskosten. Der zuständige Dezernent des Landkreises hatte zwischenzeitlich dem Bürgerbeauftragten zugesagt, zur Unterstützung der Gemeinde die Vermessung durch das Katasteramt selbst durchführen zu lassen, so dass keine Kosten für externe Vermesser anfielen. Die Gemeinde entschied sich zuletzt aber dafür, aus Kostengründen ein Bodenordnungsverfahren einleiten zu lassen. Denn in einem solchen Verfahren werden Grundstückszuordnungen und Vermessungen durch die Bodenordnungsbehörde durchgeführt. Damit wollten sich der Petent und der Bürgerbeauftragte aber nicht zufriedengeben, da solche Verfahren viele Jahre dauern können. Der Bürgerbeauftragte forderte die Gemeinde erneut auf, den Weg zu übernehmen – so wie es das Gesetz auch vorsieht. Entnervt über die lange Verfahrensdauer verkaufte der Petent letztlich das Grundstück. Damit war die Petition abgeschlossen, nicht unbedingt aber auch das Problem gelöst. 

Beide Fälle zeigen, dass kleinere Gemeinden schon durch überschaubare finanzielle Aufwendungen überfordert sein können. Das aber entbindet sie nicht von der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Dann stellt sich die Frage, ob sie strukturell und funktionell leistungs- und lebensfähig sind. Zu prüfen ist hier immer auch, ob nicht Sonderbedarfszuweisungen beantragt werden können. 

Gemeindevertretung: Eingeschränktes Fragerecht?

Vermehrt erreichten den Bürgerbeauftragten Eingaben von Bürgern, weil sie ihr Einwohnerfragerecht in den Gemeindevertretersitzungen nur beschränkt ausüben können. 

Die Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern sieht die Möglichkeit der Einwohner vor, in den öffentlichen Sitzungen der Gemeindevertretung zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Fragen zu stellen und Vorschläge oder Anregungen zu unterbreiten. Die Kommunalverfassung überlässt es jedoch den Gemeinden, nähere Regelungen hierzu in ihrer Hauptsatzung zu treffen. Häufig enthalten diese Satzungen ein eingeschränktes Fragerecht: Fragen und Anregungen der Einwohner dürfen keinen Bezug zu den Beratungsgegenständen der aktuellen Sitzung haben.

Begründet wird diese Einschränkung häufig damit, dass die Gemeindevertreter unabhängig von der anwesenden Öffentlichkeit ihre Beratung führen können und die Beratungsgegenstände nur einmal pro Sitzung behandelt werden sollen. Die Beschlussvorlage der Verwaltung bzw. die Vorbereitung in den Ausschüssen müssten Ausgangspunkt der Diskussion in der Gemeindevertretung sein und nicht die Fragen und Standpunkte der Betroffenen, die durch ihr Auftreten die Gemeindevertreter beeinflussen könnten.

Der Bürgerbeauftragte wandte sich an den Innenminister. Dieser erklärte, dass die Kommunalverfassung zwar nicht verbiete, in der Fragestunde auch Beratungsgegenstände zu erörtern, die auf der Tagesordnung der Sitzung stünden. Eine Einschränkung in den Hauptsatzungen der Gemeinden sei jedoch zulässig. Dies habe das Innenministerium bereits 2013 in einem Runderlass klargestellt. Die Regelungen in den jeweiligen Hauptsatzungen der Gemeinden seien wohl auf die Mustersatzung des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern zurückzuführen. Dabei sei unklar, ob die Kommune tatsächlich ein Bedürfnis zur Beschränkung des Fragerechts der Einwohner habe oder ob die Regelung des Hauptsatzungsmusters nur einfach übernommen worden sei.

Der Minister sehe im Ergebnis keinen Anlass für eine Änderung der Kommunalverfassung. Es könne von den Kommunen vor Ort am besten entschieden werden, ob in der Fragestunde im Interesse einer größtmöglichen Bürgerbeteiligung auch Fragen zu den tagesaktuellen Beratungsgegenständen zugelassen werden könnten oder aber der Schutz des Meinungsbildungsprozesses dies ausschließe.

Der Bürgerbeauftragte kann den Wunsch der Bürger nach mehr Bürgerbeteiligung nachvollziehen. Er hält es daher nicht für überzeugend, dass aktuelle Beratungsgegenstände nicht auch Gegenstand der – ohnehin zeitlich limitierten – Einwohnerfragestunden sein dürfen. Zwar mag die Regelung in der Hauptsatzung rechtlich nicht zu beanstanden sein. Es ist aber lebensfremd, dass vom Bürger aufgrund der Tagesordnung aufgeworfene aktuelle Fragen nicht oder erst in anderen Gemeindevertretersitzungen angesprochen werden können. Daher setzt sich der Bürgerbeauftragte weiterhin für eine Öffnung der Gemeindevertretungen zu mehr Bürgernähe ein. Dies wird in einigen Städten und Gemeinden bereits in den jeweiligen Hauptsatzungen umgesetzt.

Sprachkenntnisse bei der Einbürgerung

Die Ausländerbehörden müssen inzwischen vermehrt über Einbürgerungsanträge entscheiden, wenn ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger bei erfolgreicher Integration die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen. Hierfür sollen mündliche und schriftliche deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1 nachgewiesen werden. Dies kann gerade bei den schriftlichen Kenntnissen mitunter aber nicht sachgerecht und zweckmäßig sein:

  • In einem Fall ging es um die kambodschanische Lebensgefährtin eines Deutschen. Diese hatte 2016 einen Deutschkurs mit dem niedrigeren Niveau A 2 bei der schriftlichen Prüfung absolviert. Danach absolvierte sie noch die 9. und 10. Klasse an einer Volkshochschule. Dies sollte nach Ansicht der Einbürgerungsbehörde eines Landkreises aber nicht für den Nachweis der schriftlichen Sprachkenntnisse ausreichen. 
    Der Bürgerbeauftragte wies die Behörde darauf hin, dass nach Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern die Sprachkenntnisse in der Regel schon nachgewiesen sind, wenn eine Versetzung in die 10. Klasse erfolgt ist. Daraufhin lud die Einbürgerungsbehörde die Petentin zu einem Gespräch ein und konnte sich hierbei von den Sprachkenntnissen ohne weitere schriftliche Prüfung überzeugen. 
  • Eine andere Petition betraf eine ältere bosnische Bürgerin, die sich schon über 30 Jahre in Deutschland aufhielt. Ihr Ehemann und sie führten seit Jahren im Mecklenburg-Vorpommern ein eigenes Restaurant. Die Frau hatte durch den Geschäfts- und Kundenkontakt sehr gute Sprachkenntnisse im Bereich Hören, Lesen und Sprechen; nur beim Schriftlichen haperte es: Hier konnte sie nur die Stufe A 1 vorweisen. Ihr Ehemann und die gemeinsamen Kinder waren bereits länger eingebürgert. Der Landkreis hatte daher das Innenministerium als oberste Ausländerbehörde um eine Ausnahmeerlaubnis gebeten, die Frau dennoch im Rahmen des Ermessens einbürgern zu dürfen. Dies wollte das Innenministerium ablehnen, da sie keine Bemühungen für den Spracherwerb vorgetragen habe. 
    Der Bürgerbeauftragte, dem das Anliegen bei einem Sprechtag vorgetragen wurde, bat das Ministerium, seine Haltung zu überdenken. Er verwies hierbei auf die Erwerbsbiographie der Petentin und die Doppelbelastung durch Geschäftsbetrieb und Kindererziehung. Es sei nachvollziehbar, dass daneben der Erwerb der Schriftsprache in Kursen schwierig sei. Mündlich beherrsche sie die Sprache ja sehr gut. Die Petentin sei auch bereits 63 Jahre alt. Ab einem Alter von 67 Jahren könne man ohnehin eine Einbürgerung auch bei mangelnden Sprachkenntnissen durchführen. 
    Daraufhin stimmte das Ministerium unter Berücksichtigung der Umstände in diesem Einzelfall der Einbürgerung zu. 

Diese Fälle zeigen, dass im Ermessenswege durchaus Möglichkeiten bestehen, gut integrierten ausländischen Mitbürgern die Einbürgerung zu ermöglichen, auch wenn die eigentlich notwendigen schriftlichen Sprachkenntnisse nicht vollständig vorliegen oder nachgewiesen werden. 

Kurabgabenermäßigung bei Behinderungen

Gehäuft beklagten Petenten, dass Kur- und Erholungsorte in ihren Satzungen keine Ermäßigung oder Befreiung mehr für Menschen mit Behinderungen oder notwendige Begleitpersonen (z. B. bei Merkzeichen B, H) vorsehen.

Das Kommunalabgabengesetz (KAG) sieht die Möglichkeit der vollständigen oder teilweisen Befreiung vor. Innerhalb der gesetzlichen Vorgaben sind die Gemeinden in der Ausgestaltung der Satzung frei. Sie können eine Befreiung vorsehen. Die Verwaltungsvorschrift empfiehlt dies sogar. 

Allerdings antwortete die vom Bürgerbeauftragten angefragte Landesregierung, nicht aufsichtlich eingreifen zu können. Auf die Bitte des Bürgerbeauftragten, jedenfalls bei öffentlichen Förderungen von Kureinrichtungen die Bewilligung von der Barrierefreiheit der Kurangebote abhängig zu machen, erwiderte der zuständige Minister, schon aus baurechtlichen Gründen könne es eine umfassende und vollständige Barrierefreiheit praktisch nicht geben, wobei jedoch eine möglichst barrierearme Umgebung das Ziel sei.

Der Bürgerbeauftragte regte im Inklusionsförderrat an, dass dieser die Kurgemeinden um entsprechende Befreiungs-/Ermäßigungsregeln bittet oder den Landtag als Gesetzgeber um eine Gesetzesänderung ersucht. Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention Ermäßigungen bei den Kurabgaben als Nachteilsausgleich zwingend sind. Das gilt erst recht, seitdem nach einer Gesetzesänderung auch verstärkt Erholungsorte eine Kurabgabe erheben. Der Inklusionsförderrat forderte in der Folge die Landesregierung auf, die Initiative zu einer Anpassung des KAG zu ergreifen. Die Landesregierung lehnte dies ab, weshalb der Bürgerbeauftragte die Angelegenheit an den Petitionsausschuss abgab. 

Ordnungsrecht: Parken an Engstelle

Wer eine Verwarnung wegen eines Parkverstoßes erhält, freut sich nie. Ärgerlich wird es aber, wenn „Parksünder“ nicht erkennen können, was ihnen vorgeworfen wird. Zum Beispiel, wenn sie zuvor jahrelang unbeanstandet an dieser Stelle geparkt hatten. So in dem folgenden Fall:

  •  Ein Paar parkte seit Jahren seine beiden Fahrzeuge in seiner innerstädtischen Wohnstraße – wie viele andere Anwohner auch. Parkbeschränkungen waren dort nicht angeordnet. An einem Freitagnachmittag fanden sie aber an einem ihrer dort geparkten Fahrzeuge einen Hinweis auf eine kostenpflichtige Verwarnung vor. Da es sich nach der Annahme der Bürger nur um einen Irrtum handeln konnte, wollten sie dies gleich am Montagmorgen mit dem Ordnungsamt telefonisch klären. Bevor sie dieses aber erreichen konnten, erhielten sie schon weitere Verwarnungen, diesmal für beide Fahrzeuge. Auch viele andere Anwohner fanden entsprechende „Strafzettel“ an ihren Fahrzeugen. 
    Auf ihre Nachfrage beim Ordnungsamt erfuhren die Bürger, dass es Schwierigkeiten bei der Durchfahrt von Müllfahrzeugen gegeben habe. Deswegen habe das Ordnungsamt die Straße vermessen und festgestellt, dass durch das Parken nicht die erforderliche Mindest-Durchfahrtsbreite von 3,05 Metern vorhanden sei. Das Ordnungsamt gab an, zunächst kostenfreie Verwarnzettel an den dort parkenden Fahrzeugen befestigt zu haben, bevor es dann auch kostenpflichtige Verwarnungen ausstellte. Die Bürger hatten davon aber nichts mitbekommen. Das Ordnungsamt teilte ferner mit, dass in der Straße auch bald Parkverbotsschilder aufgestellt werden sollten. Das Verwarngeld müsse auf jeden Fall bezahlt werden. 
    Empört meldete sich das Paar beim Bürgerbeauftragten. Dieser bat das Ordnungsamt um Aussetzung der laufenden Verfahren zur Vermeidung kostenpflichtiger weiterer Schritte und die Verwaltungsspitze um eine Prüfung der Vorgehensweise. Es sei offenbar für viele Anwohner nicht erkennbar gewesen, dass die Straße zu schmal sei, zumal sie dort zuvor jahrelang unbeanstandet geparkt hätten. Es sei auch unverständlich, warum man erst Verwarnungen verteile und anschließend Parkverbotsschilder aufstelle.  
    Vom Ordnungsamt erhielt daraufhin der zuständige Mitarbeiter des Bürgerbeauftragten einen Anruf. „Selbstverständlich“, so eine höhere Mitarbeiterin, werde man die Verfahren nicht aussetzen. Es stünde den Bürgern ja frei, die Verwarnungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Hinweise des Mitarbeiters des Bürgerbeauftragten, dass eine solche Verfahrensweise bei ähnlichen Fällen in anderen Kommunen unproblematisch möglich sei, fruchteten nicht.  
    Erst nach wiederholten, energischen Schreiben des Bürgerbeauftragten an die Verwaltungsleitung zeigte die Stadt Einsicht. Der zuständige Beigeordnete räumte ein, dass sich die Petenten beim Abstellen ihrer Fahrzeuge offenbar „in einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum“ befunden hätten. Die Verfahren wurden eingestellt, soweit sie nicht durch eine Zahlung der Betroffenen bereits abgeschlossen waren.  
    Während der Bearbeitung der Petition wurde dann auch in der Straße ein Verkehrszeichen für ein Parkverbot aufgestellt, allerdings nur von Montag bis Freitag von 7 bis 19 Uhr. Bürgernäher als ein komplettes Parkverbot ist diese Lösung immerhin. 
Keine Erstattung der Gebühr für den Anwohnerparkausweis

Mit einem ganz anderen Problem hatte sich eine Bürgerin derselben Stadt im Mai 2023 beim Bürgerbeauftragten gemeldet. Sie hatte schon im März 2022 einen Anwohnerparkausweis beantragt und für die Ausstellung vorab die Gebühr entrichtet. Der Antrag wurde allerdings im Mai 2022 abgelehnt. Auch der hiergegen eingelegte Widerspruch der Bürgerin wurde im Dezember 2022 zurückgewiesen. Die gezahlte Gebühr hatte die Petentin aber trotz wiederholter Bemühungen nicht erstattet bekommen. Vergleichbare Schwierigkeiten gab es offenbar auch bei anderen Bürgern. 

Daraufhin bat der Bürgerbeauftragte die Stadtverwaltung um Überprüfung und Stellungnahme. Ende Juli 2023 wurde der Petentin endlich die Gebühr zurückgezahlt. In einer Stellungnahme räumte die Verwaltung ein, dass die zuständige städtische Behörde „in Teilen derzeit nicht zufriedenstellend funktioniert“. Man arbeite intern an einer Lösung, die zeitnah umgesetzt werden solle. Gegen Ende des Jahres berichtete die Stadt dann, dass inzwischen bei Ablehnungen die gezahlten Gebühren kurzfristig erstattet würden. 

Bauangelegenheiten

Im Baurecht gibt es viele Konstellationen, in denen Bürger mit der Verwaltung im Streit liegen können. Beim Bürgerbeauftragten beschweren sich Bürger beispielsweise über die Verweigerung von Baugenehmigungen oder auf der anderen Seite über erteilte Baugenehmigungen für Nachbarn, bei denen sie ihre Rechte verletzt sehen. Auch die Durchsetzung der Bauordnung ist ein wiederkehrendes Thema. 

Häufig beklagen sich Bürger beim Bürgerbeauftragten über die langen Verfahrenslaufzeiten bei Baugenehmigungsverfahren, insbesondere wenn wiederholt Unterlagen nachgefordert werden. Lange Verfahrensdauern können aber durchaus vermieden werden, wenn von Seiten der unteren Baubehörden ein wenig mehr Transparenz und Gesprächsbereitschaft gezeigt wird. Häufig sind nur kleine Hinweise und Erklärungen notwendig, damit die Bürger das Verwaltungsverfahren auch nachvollziehen können.  

Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen

Schon 2022 berichtete der Bürgerbeauftragte vom Wunsch mancher Bürger nach einer Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem eigenen Hausdach, der auf oder in der Nähe von Denkmalen regelmäßig am Widerstand der Denkmalschutzbehörde scheiterte. Diese hat den Denkmalschutz gegen den Erhalt der natürlichen Grundlagen – beides öffentliche Belange – abzuwägen. Ebenfalls im Vorjahresbericht war bereits die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erwähnt worden, durch die der Bundesgesetzgeber festgelegt hatte, dass der Bau und Betrieb von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Der Bürgerbeauftragte kritisierte, dass dies in der Genehmigungspraxis nicht immer berücksichtigt werde.

Im laufenden Berichtsjahr entschied das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einem Windkraft-Fall, dass der Bund, obwohl für Denkmalschutz unzuständig, hiermit auch eine im Denkmalschutz verbindliche Festlegung zur Abwägung vornehmen konnte. Das Abwägungsergebnis sei bundesgesetzlich „voreingestellt“, sowohl aus Gründen der Versorgungssicherheit als auch des Klimaschutzes. Nur in atypischen Ausnahmefällen könne sich der Denkmalschutz gegen das überragende Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien durchsetzen. Im gerichtlich entschiedenen Fall wurde ein solch atypischer Ausnahmefall nicht gesehen und das Vorhaben der Windkraftnutzung bestätigt.

Auf diese neue Rechtsprechung machte der Bürgerbeauftragte einen Landkreis, der einem Petenten eine Ablehnung für eine PV-Anlage erteilt hatte, aufmerksam. Ohne Zögern kündigte der Landkreis an, eine Neubewertung vorzunehmen. Eine Bewilligung mit Auflagen wurde erteilt.

In anderen Fällen standen der Errichtung von PV-Anlagen auf Privatdächern, vor allem in Altstädten, städtische Sanierungs- oder Gestaltungssatzungen entgegen. So auch im Fall einer Bürgerin, die ein Haus in der zweiten Reihe im Sanierungsgebiet einer Stadt besitzt. Ihr Grundstück ist von Bebauung umgeben. Das Dach kann man nur in einer bestimmten Sichtachse vom öffentlichen Park aus sehen. 

Nachdem mit der Montage der PV-Anlage begonnen wurde, verfügte die Stadt einen Baustopp, weil es keine Genehmigung gab. Daraufhin beantragte die Bürgerin eine Genehmigung, welche aber versagt wurde. Laut Sanierungssatzung soll eine PV-Anlage nur erlaubt sein, wenn sie nicht von der Straße oder öffentlichen Plätzen aus einsehbar ist.

Der um Hilfe gebetene Bürgerbeauftragte wandte sich mit dem Hinweis auf die neue Rechtslage zu Gunsten der Energiegewinnung an den Bürgermeister. Er fragte nach Anpassung der Sanierungssatzung. Der Bürgermeister wies in seiner Antwort darauf hin, dass sich eine Änderung der Satzung bereits in der Erarbeitung befinde. Es seien Lockerungen für den Bau von PV-Anlagen im Sanierungsgebiet vorgesehen.

Der Bürgerbeauftragte empfahl der Petentin, den Beschluss zur Änderung der Gestaltungssatzung abzuwarten und dann einen neuen Bauantrag zu stellen. Nachdem die Satzung geändert worden war, konnte die Petentin die Anlage schließlich montieren lassen.

Seit April 2021 ist der Bürgerbeauftragte auch der Beauftragte für die Landespolizei (§ 6 Abs. 5 PetBüG M-V). Er hat in dieser Eigenschaft besondere Rechte und Instrumente, wenn Polizeibeschäftigte sich an ihn wenden, um Vorgänge und Entwicklungen in der Landespolizei, aber auch Verbesserungsvorschläge anzusprechen. Dabei müssen sie den Dienstweg nicht einhalten (§ 13 PetBüG M-V). 

Im Berichtsjahr wurde diese besondere Aufgabe des Bürgerbeauftragten verstärkt öffentlich wahrgenommen. Hierzu trugen eine Reihe von Besuchen des Bürgerbeauftragten bei Polizeidienststellen und auch die verstärkte öffentliche Berichterstattung bei. Die Zahl der Eingaben hat sich sowohl aus der Landespolizei als auch der Bevölkerung deutlich erhöht. Im Berichtsjahr gingen 72 Eingaben ein (Vorjahr: 32), und zwar 38 aus der Landespolizei und 36 aus der Bevölkerung. Dies ist eine Entwicklung, wie sie auch in anderen Bundesländern nach der Einführung einer solchen Aufgabe festgestellt werden konnte. 

Das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz sieht für die Erledigung von Anfragen zwei Fristen vor, in der zuständige Stellen den Bürgerbeauftragten über veranlasste Maßnahmen, den Fortgang oder das Ergebnis des Verfahrens unterrichten müssen. Nach § 7 Absatz 4 PetBüG M-V hat die zuständige Stelle spätestens nach einem Monat dem Bürgerbeauftragten zu antworten. Abweichend ist für Beschwerden aus der Landespolizei nach § 15 PetBüG M-V die Auskunft „unverzüglich“ zu erteilen. Der Bürgerbeauftragte kann zudem direkt von den betroffenen Polizeibehörden die Stellungnahme anfordern. 

In der Regel hielt das Innenministerium im Jahr 2023 die gesetzlich vorgegebene Monatsfrist für Anfragen von Petenten, die Probleme mit der Polizei hatten, noch nicht ein. Alle Eingaben müssen nach Weisung des Innenministeriums durch die oberste Dienstbehörde beantwortet werden. Die nachgeordneten Polizeibehörden haben demnach eingehende Petitionen nicht selbst zu beantworten, sondern immer dem Innenminister vorzulegen. Das kostet Zeit. Petenten mussten so teilweise sehr lange auf eine Beantwortung warten. 

Bei der Frist der Beantwortung von Anfragen als Beauftragter für die Landespolizei sieht das Innenministerium die darin formulierte Frist von „unverzüglich“ dann als erfüllt an, wenn sie „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgt. Das würde nach Auffassung des Innenministeriums bedeuten, dass die Beantwortung auch längere Zeit dauern darf. Das war aber nicht die Intention des Gesetzgebers, der eine besonders zügige Beantwortung gewollt hatte. Unabhängig von diesen rechtlichen Auffassungsunterschieden verständigten sich aber beide Seite im Einzelfall über die Bearbeitungszeiten, die sich zum Jahresende hin auch verbessert haben. 

Schießausbildung

Im Jahresbericht 2022 hatte der Bürgerbeauftragte darauf hingewiesen, dass die Schießstätten-Situation, zumindest im Westteil des Landes, einer modernen Aus- und Fortbildung nicht gerecht werde. Es gebe derzeit nicht genügend Schießstätten für die verschiedenen Trainingsbedarfe in der Polizei. Der Bürgerbeauftragte kündigte an, in den Kontakten mit dem Innenministerium das Anliegen aufzunehmen und noch einmal zu behandeln.

Daher wurde das Innenministerium im Juli 2023 mit einer Darstellung der Erkenntnisse des Bürgerbeauftragten um eine Stellungnahme gebeten. Der Bürgerbeauftragte legte hierbei dar, dass bereits das sogenannte „Schießstättenkonzept der Landespolizei“ vom Februar 2021 davon ausging, dass es in der Polizei zu wenig Möglichkeiten für eine qualifizierte Schießausbildung gibt. 

Der Bürgerbeauftragte erörterte das Thema im November 2023 eingehend mit dem zuständigen Referatsleiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums. Dieser berichtete, dass die Schießausbildung im Ostteil des Landes Mecklenburg-Vorpommern – dem Bereich des Polizeipräsidiums Neubrandenburg – schwieriger durchzuführen sei. Zwar gebe es auch im Bereich des Polizeipräsidiums Rostock Probleme wegen des Wegfalls von Schießstätten für die polizeiliche Nutzung. Hingegen seien im Polizeipräsidium Neubrandenburg zwei von vier Schießstätten weggefallen. Derzeit sei die Polizei bestrebt, gemeinsam mit einem Schützenverein eine Anlage für das polizeiliche Schießen (wieder) zu ertüchtigen und zu nutzen. Eine weitere Überlegung sei, eine polizeieigene Schießanlage in Stralsund zu errichten. Das Finanzministerium prüfe die zur Verfügung stehenden Optionen zur Finanzierung. Auch der durch die Polizei in Rostock-Waldeck geplante Neubau einer polizeieigenen Schießanlage könnte aus Sicht des Bürgerbeauftragten für die Landespolizei eine Lösung sein. Er sieht es als erforderlich an, eine gut erreichbare und hinreichend häufige Schießausbildung für die Polizei zu ermöglichen. 

Petitionen zur Landespolizei

Neben solchen Grundsatzthemen war aber insbesondere die Bearbeitung von Petitionen, die sowohl aus der Bevölkerung wie auch aus der Landespolizei eingelegt wurden, der Schwerpunkt der Arbeit:

Körperliche Durchsuchung von Kindern

Zwei minderjährige Mädchen wurden in einer Unterrichtspause in einem Einkaufsmarkt durch den Ladendetektiv des Diebstahls beschuldigt. Trotz des Vorzeigens des Tascheninhalts war dieser überzeugt, dass sie gestohlen hatten, und rief die Polizei hinzu. Die Polizeibeamten nahmen die Kinder mit zum Polizeirevier. Von Anfang an wiesen die Mädchen darauf hin, nichts gestohlen zu haben. Dennoch wurden sie aufgefordert, mit einer Polizeibeamtin in einen gesonderten Raum zu gehen, wo sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen mussten. Die Polizeibeamtin schaute auch in die Unterwäsche der Kinder. Diebesgut wurde nicht gefunden. Nach der Durchsuchung mussten die Kinder das Polizeirevier allein verlassen.

Der Bürgerbeauftragte, dem dieser Sachverhalt durch die Mutter eines der betroffenen Mädchen vorgetragen worden war, bat den Innenminister um eine Stellungnahme. Der Innenminister bestätigte, dass die handelnden Polizeibeamten einige Fehler begangen hätten. Es hätte bereits im Vorfeld ermittelt werden müssen, ob sich die Vermutung des Ladendetektivs, die Mädchen hätten sich das vermeintliche Diebesgut in die Unterwäsche gesteckt, mit Tatsachen belegen ließ. Die Videoaufnahmen des Einkaufsmarktes wurden aber vor Ort nicht angesehen. Auch wurden die Eltern der Mädchen nicht verständigt. Die Entlassung der Kinder vom Polizeirevier hätte nur in die Obhut der Erziehungsberechtigten erfolgen dürfen.

Daher schlug der Bürgerbeauftragte vor, dass sich der Leiter des Polizeireviers in einem Gespräch mit den Eltern und den beiden Kindern für das Handeln der Polizeibeamten entschuldigt. Diesen Vorschlag aufgreifend hat der Leiter des Polizeireviers mit den Eltern und den beiden Mädchen gesprochen und ausdrücklich um Entschuldigung gebeten. Die Petentin hat diese Entschuldigung als ehrlich empfunden und es geschätzt, dass sich der Leiter des Polizeireviers sehr viel Zeit genommen habe. 

Die fehlerhafte Polizeikontrolle

Telefonisch beschwerte sich ein Bürger beim Bürgerbeauftragten in verschiedener Hinsicht über die Durchführung einer Polizeikontrolle:

  • Ihm sei zu Unrecht vorgehalten worden, dass er in Schlangenlinien gefahren sei.
  • Das Vorzeigen eines Dienstausweises der Polizeibeamten sei ihm zunächst verweigert worden. Dann habe einer der Beamten den Dienstausweis unmittelbar vor das Gesicht des Bürgers und anschließend mit ausgestrecktem Arm zur Seite weggehalten, so dass dieser nicht lesbar gewesen sei. Lediglich die Dienstausweisnummern seien ihm mitgeteilt worden.
  • Eine beim Einsatz gefertigte Bodycam-Aufnahme sei, obwohl er dies ausdrücklich erbeten habe, nicht dauerhaft gespeichert worden.
  • Ohne Grund sei ihm vorgehalten worden, dass er Alkohol getrunken habe. Obwohl er keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe, habe er für eine Blutalkoholkontrolle mitkommen sollen. Um dies zu vermeiden, habe der Bürger vor Ort einen freiwilligen Urintest und einen freiwilligen Atemalkoholtest durchführen müssen. Beide Tests waren negativ. Erst daraufhin durfte der Petent weiterfahren.
  • Auf seine mündlichen und schriftlichen Beschwerden bei der Polizeiführung habe er seit Monaten keine schriftliche Antwort erhalten.

Der Bürgerbeauftragte bat den Innenminister um Überprüfung. Daraufhin erhielt der Petent – über sechs Monate nach seiner ersten Beschwerde – eine Stellungnahme der Polizeiinspektion. Diese räumte erhebliches Fehlverhalten der Polizeibeamten ein. Auch das Innenministerium bestätigte dies und berichtete, dass die Polizeivollzugskräfte der Inspektion zum Umgang mit Bürgern und zur Sicherung der Bodycam-Aufnahmen belehrt worden seien. Zudem sei gegen den hauptverantwortlichen Beamten eine dienstrechtliche Maßnahme ergriffen worden. In einem persönlichen Gespräch des Bürgerbeauftragten mit dem Leiter der Polizeiinspektion wurde der Vorfall auch noch einmal ausgewertet. Der Petent gab sich letztlich mit diesen Erklärungen zufrieden. 

Generell sieht es der Bürgerbeauftragte als Problem an, dass das Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes im Gegensatz zu den Polizeigesetzen anderer Länder keine Verpflichtung enthält, sich mit dem Dienstausweis zu legitimieren. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten besteht für Polizeibeamte aber eine Pflicht, ihre Namen zu nennen, soweit der Zweck der Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird. Daher hat er angeregt, in Mecklenburg-Vorpommern eine gesetzliche oder andere verpflichtende Regelung einzuführen, die eine Ausweispflicht der Polizeibeamten vorsieht. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine angeforderte Stellungnahme des Innenministeriums liegt noch nicht vor. 

Strafanzeigen bei der Polizei

Der Bürgerbeauftragte erhielt im Laufe des Berichtsjahres mehrere Eingaben, in denen sich Bürger darüber beschwerten, dass sie bei der Polizei keine Strafanzeige erstatten konnten:

  • Beispielsweise beklagte sich ein Petent, dass er in einem Polizeihauptrevier im Flur „abgefertigt“ worden sei. Die von ihm gewünschte Anzeige sei nicht aufgenommen worden. Begründet worden sei dies von einem Polizeibeamten damit, dass eine Anzeige wegen des Alters der Beschuldigten (Strafunmündigkeit) ohnehin nichts bringe. „Das fliegt sowieso in den Papierkorb, entweder bei uns oder bei der Staatsanwaltschaft“, sei die Aussage des Polizeibeamten gewesen. 
    Das vom Bürgerbeauftragten eingeschaltete Innenministerium konnte zwar mit den ungenauen Angaben des Petenten den Sachverhalt nicht im Einzelnen aufklären. Der Leiter des Polizeihauptreviers nahm die Nachfrage des Bürgerbeauftragten aber zum Anlass, die Beamten zu sensibilisieren. Er suchte den Kontakt zum Petenten. Dieser konnte die Strafanzeige erstatten, die dann in der zuständigen Kriminalpolizeidienststelle bearbeitet wurde. 

Vergleichbare Fälle gab es auch in anderen Polizeidienststellen. Petenten beklagten, dass sie weggeschickt worden seien. In einem Fall seien sie aufgefordert worden, die Anzeige in einem anderen Bundesland zu stellen. Eine derartige Vorgehensweise ist natürlich unzulässig. Polizeidienststellen sind verpflichtet, Strafanzeigen aufzunehmen, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Dies gilt unabhängig von den mutmaßlichen Erfolgsaussichten einer Strafverfolgung und von der örtlichen Zuständigkeit. Nur die Staatsanwaltschaften dürfen die Ermittlungsverfahren einstellen. 

Inklusionsbeauftragte und Inklusionsvereinbarungen

Jeder Arbeitgeber hat nach § 181 SGB IX einen Inklusionsbeauftragten zu bestellen, der ihn in Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen verantwortlich vertritt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Beschäftigten mit Behinderungen einen Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite haben, der darauf achtet, dass die dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Der Inklusionsbeauftragte arbeitet gemäß § 182 SGB IX mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Personalrat sowie den mit der Erfüllung von Aufgaben nach dem SGB IX beauftragten Behörden zusammen.

Durch die Hauptschwerbehindertenvertretung der Polizei wird deshalb auch für die Polizei ein Inklusionsbeauftragter gefordert, der beim Abschluss einer Inklusionsvereinbarung wirksam mitverhandeln kann. Das Innenministerium hat jedoch trotz der gesetzlichen Regelung für das Ministerium bislang keinen Inklusionsbeauftragten bestellt. Deswegen wandte sich ein Schwerbehindertenvertreter an den Bürgerbeauftragten.

Auf die Nachfrage des Bürgerbeauftragten konnte das Innenministerium zwar verschiedene Inklusionsbeauftragte innerhalb der Landespolizei benennen, jedoch keinen für das Innenministerium. In der Stellungnahme begründete das Innenministerium dies damit, dass es bisher nicht gelungen sei, einen Beschäftigten für die Funktion zu gewinnen. Die festgelegten Aufgaben des Inklusionsbeauftragten würden jedoch entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan des Innenministeriums vom Referat „Personalangelegenheiten; Stellenhaushalt (ohne Polizeibereich)“ wahrgenommen. Zudem obliege der Leitung des Referates „Personal, Stellenhaushalt; Aus- und Fortbildung“ (für die Polizei) die Zusammenarbeit auch mit den Schwerbehindertenvertretungen. Den schwerbehinderten Menschen im Ministerium und den Schwerbehindertenvertretungen seien die genannten Aufgabenzuordnungen bekannt.

Mit der Bestellung erwirbt der Inklusionsbeauftragte jedoch die Berechtigung, rechtsverbindliche Erklärungen für den Arbeitgeber abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Bestellung eines Inklusionsbeauftragten auch dem Integrationsamt und der Agentur für Arbeit anzuzeigen. Insofern nutzte der Hauptschwerbehindertenvertretung die Benennung von einzelnen Dienstposteninhabern im Innenministerium für den Abschluss der angestrebten Inklusionsvereinbarung nichts.

Der Bürgerbeauftragte hat in diesem Zusammenhang zudem festgestellt, dass in keiner der Polizeibehörden bislang Inklusionsvereinbarungen gemäß § 166 SGB IX abgeschlossen wurden. Die in den Polizeibehörden bestellten Inklusionsbeauftragten haben zudem in der Mehrheit –  aufgrund der sonstigen dienstlichen Aufgaben – kaum die Gelegenheit, rechtsverbindliche Erklärungen für den Arbeitgeber abzugeben. Von ihrer dienstlichen Position und Ausbildung erscheinen sie aus Sicht des Bürgerbeauftragten für diese Funktion auch eher nicht geeignet. Der Bürgerbeauftragte sieht daher noch Bedarf für eine systematische Regelung und Beauftragung.

Arbeitszeiten der Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten

Mehrere Eingaben von Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen in der Polizei erreichten den Bürgerbeauftragten: 

  • So meldete sich der Vertreter der Schwerbehinderten einer Polizeibehörde und zugleich einer Polizeiinspektion, der die Anerkennung seiner dabei geleisteten Arbeitszeit wünschte. 
    Der Petent trug vor, dass die von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Schwerbehindertenvertretung geleistete Arbeitszeit seit mehreren Monaten nicht angerechnet wurde, obwohl er ausdrücklich insoweit von seinem normalen Dienst freigestellt worden sei. Statt der erforderlichen Abrechnung von Stunden enthielt der Ausdruck im Zeiterfassungssystem lediglich die Eintragung „SBV“. Da der betroffene Polizeibeamte die dementsprechenden Arbeitszeiten nicht selbst buchen durfte und die zuständige Dienststelle dies nicht tat, entstand ein Minusstundenvolumen in erheblichem Ausmaß.  
    Der Polizeibeauftragte bat das Innenministerium um Prüfung und fragte, warum eine Anrechnung der Arbeitszeit durch die zuständige Polizeidienststelle nicht erfolge.  
    Das Innenministerium sicherte im August 2023 eine Anerkennung der geleisteten Arbeit als Vertrauensperson der Schwerbehinderten zu. Es verwies darauf, dass es bereits im April 2023 seine Rechtsauffassung dem Polizeipräsidium dargelegt habe, ohne dass dort aber eine Prüfung oder Anrechnung der geleisteten Arbeitszeit erfolgt war. Das Innenministerium betonte gegenüber dem Beauftragten ausdrücklich, dass dies gegenüber dem Polizeipräsidium eine Weisung zur Anrechnung der Arbeitszeit darstellen solle. Das Ministerium stellte im Oktober fest, dass der Petent ein anerkanntes Stundenguthaben von 215 Arbeitsstunden habe. Die Darstellung im Zeiterfassungssystem sei lediglich noch nicht vollständig erfolgt. 
    Trotz der ministeriellen Weisung hatte die zuständige Polizeiinspektion aber weiterhin keine Eile, die geleistete Arbeitszeit nachzubuchen. Dies hatte für den Petenten erhebliche Auswirkungen. Nicht nur, dass er aufgrund der nicht angerechneten Arbeitszeitstunden kein „Dienstfrei“ mehr planen konnte; auch die sich aus der Arbeit ergebenden Zuschläge hat der Petent nicht erhalten.  
    Trotz der Zusicherungen des Innenministeriums zur kurzfristigen Anrechnung der Arbeitszeit meldete sich der Petent erneut im Dezember 2023 beim Beauftragten und beschwerte sich darüber, dass die geleistete Arbeitszeit immer noch nicht angerechnet worden sei. Auch die Zulagen seien noch nicht abgerechnet worden. Im Januar 2024 teilte das Ministerium mit, dass die Eintragungen im Zeiterfassungssystem nunmehr erfolgt seien. 

Hier scheint es bei Dienststellen- und Behördenleitungen der Polizei punktuell Wissensdefizite in Bezug auf die Anforderungen des Gesetzgebers zur Unterstützung der Arbeit von Schwerbehindertenvertretungen zu geben. Es entstand teilweise der Eindruck, dass die ehrenamtliche Arbeit von und für Menschen mit Schwerbehinderung in der Polizei wenig Anerkennung findet.

Im Bereich des Rechtsausschusses erreichten 63 Eingaben und Anfragen den Bürgerbeauftragten. Dies war deutlich weniger als im Vorjahr (84). 

Zu Justizvollzugsanstalten gingen im Berichtsjahr nur drei Petitionen (Vorjahr: 11) ein. In einem Fall wünschte ein Strafgefangener, die Bestattung seiner Mutter besuchen zu dürfen. Dies war von der Justizvollzugsanstalt abgelehnt worden, da kein ausreichendes Begleitpersonal vorhanden war. Auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten teilte der Leiter der JVA mit, dass gerade für diesen Tag eine schon länger geplante Fortbildung angesetzt war, an der viele Beschäftigte der Anstalt teilnehmen sollten. Eine zeitweilige Verlegung in eine andere JVA, um die Ausführung von dort zu ermöglichen, habe der Gefangene abgelehnt. Man habe aber festgelegt, dass der Betroffene das Grab seiner Mutter baldmöglichst besuchen könne. 

Anfragen zu unterschiedlichen Aspekten von Gerichtsverfahren machten wieder einen erheblichen Teil der Eingaben aus. Hier beschränkte sich die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten auf Beratungen, da ein Eingriff in laufende oder abgeschlossene gerichtliche Verfahren gesetzlich ausgeschlossen ist. 

Ein 72-jähriger Bürger beklagte sich über die bundesgesetzliche Altersgrenze für ehrenamtliche Richter von 70 Jahren. Er war schon einige Jahre als Schöffe eingesetzt gewesen, wurde aber bei der nun erfolgten Schöffenwahl altersbedingt nicht mehr berücksichtigt. Der Bürgerbeauftragte erläuterte dem Petenten die Rechtslage: Durch die Altersgrenze solle verhindert werden, dass aufgrund vermehrter Krankheitsfälle im fortgeschrittenen Alter Prozesse bei einem Ausfall von Schöffen neu aufgerollt werden müssen. Der Petent sah diese Argumentation als altersdiskriminierend an. Der Bürgerbeauftragte konnte dem Petenten insofern immerhin mitteilen, dass diese Frage derzeit vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beraten werde. 

Ein nach wie vor bestehendes Problem sind die teils überlangen Verfahrensdauern an den Gerichten des Landes. Hierzu gingen allerdings weniger Beschwerden ein. Teilweise äußerten Petenten, dass sie auf eine Klage verzichten würden, da diese ohnehin in absehbarer Zeit nicht entschieden würde. Ein typisches Beispiel für eine überlange Verfahrensdauer zeigt der folgende Fall:

  • Ein Bürger hatte sich erstmals im Herbst 2021 beim Bürgerbeauftragten über die Verfahrensdauer an einem Landgericht beschwert. Bereits im September 2018 habe er Klage gegen eine Versicherung eingelegt. Hierbei forderte er eine Zahlung in fünfstelliger Höhe. Das Justizministerium hatte damals nach Überprüfung mitgeteilt, dass man die lange Verfahrensdauer bedauere und nun ein Gütetermin stattfinden solle.  
    Im Frühjahr 2023 meldete sich der Petent erneut. Das Verfahren sei zwar zeitweise weiter betrieben worden. Seit fast zehn Monaten tue sich aber wieder nichts mehr. Auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten berichtete das Ministerium, dass die Angelegenheit zeitnah weiter gefördert werden solle.  
    Sechs Monate später berichtete der Petent, dass das Verfahren dann auch wieder betrieben worden sei. Nach gescheiterten Vergleichsverhandlungen gehe es jedoch jetzt erneut nicht voran. Das Verfahren sei nun über fünf Jahre anhängig, ohne dass eine Entscheidung absehbar sei. Auch hierauf teilte das Ministerium mit, dass das Verfahren nun kurzfristig fortgeführt werden solle. Es ist zu hoffen, dass dann auch bald ein Urteil ergehen wird. 

Daneben gingen auch Anfragen zu rechtlichen Betreuungen ein. Auch hier wurde u. a. beklagt, dass Entscheidungen des Betreuungsgerichts zur Einrichtung oder Aufhebung von Betreuungen zu lange dauern oder Genehmigungen für größere Rechtsgeschäfte schleppend erteilt würden. 

Fehlerhafte Verordnung bei der Juristenausbildung

Auch das Justizministerium ist nicht gegen Fehler in seinen Verordnungen gefeit. Ein Kandidat für die erste juristische Staatsprüfung hatte – im sogenannten „Freiversuch“, der ihm eine zusätzliche Wiederholungsmöglichkeit bot – nicht bestanden und gegen die entscheidende Prüfungsbewertung Widerspruch erhoben. 

Das Recht auf ein Widerspruchsverfahren ist im Juristenausbildungsgesetz vorgesehen. Es ermächtigt das Justizministerium zudem, per Verordnung unter anderem „die Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens […] einschließlich der Kosten“ zu regeln. Die dazu erlassene Verordnung sieht vor, dass eine Verfahrensgebühr angefordert wird. Bei Nichtentrichtung binnen einer zwei-Wochen-Frist wird der Widerspruch (sei er auch zulässig und begründet) zurückgewiesen.

Die zu leistende Widerspruchs-Verfahrensgebühr ging in diesem Fall, obwohl rechtzeitig angewiesen, nicht rechtzeitig binnen zwei Wochen ab Anforderung beim Landesjustizprüfungsamt ein. Entsprechend der Verordnung kündigte das Prüfungsamt nun in einem Anhörungsschreiben an, den Widerspruch ohne nähere Prüfung seiner Berechtigung zurückzuweisen.

Der vom Prüfungskandidaten angerufene Bürgerbeauftragte wies das Ministerium darauf hin, dass diese Rechtsfolge mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und unwirksam sei. Das Gesetz erlaube nur allgemein die Ausgestaltung des Widerspruchsverfahren, nicht aber den Ausschluss vom Verfahren wegen verspäteter Zahlung. Das Ministerium teilte daraufhin mit, das Widerspruchsverfahren fortzusetzen, zunächst unter dem Gesichtspunkt, dass man die Zahlung wegen der fristgemäßen Anweisung als rechtzeitig ansehe; die weiteren Rechtsfragen wolle man prüfen. Später kündigte man dem Bürgerbeauftragten an, die Fristenregel mit der Zahlungsverpflichtung nicht mehr anzuwenden und die Verordnung entsprechend ändern zu wollen. Mittlerweile konnte der Prüfungskandidat durch Wiederholung der Prüfung seinen juristischen Vorbereitungsdienst antreten.

Nach dem Höchststand von Petitionen in diesem Zuständigkeitsbereich im Vorjahr (89), sank die Anzahl der Eingaben im Berichtsjahr auf 77. Dies resultierte insbesondere aus dem Rückgang der Petitionen zur Grundsteuerreform von 33 auf 12.

Die Eingaben zur Grundsteuer bezogen sich zum größten Teil auf besondere Einzelfälle, weil Petenten im Rahmen der Grundsteuerreform – sei es beim Ausfüllen der Formulare oder bei den Bescheiden – Unstimmigkeiten oder Unklarheiten aufgefallen waren. Dies betraf zum Beispiel die pauschale Anwendung der Bodenrichtwerte.

Weiterhin viele Petitionen betrafen Probleme beim Kindergeld (21; Vorjahr: 20). Zwölf Beschwerden betrafen Steuerrecht, seien es bestimmte Steuerarten oder -bescheide oder generelle Kritikpunkte. Bemängelt wurde auch mehrfach, dass Rentner die Inflationsausgleichsprämie nicht erhielten. Wie im Vorjahr beklagten aktive oder ehemalige Landesbeamte wiederholt die Bearbeitungsdauer bei Beihilfeanträgen (s. Einzelbeitrag). Hier zeichnete sich zum Jahresende eine Verbesserung ab. 

Beihilfe: Die Bearbeitung dauert zu lange – immer noch (Fortsetzung aus dem Vorjahr)

Wegen der langen Dauer der Beihilfebearbeitung wandten sich auch im Berichtsjahr eine Reihe von Beamten an den Bürgerbeauftragten. Beamte haben bei ihren Aufwendungen für die medizinische Versorgung einen Anspruch auf die sog. „Beihilfe“. Das bedeutet, dass Beamte ärztliche Leistungen und Medikamente usw. für sich und ihre Angehörigen zunächst selbst bezahlen müssen. Die verauslagten Kosten erhalten sie – neben den Leistungen der privaten Krankenversicherung – weitgehend mit der Beihilfe durch den Dienstherrn erstattet. Schon im Jahr 2022 hatten sich Beamte mehrfach über die Bearbeitungszeiten ihrer Beihilfeanträge beschwert. Der Finanzminister hatte seinerzeit über eine Reihe von Maßnahmen berichtet, die im zuständigen Landesamt für Finanzen schon ergriffen wurden oder noch ergriffen werden sollten. Diese würden spätestens ab Frühjahr 2023 Wirkung zeigen.

Der Bürgerbeauftragte bat den Finanzminister aufgrund der erneuten Beschwerden mehrfach im Berichtsjahr um Stellungnahme zu den jeweiligen Bearbeitungszeiten und mahnte an, dass die vorgesehenen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden müssten. 

Die Bearbeitungsdauer stieg von acht Wochen im Jahr 2022 zunächst auf bis zu 12 Wochen im Jahr 2023 noch einmal deutlich an. Zum Jahresende 2023 betrug die Bearbeitungsdauer dann vier Wochen. Das ist ein Wert, den aber weder der Bürgerbeauftragte noch der Finanzminister als ausreichend erachten, müssen doch viele Rechnungen, die etwa für ärztliche Behandlungen oder Therapien hohe Beträge umfassen können, innerhalb von zwei Wochen bezahlt werden. Der Finanzminister hat immer noch das Ziel, die Beihilfebearbeitung grundsätzlich auf diesen Zeitraum zu reduzieren.

In einzelnen Fällen konnte der Bürgerbeauftragte den Petenten erneut mit der Information weiterhelfen, dass man gegenüber dem Landesamt für Finanzen auf besondere Härten aufmerksam machen kann, um so im Einzelfall eine zügigere Bearbeitung des Beihilfeantrags zu erreichen. 

Kindergeld: Nicht immer kinderleicht

Zum Kindergeld beriet der Bürgerbeauftragte wie in den Vorjahren zu den Anspruchsvoraussetzungen, zur Korrektur von Bescheiden und Rückerstattungen von Kindergeld. In der Regel war es erforderlich, dass der Bürgerbeauftragte zur Klärung die Familienkasse Nord ansprach. Insgesamt erreichten den Bürgerbeauftragten hierzu 21 Eingaben (Vorjahr 20).

  • Wie auch in den Vorjahren wurde der Bürgerbeauftragte um Hilfe gebeten, weil Kindergeld für volljährige Kinder mit einer Behinderung nicht bzw. nicht mehr gezahlt wurde. Nach § 32 Abs. 4 EStG ist ein volljähriges Kind steuerlich zu berücksichtigen, wenn es wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Wenn also die eigenen finanziellen Mittel ausreichend sind, um den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, besteht kein Anspruch auf Kindergeld. Eigene finanzielle Mittel sind beispielsweise Renteneinkünfte, Wohngeld oder auch Erwerbseinkommen. Der Bürgerbeauftragte prüfte die Entscheidungen und erläuterte den Bürgern die Rechtslage. Soweit nötig, wandte er sich auch an die Behörde. 
  • In mehreren Fällen beklagten sich Bürger beim Bürgerbeauftragten, dass sie Kindergeld in erheblicher Höhe, teilweise mehrere tausend Euro, zurückzahlen sollten. Hintergrund war, dass sich die tatsächlichen Gegebenheiten durch einen Auszug der Kinder oder die Aufnahme oder Änderung einer Ausbildung geändert hatten und der Familienkasse die Änderung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden war. In diesen Fällen musste der Bürgerbeauftragte meist feststellen, dass die Rückzahlungen zu Recht gefordert wurden. Er konnte dann aber Verbesserungen bei den Zahlungsbedingungen vermitteln. 

Wie schon in den Vorjahren war es Bürgern oft nicht möglich, den zuständigen Inkassoservice der Bundesagentur für Arbeit telefonisch zu erreichen. Der Inkassoservice ist zuständig, wenn überzahlte oder zu Unrecht ausbezahlte Leistungen nicht rechtzeitig zurückgezahlt werden. Bei Zahlungsschwierigkeiten sollten sich Bürger frühzeitig an den Inkassoservice wenden, um eine Klärung zu erreichen und Nachteile zu vermeiden. Das Inkassoverfahren läuft nämlich auch bei einem Einspruch weiter und wird nicht ohne Weiteres ausgesetzt. Bleibt die Zahlung aus, wird die zwangsweise Einziehung der Forderung veranlasst. Das ist mit weiteren Kosten verbunden. 

Eine direkte Klärung der Anliegen mit dem Inkassoservice war wegen der fehlenden Erreichbarkeit auch für den Bürgerbeauftragten nahezu unmöglich. Daher wandte sich der Bürgerbeauftragte in diesen Fällen direkt an die Beschwerdestelle der Familienkasse Nord. In allen Fällen wurde eine kurzfristige Bearbeitung angewiesen und das Anliegen erledigt. Der Bürgerbeauftragte drängt bei der Bundesagentur für Arbeit auf eine verbesserte Erreichbarkeit des Inkassoservice. 

Für den Bereich des Ministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit gingen 199 Petitionen ein. Dies entspricht dem Vorjahresniveau. Themen wie Wirtschaftsförderung und Straßenbau wurden dabei seltener angesprochen. Die meisten Petitionen bezogen sich auf den Themenkomplex Straßenverkehrsgesetz/Straßenrecht und den öffentlichen Personennahverkehr/Schienenverkehr. 

Die 47 Petitionen zum Straßenverkehrsgesetz und zum Straßenrecht (Vorjahr: 108) betrafen häufig Fragen zur Fahrerlaubnis und zum Führerschein. Im letzten Jahr hatten sich noch viele Bürger darüber beschwert, dass sie in einem Landkreis keinen Termin für den gesetzlich vorgeschriebenen Führerscheinumtausch erhalten konnten. Nach einer auch vom Bürgerbeauftragten vorgeschlagenen Umstellung der Verfahren auf schriftliche Anträge zum Anfang des Berichtsjahrs hat sich die Situation binnen weniger Monate deutlich verbessert. Danach kam es kaum noch zu Beschwerden. Im Zuge des Führerscheinumtauschs ergaben sich aber immer wieder andere Probleme, zu denen der Bürgerbeauftragte um Unterstützung gebeten wurde. Weitere Petitionen betrafen die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach deren Entzug.

28 Petitionen bezogen sich auf Verkehrsregelungen (Vorjahr: 25). Oftmals stand der Wunsch von Anwohnern nach Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung im Mittelpunkt. Sie verlangten hierzu bessere Verkehrskontrollen oder stärkere Geschwindigkeitsbeschränkungen. Andere Eingaben bemängelten Regelungen zu Parkverboten, entweder weil Anwohner solche wünschten oder in anderen Fällen für unnötig hielten. Der Bürgerbeauftragte beteiligte hierzu die Straßenverkehrsbehörden. Lösungen konnten aber mit ihnen nicht oft erreicht werden, wie schon vom Bürgerbeauftragten in den Vorjahresberichten dargestellt. 

Zum öffentlichen Personennahverkehr und Schienenverkehr erreichten den Bürgerbeauftragten 41 Eingaben (Vorjahr: 18). Neben konkreten Problemen des ÖPNV, wie z. B. bestimmte Busanbindungen oder Haltestellen, beschwerten sich eine ganze Reihe Bürger über Probleme mit dem Deutschlandticket (s. hierzu Einzelbeitrag). 

Der Bau des LNG-Terminals in Sassnitz-Mukran auf Rügen führte zu einigen Petitionen. Befürchtet wurde eine „tickende Zeitbombe“ oder zu große Lärmbelästigung. Andere Petenten wollten die Haltung der Landesregierung zu dem Projekt erfahren oder beschwerten sich über die kurze Frist zur Einsichtnahme in die Planungsunterlagen. Der Bürgerbeauftragte übermittelte die Positionen und die begehrten Auskünfte.

Auch Fragen der Eingliederung in Arbeit und der Arbeitsförderung, die in die Zuständigkeit der Arbeitsagentur fallen, wurden häufiger angesprochen (s. unter 8 b). 

Probleme beim Deutschlandticket/Seniorenticket

Ein aktuelles Thema, das 2023 an den Bürgerbeauftragten wiederholt herangetragen wurde, waren Probleme mit dem Deutschlandticket (D-Ticket). Kritik an der deutschlandweiten Umsetzung als Abonnementmodell konnte der Bürgerbeauftragte zwar mangels Zuständigkeit nicht bearbeiten. Aus der Umsetzung durch regionale Verkehrsverbünde ergaben sich jedoch Fragestellungen für den Bürgerbeauftragten. 

Die wichtigste Fallgruppe betraf Bürger, denen das Abonnement zum D-Ticket – zumeist in seiner vom Land rabattierten Form als Seniorenticket – aufgrund einer negativen Bonitätsauskunft verweigert wurde. Das betrifft typischerweise Bürger mit geringem Einkommen, obwohl gerade sie es wären, die von dem Pauschalpreis des D-Tickets bzw. vom Zusatzrabatt beim Seniorenticket besonders profitieren könnten. 

Der zuständige Verkehrsminister schrieb dem Bürgerbeauftragten hierzu, dass die Verkehrsverbünde prinzipiell frei in der Ausgestaltung ihrer Geschäftsbedingungen seien und schon vor dem D-Ticket für ihre bisherigen Abo-Modelle Bonitätsprüfungen vorgenommen hätten. Ziel müsse es sein, die Interessen beider Seiten in Einklang zu bringen. Daher habe er den zuständigen Verkehrsverbund als Vertriebsdienstleister gebeten zu prüfen, ob alternative Zahlungsmöglichkeiten ohne Bonitätsprüfung angeboten werden können – evtl. Voraus- oder Einmalzahlungen. Das Ministerium wolle die Frage der Zahlungsmodalitäten zudem bei Beratungen des Bundes und der Länder aufgreifen. 

So war das Problem der Bonitätsprüfungen zwar für den Bürgerbeauftragten nicht zu beseitigen. Die Bürger informierte er aber über eine Hilfslösung: Das Seniorenticket oder D-Ticket durch eine andere Person für den Begünstigten beantragen zu lassen, so dass es auf die Bonität dieser Person ankommt.

Zuletzt wies das Ministerium darauf hin, dass es im Fall einer nicht ausreichenden Bonität der Kunden auch die Möglichkeit einer Selbstauskunft über ein privates Unternehmen gebe. Damit könne der Vertriebspartner des Tickets im Einzelfall die Möglichkeit der Ausgabe eines Tickets prüfen. Zudem werde überlegt, zukünftig Vorauszahlungen für ein Jahr oder monatliche Bar-Zahlungen zuzulassen. 

Das Mindestalter von 65 Jahren beim Seniorenticket wurde von jüngeren Menschen, die Erwerbsunfähigkeits- bzw. -minderungsrente beziehen, kritisiert. Das Land verweist bei dieser freiwilligen Zuschussleistung jedoch ausdrücklich darauf, dass hier nicht die finanzielle Entlastung im Vordergrund steht, sondern die Absicht verfolgt wird, älteren Menschen zu mehr Mobilität zu verhelfen. Diese Zielsetzung ist für den Bürgerbeauftragten nicht zu beanstanden, worüber er die Petenten informierte.

Deutsche Bahn: Ferienzeit war unbekannt (Fortsetzung aus dem Vorjahr)

Schon im Vorjahr berichtete der Bürgerbeauftragte über Probleme eines Schülers eines Fachgymnasiums aus dem Landkreis Rostock bei der Nutzung des „KRASS-FreizeitTickets“. Dieses wird vom Verkehrsverbund Warnow und vom Landkreis Rostock im ÖPNV angeboten. Das Freizeitticket können Schülerinnen und Schüler von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres an Schultagen ab 13 Uhr und an den Wochenenden, Feiertagen und Ferientagen ganztags bis 3 Uhr nachts für alle Verkehrsmittel des Verkehrsverbundes Warnow nutzen. 

Als der Schüler dieses Ticket in seinen Ferien, aber außerhalb der allgemeinen Schulferien, für eine Zugfahrt mit der Deutschen Bahn nutzte, erkannte die Zugbegleiterin dieses nicht an. Trotz seines Hinweises auf die abweichenden Ferienzeiten der beruflichen Schulen und Fachgymnasien erhob sie ein erhöhtes Beförderungsgeld in Höhe von 60 Euro. Das anschließend gegen den Schüler eingeleitete Inkassoverfahren konnte der Bürgerbeauftragte mit Hinweis auf die „Allgemeine Ferienverordnung“ des Landes abwenden. 

Im Nachgang hatte das Verkehrsunternehmen die Tarifbestimmungen dann dahingehend geändert, dass der Anwendungsbereich des Tickets nur noch auf die Ferienzeiten der allgemeinbildenden Schulen beschränkt wurde. Der Bürgerbeauftragte sah darin eine Benachteiligung der Schüler der beruflichen Schulen und Fachgymnasien und forderte mit Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Änderung von der Verkehrsgesellschaft. Mit Erfolg! Seit dem 01.10.2023 ist die Regelung zur ganztägigen Anerkennung des „KRASS-FreizeitTickets“ in der Ferienzeit der allgemeinbildenden und auch der beruflichen Schulen als Bestandteil in den Tarifbestimmungen des Verkehrsverbundes Warnow aufgenommen worden.

Rückforderung von Corona-Überbrückungshilfen

Das Land Mecklenburg-Vorpommern gewährte während der Corona-Pandemie besonders geschädigten Unternehmen und Angehörigen der Freien Berufe einschließlich der Kulturschaffenden Soforthilfen zur Überbrückung ihrer Liquiditätsengpässe. Anlass für einige Petitionen im Berichtsjahr waren nun Anhörungsschreiben und Rückforderungsbescheide zu diesen gewährten Hilfen. 

Voraussetzung für die Bewilligung der Hilfen war, dass die gewerbliche Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt und aus diesem Haupterwerb mindestens 51 % der Einkünfte erzielt wurden. Zur Beurteilung wird auf die Zahlen im Einkommensteuerbescheid 2019 abgestellt. 

In einem Fall vermietet der Petent in seinem Gutshaus im Hauptgewerbe Ferienwohnungen und betreibt darin auch ein Café und einen kleinen Hofladen. Im landwirtschaftlichen Nebenerwerb hält er 20 Schafe, deren Produkte er in seinem Café und Hofladen verkauft. Im Jahr 2019 waren größere Investitionen an seinem unter Denkmalschutz stehenden Gutshaus notwendig. Durch diese besonderen Maßnahmen und Kosten verringerten sich seine Einkünfte (Gewinne) aus dem Cafébetrieb und der Vermietung der Ferienwohnungen laut Einkommensteuerbescheid erheblich, obwohl sich die Umsatzzahlen nicht reduziert hatten. Da er für die Haltung der Schafe EU-Fördermittel bekam, lagen seine Einkünfte aus dem Nebenerwerb im Jahr 2019 plötzlich über denen seines Hauptgewerbes. 

Das Landesförderinstitut teilte dem Petenten im Jahr 2023 nach einer Überprüfung mit, dass er nach diesem Einkommensteuerbescheid im Jahr 2019 im Haupterwerb als landwirtschaftliches Unternehmen tätig gewesen sei. Landwirtschaftliche Unternehmen hätten jedoch keinen Anspruch auf die Hilfen. Dem Petenten drohte damit die Rückforderung der erhaltenen Corona-Überbrückungshilfen.

Der Bürgerbeauftragte trug das Problem dem Wirtschaftsminister vor und verwies darauf, dass bei dem Petenten eine gemischte Tätigkeit im Sinne der steuerlichen Bewertung vorliege. Es bestehe ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang der Tätigkeiten, da der Petent die Produkte aus der Schafhaltung ausschließlich in seinem Café und über einen kleinen Hofladen vermarkte. Die alleinige Betrachtung der im Einkommensteuerbescheid 2019 festgestellten Einkünfte spiegele die Gewichtung seiner gemischten Tätigkeit nicht ausreichend wider. 

Der Minister teilte dann mit, dass aufgrund der besonderen Konstellation die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung eingeräumt und eine Gesamtbetrachtung der Jahre 2018 bis 2021 vorgenommen werden soll. Das Landesförderinstitut forderte hierzu vom Petenten die notwendigen Unterlagen an und erkannte im Ergebnis die gewerbliche Tätigkeit des Petenten im Haupterwerb an. Der Petent musste die erhaltenen Corona-Soforthilfen nicht zurückzahlen.

Im Zuständigkeitsbereich dieses Ausschusses wurden an den Bürgerbeauftragten 98 Petitionen herangetragen. Damit hat sich das Aufkommen im Vergleich zum Vorjahr (79) deutlich erhöht. Gerade Eingaben zu Geruchs-, Staub- und Lärmbelästigungen haben 2023 deutlich zugenommen (33, Vorjahr 21). Sie betrafen überwiegend Emissionen von gewerblichen Betrieben, von Gaststätten und Eventlocations oder von öffentlichen Veranstaltungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnbebauungen. In anderen ging es um Baulärm, gerade in Seebädern. Thema in diesem Jahr waren zusätzlich die Belästigungen durch LNG-Schiffe.

Den Umweltschutz betrafen im Berichtszeitraum zehn Petitionen, u. a. zum Austritt giftiger Dämpfe und Chemikalien auf benachbarte Grundstücke oder zur mangelnden Instandhaltung eines öffentlichen Baches auf einer landwirtschaftlich genutzten Wiese.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt waren Fragen zum Härtefallfonds für Haushalte, die mit nicht leitungsgebundenen Brennstoffen heizen (also alle Brennstoffe, die nicht aus einer Leitung kommen: Heizöl, Flüssiggas, Holzpellets, Hackschnitzel, Holzbriketts, Scheitholz sowie Kohle oder Koks). Der Bund hatte den Fonds schon im Dezember 2022 angekündigt. Der Vollzug der Härtefallhilfen sollte durch die Länder erfolgen.

Hierzu erreichten den Bürgerbeauftragten zahlreiche Anfragen, darunter 31 Eingaben, die als Petitionen gezählt wurden. Die Bürger wurden beraten, wie Anträge in Fällen zu stellen sind, die nach den rechtlichen Regelungen zu Hilfe berechtigten, gleichwohl aber vom amtlichen Antragsformular nicht erfasst waren. Darüber hinaus gab es rund 60 kurze telefonische Beratungen, wo und wann die Antragsformulare erhältlich sind. Große Kritik entzündete sich bei Betroffenen daran, dass es nach der Ankündigung der Hilfen noch lange dauerte, bis Bund und Länder sich auf die Verfahrensmodalitäten einigen konnten. Anträge konnten erst im Mai 2023 und damit rund fünf Monate nach Ankündigung der Hilfen gestellt werden. Bis zum Jahresende 2023 waren dann aber fast alle der über 9.000 Anträge aus Mecklenburg-Vorpommern beschieden worden.

Alleenschutz trifft Bebauungsrecht (Fortsetzung aus dem Vorjahr)

Im Vorjahresbericht wurde ein Fall dargestellt, in dem ein Landkreis einem Bürger die Herstellung einer Zufahrt auf eine Alleestraße für Baugrundstücke verwehrt hatte. Obwohl die Stadt in der Bauleitplanung die Anlage von Grundstückszufahrten ausdrücklich für zulässig erklärte, verweigerte die untere Naturschutzbehörde die erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung mit der Begründung, dass die Zufahrt zwischen den Alleebäumen diese durch Bodenverdichtung schädige. Der Fall konnte trotz einer mit der Stadt und den Naturschutzbehörden zum Jahresende 2022 abgestimmten Vorgehensweise noch nicht abgeschlossen werden. Danach sollten die betroffenen Wurzelbereiche mittels Wurzelbrücken bei der Anlage der Zufahrt überspannt werden. Zur Festlegung der Auflageflächen für die Wurzelbrücken sollte zuvor der Verlauf der Feinwurzeln der betroffenen Alleebäume durch eine Fachfirma bestimmt werden.

Nachdem es der Stadt gelungen war, eine Fachfirma für die Feinwurzelbestimmung zu gewinnen, erteilte die untere Naturschutzbehörde die für diese Maßnahme notwendige naturschutzrechtliche Genehmigung erst nach erneuter Intervention durch den Bürgerbeauftragten zum Jahresende 2023. Der Bürgerbeauftragte wird den Fall weiter begleiten.

Gesundheit geht vor? Zur Überwachung eines Industrieunternehmens (Fortsetzung aus den Vorjahren)

Den Bürgerbeauftragten begleiteten auch im Berichtsjahr die Beschwerden von Bürgern aus Ueckermünde, die sich über Lärm-, Geruchs- und Staubbelästigungen ausgehend von einem Industrieunternehmen der Metallverarbeitung beklagten.

In der Zwischenzeit wurden einige Vorgaben aus einem Maßnahmeplan durchgeführt. Schallschutzmaßnahmen führten zu einer spürbaren Entlastung. Messungen hatten bereits im Mai 2023 gezeigt, dass nach Umsetzung von vier der sieben Schallschutzmaßnamen die Grenzwerte nun fast vollständig eingehalten wurden. Zwei weitere Maßnahmen wurden Anfang 2024 durchgeführt. So konnte zunächst auf eine eigentliche geplante Schallschutzwand verzichtet werden, zumal durch geplante technische Änderungen 2024 weiter verminderte Lärmemissionen zu erwarten sind.

Die Emissionen über die Luft sollten anhand der Neuregelungen der TA-Luft bewertet werden, um möglicherweise nachträgliche Anordnungen zur Einhaltung der Grenzwerte erlassen zu können. Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.

Zu begrüßen ist, dass es in regelmäßigen Abständen Informationsaustausche zwischen dem Betreiber des Unternehmens, der Bürgerinitiative, der Stadt und dem StALU gibt. Der Bürgerbeauftragte erachtet die stetige und sachliche Kommunikation aller Beteiligten als wesentlich, um die Belastungen für die Anwohner zu bewerten und fachliche Maßnahmen voranzutreiben.

102 Fälle entfielen auf den Bereich Bildung (61) und Kindertagesförderung (33), darunter nur noch 16 Fälle zur Schülerbeförderung. Vereinzelte Beschwerden bezogen sich ferner z. B. auf Bildungsfreistellung oder das Recht des öffentlichen Dienstes im Schuldienst. 

Oft sind es Eltern von Schulkindern mit Behinderung, die sich wegen der bestmöglichen sonderpädagogischen Förderung oder auch wegen der Schülerbeförderung an den Bürgerbeauftragten wenden. In solchen – vom Standard abweichenden – Beförderungsfällen kann es vorkommen, dass ein Landkreis entgegen der Rechtsprechung entscheidet, wie der folgende Fall zeigt:

  • Ein Landkreis hatte den Antrag einer Bürgerin auf gesonderte Schülerbeförderung für ihr Schulkind mit Behinderung abgelehnt. Das Kind wohnt nicht bei den Eltern, sondern aufgrund seiner schweren Behinderung in einer Pflegeeinrichtung. Es besucht in einem benachbarten Landkreis eine inklusive Schule in privater Trägerschaft. Auf eine Schülerbeförderung bis in einen anderen Landkreis besteht nach dem Wortlaut des Schulgesetzes ein Anspruch grundsätzlich dann, wenn die nächstgelegene besondere Schule besucht wird. Der Landkreis begründete die Ablehnung damit, dass es nähergelegene Förderschulen gebe. 
    Der Bürgerbeauftragte argumentierte, dass das Kind nicht auf den Besuch der Förderschule verwiesen werden könne. Denn im Vordergrund stehe laut der Rechtsprechung die Wahl der Eltern, ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht in einer Förderschule, sondern inklusiv zu beschulen. Diese Entscheidung obliege nach dem Schulgesetz den Eltern. Die Schulbehörden könnten hiervon nur abweichen, wenn sie die Wahl für ungeeignet halten. Im vorliegenden Fall entspreche die Wahlentscheidung jedoch auch einer Empfehlung des zuständigen Staatlichen Schulamtes. Nach der Rechtsprechung werde das für die Schülerbeförderung geltende System örtlich zuständiger Schulen ersetzt, wenn die Eltern die Inklusion wählen und die Schulverwaltung nicht widerspricht. Dann sei die gewählte Schule die nächstgelegene im Sinne des Schulgesetzes.
    Nach einer zunächst negativen Antwort des Landkreises und erneutem Schriftwechsel zur Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung half der Landkreis schließlich dem Widerspruch der Petentin ab und bewilligte die Beförderung zur besuchten Schule. So konnte das Ziel in überschaubarer Zeit erreicht werden.

Wie im Vorjahr bezogen sich zwölf Eingaben auf Themen in der Zuständigkeit des Ausschusses für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. Sie betrafen den Denkmalschutz, Hochschulfragen und DDR-Unrecht.

Härtefallfonds für politisch Verfolgte der DDR (Fortsetzung aus dem Vorjahr)

Im Bericht für das Jahr 2022 hatte der Bürgerbeauftragte von der Petition eines politisch Verfolgten des DDR-Regimes berichtet. Dieser hatte vorgeschlagen, wie in den anderen ostdeutschen Ländern auch einen Härtefallfonds für diese Personengruppe einzurichten. Das zuständige Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten hatte eine Einrichtung eines solchen Landesfonds zunächst abgelehnt, da der Bund eine Bundesstiftung zu diesem Zweck einrichten wollte. Eine bundeseinheitliche Lösung sei sinnvoller.

Da die Einrichtung des Bundesfonds aber auf sich warten ließ, hatte der Bürgerbeauftragte auf Bitte des Petenten die Angelegenheit an den Petitionsausschuss abgegeben. Nachdem dieser im Berichtsjahr die Landesregierung um erneute Prüfung des Anliegens gebeten und auch der Bürgerbeauftragte sich nochmals an das Ministerium gewandt hatte, gab die Landesregierung zum Jahresende bekannt, dass im Jahr 2024 ein solcher Landesfonds eingerichtet und mit Haushaltsmitteln ausgestattet werden soll.

Restauratorenliste restauriert

Das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten führt nach dem Restauratorgesetz M-V eine Liste von Restauratorinnen und Restauratoren, welche man für Erhalt und Pflege von Denkmalen beauftragen kann. Daneben gehört es zu seinen Aufgaben, die Fachkommission zur Eintragung von Restauratoren in die Liste zu unterstützen und zu unterrichten.

Aus dieser Fachkommission erhielt der Bürgerbeauftragte bereits 2022 die Beschwerde, dass das Ministerium in diesem Bereich bereits seit über zwei Jahren seiner Arbeit nicht mehr nachkomme. Anfragen seien unbeantwortet geblieben. So könne die Fachkommission nicht sinnvoll arbeiten. Sie bitte um einen Ansprechpartner.

Auch gegenüber dem Bürgerbeauftragten dauerte die erbetene Stellungnahme trotz wiederholter Mahnung mehr als sieben Monate. Schließlich kündigte die Staatssekretärin dem Bürgerbeauftragten eine personelle Verstärkung dieses Bereichs sowie die Aufarbeitung der Rückstände an. Sie benannte auch einen konkreten Ansprechpartner. Mit der Fachkommission stehe das Ministerium wieder im direkten schriftlichen Kontakt.

Aus Sicht des Bürgerbeauftragen war es wichtig, dass wieder Regelmäßigkeit in die Bearbeitung zur Restauratorenliste einkehrt, auch wenn man nicht unmittelbar auf den aktuellen Stand kommen kann. Trotz dieses Fortschritts war der Petent zunächst noch nicht vollauf zufrieden. Er bemängelte, dass es immer noch Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anträge von Kandidaten für die Restauratorenliste gebe. Im Dezember 2023 bestätigte er aber, dass die notwendigen Arbeitsprozesse wieder angelaufen seien, so dass die Fachkommission wieder arbeitsfähig sei. Er rechne damit, dass nun auch bald die Veröffentlichung der Restauratoren auf dem aktuellen Stand erfolge.

Der gesetzliche Auftrag, in sozialen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen und vor allem die Belange von Menschen mit Behinderungen wahrzunehmen, trägt die Arbeit des Bürgerbeauftragten. Die Angelegenheiten mit einem sozialen oder sozialrechtlichen Schwerpunkt bilden dabei traditionell den größten Teil. 2023 waren dies 853 Fälle, einschließlich der Gesundheitsangelegenheiten (2022: 909). Das sind 48,8 % aller Eingaben. 

Viele Bürgerinnen und Bürger kennen die Anspruchsgrundlagen des Sozialrechts oft gar nicht oder nur sehr oberflächlich. Trotz verbesserter Online-Informationen ist es für sie nicht immer möglich, sich in den Bestimmungen und Tatbeständen zurechtzufinden. Obwohl § 14 SGB I einen Anspruch auf umfassende Beratung durch die zuständigen Behörden gibt, erfolgt dies oft nicht hinreichend. Auch deswegen suchten Bürgerinnen und Bürger beim Bürgerbeauftragten eine unabhängigere Beratung mit besserer Zugänglichkeit. 

Vielen Betroffenen fällt es auch schwer, das ausdifferenzierte Recht mit seinen oft unbestimmten Rechtsbegriffen, Ansprüchen oder Rechten richtig einzuschätzen. Hier helfen fundierte Auskünfte des Bürgerbeauftragten dabei, Antragsverfahren zielgenauer zu betreiben. Die Kontakte oder auch Verhandlungen mit den Leistungsbehörden durch den Bürgerbeauftragten können das eigentliche Verwaltungsverfahren erleichtern oder Gerichtsverfahren erübrigen. Leider ist gelegentlich die Haltung in Kommunalbehörden vorhanden, eine Angelegenheit lieber gerichtlich klären zu lassen. 

Selbst in dringenden Fällen von Hilfebedarfen waren lange Verfahrensdauern zu beobachten, ohne dass wenigsten vorläufig Entscheidungen getroffen wurden. Sogar mit Hilfe des Bürgerbeauftragten war nicht immer eine Beschleunigung möglich. Insgesamt konnten jedoch oft positive Ergebnisse erreicht werden, weil der Bürgerbeauftragte und seine Fachreferenten rechtliche Auskünfte erteilten, zu sozialrechtlichen Fragen berieten und mit der Verwaltung Verhandlungen führten.

Zur Kinder- und Jugendhilfe gingen insgesamt 65 Petitionen ein. Der Bereich der Kindertagesförderung mit 33 Petitionen gehört zum Ausschuss für Bildung und Kindertagesförderung (s. dort). Von den verbleibenden Petitionen, die dem Rechtsgebiet der Kinder- und Jugendhilfe zuzuordnen sind, betrafen 28 Petitionen (Vorjahr: 33) den Kinder- und Jugendschutz und 4 die Kinder- und Jugendarbeit (Vorjahr: 6).

Ein Schwerpunkt war die Eingliederungshilfe (§ 35 a SGB VIII) für Kinder und Jugendliche, die von einer seelischen Behinderung bedroht oder betroffen sind (s. Einzelbeitrag).

Bei den Hilfen zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) standen wie in den Vorjahren überwiegend Fragen der Vollzeitpflege insbesondere durch Verwandte im Vordergrund. Auch Verwandte können nämlich als Pflegepersonen nach dem SGB VIII anerkannt werden.

Der Bürgerbeauftragte gab Beratung und Unterstützung bei Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, bei der Beistandschaft durch das Jugendamt nach § 55 SGB VIII oder beim Elterngeld und der Elternzeit. Bei Fragen nach der Mitwirkung des Jugendamtes in Kindschaftssachen wie der Personen- und Vermögenssorge, dem Umgangsrecht oder der Herausgabe des Kindes erfolgte eine soziale Beratung.

Lieber früh als spät: Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche haben einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ein Risiko für ihre soziale Teilhabe zu erwarten ist. Im Einzelfall sind je nach Bedarfsfeststellung Hilfen in ambulanter Form, in geeigneten Tageseinrichtungen oder Wohnformen, als Assistenzleistungen oder auch als außerschulische Fördermaßnahmen durch qualifizierte Therapeuten möglich. Zuständig für die Hilfeleistungen sind die Jugendämter.

In den Berichten der vergangenen Jahre hatte der Bürgerbeauftragte regelmäßig auf verschiedene Probleme in dieser Hinsicht hingewiesen. Nach wie vor kann der Hilfebedarf häufig nicht rechtzeitig ermittelt werden, weil für (fach-)ärztliche Begutachtungen lange Wartezeiten bestehen. Hilfeleistungen werden deshalb oft erst verspätet gewährt. Teilweise bestreiten die Jugendämter auch ihre Zuständigkeit oder ermitteln das soziale Teilhaberisiko unvollständig.

Selbst wenn die medizinische Diagnose feststeht, kann es zu erheblichen Problemen bei der Leistungsgewährung kommen:

  • So informierte eine Mutter bei einem Sprechtag im Juli 2023 den Bürgerbeauftragten, dass ihre 17-jährige Tochter wegen einer Angststörung und Sozialphobie in den letzten drei Jahren nur ein halbes Jahr zur Schule gegangen war. Es habe große Spannungen in der Häuslichkeit gegeben. Nötig sei eine Unterbringung in einer Einrichtung, in der auch die Möglichkeit besteht, den Schulabschluss abzulegen. Die Mutter beklagte, dass es seit Monaten keine zielführenden Hilfeplangespräche mit dem Jugendamt gegeben habe. 
    Erst nachdem sich der Bürgerbeauftragte an den Landrat wandte, hat das Jugendamt seine Suche nach einer geeigneten Einrichtung intensiviert und persönliche Gespräche mit der Mutter und der Tochter geführt. Die Sachgebietsleiterin übernahm nun die Bearbeitung. Es dauerte jedoch nochmals einige Wochen, bis im September 2023 eine geeignete Einrichtung gefunden wurde. Das Jugendamt überprüfte daraufhin auch die Verwaltungsabläufe.
  • In einem anderen Fall schilderte ein alleinerziehender Vater dem Bürgerbeauftragten, dass er die Kosten für eine Lerntherapie seines 12-jährigen schwerbehinderten Sohnes selbst zahlen müsse. Der Sohn besucht wegen einer starken Lernbeeinträchtigung eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Innerhalb der Familie fiel auf, dass das Kind zum Ende der 6. Klasse fast gar nicht Schreiben und Lesen konnte. Ein sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) bestätigte diese Beeinträchtigung mit zwei Gutachten. Bei dem Kind wurde neben einer Konzentrationsstörung (ADHS) eine besonders stark ausgeprägte Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) diagnostiziert, die auch zu einer emotionalen Störung führte. Nach Einschätzung der Fachärzte drohe Analphabetismus. Das SPZ empfahl die Einleitung einer umfassenderen Therapie, die der Vater umgehend veranlasste. Die Übernahme der Kosten, 60 Euro für 45 Minuten, lehnte das Jugendamt mit dem Hinweis ab, dass für die Förderung die Schule zuständig sei.
    Es folgte ein schriftlicher und telefonischer Austausch zwischen dem Bürgerbeauftragten einerseits und dem Landrat, dem Beigeordneten und der Leiterin des Fachdienstes Jugend andererseits. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten muss zwischen der schulischen Fördermaßnahme und einem sich aus der LRS ergebenden sozialen Integrationsrisiko differenziert werden. Der Bürgerbeauftragte kritisierte dabei, dass der Landkreis über Monate nicht den konkreten Bedarf ermittelt hatte und somit keine nachvollziehbare Aussage zur Notwendigkeit der außerschulischen Behandlung durch qualifizierte Therapeuten geben konnte. Nach mehreren Monaten gewährte zwar die Schule mit Beginn des Schuljahres 2023/2024 eine zusätzliche Förderung im Umfang von zwei Wochenstunden. Das Jugendamt setzte sich aber weiterhin nicht mit der drohenden Teilhabebeeinträchtigung auseinander und hinterfragte auch nicht, ob durch diese Fördermaßnahme die Defizite überhaupt reduziert oder gar behoben werden können. Der besondere Ansatz der vom Vater bis dahin privat gezahlten Therapie wurde gar nicht geprüft.
    Schulschwierigkeiten fallen zwar grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Schule. Auch ist nicht jede Störung der schulischen Fertigkeiten einer vorhandenen oder drohenden seelischen Behinderung im Sinne § 35 a SGB VIII zuzuordnen. In diesem Fall gab es aber aussagekräftige fachübergreifende Gutachten, die nicht nur auf die Schwere der Symptomatik der LRS hinwiesen, sondern vor allem auf die daraus folgenden seelischen Belastungen (emotionale Störung und Konzentrationsstörung mit der Folge einer Teilhabebeeinträchtigung). Es wäre Aufgabe des Jugendamtes gewesen, die zu erwartende Beeinträchtigung der Eingliederungsfähigkeit des Kindes und damit das soziale Integrationsrisiko zu überprüfen.
    Auch weitere persönliche Gespräche mit dem zuständigen Beigeordneten brachten keine Klärung. Das Bildungsministerium erklärte auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten auch gegenüber dem Landkreis, dass die Schule einen lerntherapeutischen Ansatz nicht leisten könne. Es bat den Landkreis um erneute Prüfung der Angelegenheit; eine Unterstützung für eine nachhaltige Förderung des Kindes durch den Landkreis würde es sehr begrüßen. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.
  • Eine zügige Lösung konnte hingegen in einer weiteren Petition erreicht werden. In diesem Fall hatte ein Kind mit einem seltenen Gendefekt zuvor in einem anderen Bundesland gelebt und dort Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Nach dem Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern waren auch hier Leistungen zur Eingliederungshilfe beantragt, jedoch abgelehnt worden. Unklar war hierbei auch die Zuständigkeit zwischen Jugendamt und Sozialamt.  
    Der Bürgerbeauftragte trug beim Landrat vor, dass aus den Stellungnahmen der Sachverständigen hervorgehe, dass eine Leistung dringend einsetzen müsse. Daraufhin ermittelte das Jugendamt zügig und umfassend den Bedarf. Im Ergebnis erfolgte eine Bewilligung von 40 Stunden Assistenz in der Woche.

Wie im Vorjahr gingen 27 Petitionen zu verschiedenen Fallgestaltungen aus dem Rechtskreis des SGB III (Arbeitsförderung) beim Bürgerbeauftragten ein. Die Petitionen betrafen überwiegend Fragen der Leistungsberechnung oder Fördermöglichkeiten, meist von Menschen mit einer Behinderung. Weiterhin gab es auch Fragen zur Anwendung von § 145 SGB III, der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung. Um Leistungslücken zu verhindern, kann Arbeitslosengeld auch für Langzeiterkrankte gezahlt werden, wenn der Anspruch auf das Krankengeld erschöpft ist und der Rentenversicherungsträger noch nicht über die Erwerbsminderungsrente entschieden hat.

Die Dienststelle des Bürgerbeauftragten beriet die Ratsuchenden oder leitete die Anliegen an die Arbeitsagenturen weiter. Die jeweils zuständige Arbeitsagentur bearbeitete die Petitionen sehr zügig und informierte den Bürgerbeauftragten über das Ergebnis. Beispielhaft zwei Petitionen:

  • Der Lebensgefährte einer jungen Südkoreanerin, die sich mit einem “Working Holiday“-Visum in Deutschland aufhielt, teilte Mitte Juli 2023 mit, dass seine Partnerin zum 01.08.2023 eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel aufnehmen wollte. Einen Ausbildungsbetrieb hatte sie schon gefunden. Die Ausländerbehörde, an die sich die Petentin bereits im Mai 2023 gewandt hatte, konnte aber die erforderliche Aufenthaltserlaubnis nicht erteilen, weil die Zustimmung der Arbeitsagentur fehlte. Die vom Bürgerbeauftragten angefragte Arbeitsagentur überprüfte den Vorgang dann umgehend und erteilte die Zustimmung. Die junge Frau erhielt die Aufenthaltserlaubnis und nahm die Ausbildung auf.
  • Wegen hoher Energiepreise entlastete die Bundesregierung die Verbraucher mit verschiedenen Maßnahmen. So erhielten Empfänger von Arbeitslosengeld zusätzlich eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro, wenn sie im Juli 2022 an mindestens einem Tag Anspruch auf Arbeitslosengeld hatten. Eine Petentin teilte im Sommer 2023 mit, dass ihr der Betrag, trotz Antragstellung und mehrfacher Nachfrage, nicht gezahlt worden sei. Die Überprüfung durch die Arbeitsagentur nach Einschaltung des Bürgerbeauftragten führte zu einer schnellen Klärung und Auszahlung an die Petentin.
Keine Prüfung für Heilpraktiker in Mecklenburg-Vorpommern?

Als Heilpraktiker wird bezeichnet, wer die Heilkunde berufs- und gewerbsmäßig ausüben darf, ohne als Arzt oder Psychologischer Psychotherapeut approbiert zu sein. Diese Heilkunde darf nur mit Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz ausgeübt werden. Die Erlaubnis berechtigt, jede Tätigkeit auszuüben, die der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder körperlichen Schäden dient. Eine hierfür benötigte amtsärztliche Überprüfung wurde 2023 allerdings nur von den Gesundheitsämtern der Hansestadt Rostock und des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte angeboten.

Mehrere angehende Heilpraktikerinnen teilten beginnend ab März 2023 dem Bürgerbeauftragten mit, dass sie keine Möglichkeit hätten, ihre sektorale Heilpraktikerprüfung abzulegen. Bereits im März 2023 seien die Prüfungsplätze für Oktober 2023 vergeben gewesen; Voranmeldungen für 2024 seien nicht möglich, da die personelle Besetzung durch Ärzte als Mitglieder der Prüfungskommission ungeklärt sei. Sie hätten erhebliche Kosten in die Ausbildung investiert und wollten nun endlich ihren Beruf ausüben.

Das von einer angehenden Heilpraktikerin um Hilfe gebetene Gesundheitsministerium hatte ihr lediglich mitgeteilt, dass die Gesundheitsämter die Termine selbst festlegen würden. Das Ministerium habe darauf keinen Einfluss. Weiteren Handlungsbedarf sah das Ministerium nicht. Damit wollte sich die Bürgerin nicht zufriedengeben und wandte sich an den Bürgerbeauftragten. Dieser bat die Gesundheitsministerin um Stellungnahme und machte deutlich, dass ohne eine Lösung ein unzulässiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsausübung drohe.

Die Staatssekretärin räumte die Probleme ein. Sie teilte mit, dass sich die Anzahl der Heilpraktikerüberprüfungen 2023 im Vergleich zu denen des Vorjahres erhöht habe. Sie verwies aber auch auf die Rechtsprechung, wonach kein Anspruch auf zusätzliche Prüfungstermine bestehe. Gleichwohl dürfe die Wartezeit den einzelnen Prüfungsanwärter nicht unzumutbar belasten, um der Bedeutung des Grundrechts aus Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (Berufsfreiheit) Rechnung zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass jedenfalls ein Grundrechtsverstoß bei einer Wartezeit von vier Jahren vorliege. Die Gesundheitsämter seien demnach gehalten, unzumutbar belastende unnötige Wartezeiten und Verzögerungen bei Prüfungen zu vermeiden.

Das Schreiben des Bürgerbeauftragten wurde aber zum Anlass genommen, um erstmals in dieser Angelegenheit mit den Gesundheitsämtern in Austausch zu treten. Im November 2023 teilte das Sozialministerium mit, dass die Prüfungen 2024 durch zwei Landkreise angeboten werden. Gesundheitsämter und die zuständigen Fachreferate des Ministeriums bleiben im Austausch.

Beim SGB II (Bürgergeld) hat sich die Zahl der Leistungsberechtigten und zumindest zeitweise auch der Sanktionen verringert. Mit dem Bürgergeld-Gesetz sind ferner für Leistungsberechtigte Verbesserungen vor allem bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen, bei den Regelbedarfen und bei den Bedarfen für die Unterkunft und Heizung erfolgt. Das sind Gründe, warum die Anzahl der Petitionen in diesem Themenbereich im Berichtsjahr weiter auf 160 sank (Vorjahr. 218). Dies sind aber immer noch die meisten Eingaben im gesamten Sozialbereich.

Inhaltlich betrafen sie eine Vielzahl von Themen, u. a.

  • die Bedarfe für die Unterkunft und Heizung, wie die Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft,
  • (nicht) zu berücksichtigendes Einkommen wie Kindergeld, Wohngeld, befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung und Betriebskostenguthaben,
  • Bearbeitungsdauern bei Anträgen,
  • Mehrbedarfe für Menschen mit Schwerbehinderung,
  • Aufforderungen zur Mitwirkung und
  • weitere Leistungen wie für die Reparatur einer Brille oder Erstausstattungen für die Wohnung, einschließlich Haushaltsgeräten.

In einem deutlich geringeren Umfang betrafen die Eingaben Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, etwa die Förderung von beruflichen Weiterbildungen, die Rücknahme und Erstattung von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget und Einstiegsgeld.

Der Bürgerbeauftragte beriet die Petenten und unterstützte sie, soweit notwendig, auch gegenüber den Jobcentern.

Regelung mit Tücken: Vorläufige Zahlungseinstellung

Mehrfach beriet der Bürgerbeauftragte in Fällen, in denen Jobcenter vorläufig die Zahlung der laufenden Leistungen eingestellt hatten. Hierzu sind die Jobcenter befugt, wenn sie von Tatsachen erfahren, die zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen.

Häufig wird dieses angenommen, wenn Leistungsempfänger nicht zu Meldeterminen erscheinen. Die Jobcenter vermuten dann gegebenenfalls verdeckte Einkommen oder den Aufenthalt außerhalb der örtlichen Zuständigkeit. Die vorläufige Einstellung der Zahlung einer laufenden Leistung kann aber eben nur bei Kenntnis von entsprechenden Tatsachen erfolgen. Vermutungen allein genügen nicht. Ferner ist die vorläufige Einstellung auf zwei Monate begrenzt.

Problematisch für die Betroffenen ist hierbei neben dem plötzlichen Wegfall der Zahlung, dass vorläufige Zahlungseinstellungen keine Verwaltungsakte sind. Sie können daher nicht mit einem Widerspruch angefochten werden. Die Leistungsbezieher können sich nur mit Klagen auf Zahlung der bewilligten Leistung und Beantragung einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht wehren.

Diese eingeschränkten Rechtschutzmöglichkeiten ermöglichen es den Jobcentern, selbst bei einem Tätigwerden des Bürgerbeauftragten auf vorläufigen Zahlungseinstellungen auch dann zu beharren, wenn sie rechtswidrig sind.

Veraltete Richtlinien für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Gemäß § 22 SGB II werden Bedarfe für die Unterkunft und Heizung anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Leistungsträger (Landkreise und kreisfreie Städte) legen hierzu in Richtlinien fest, welche Kosten sie in ihrem Zuständigkeitsbereich als angemessen betrachten. Den Richtlinien müssen schlüssige Konzepte für angemessene Unterkunftskosten zugrunde liegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Angemessenheit der Unterkunftskosten im SGB II alle zwei Jahre zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben (Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R.).

Die Praxis zeigt jedoch, dass diese regelmäßige Anpassung der Werte nicht überall erfolgt; sie erfordert allerdings auch aufwändige Ermittlungen. In der Folge müssen Leistungsempfänger aufgrund der Preissteigerungen feststellen, dass sie zu den vorgegebenen Unterkunftskosten keine Wohnung finden können. Die Leistungsträger wollen aber für Mietangebote mit höheren Kosten keine Zusicherungen zur Berücksichtigung der Kosten geben. Deswegen wenden sich immer wieder Leistungsempfänger an den Bürgerbeauftragten.

  • Im Juni 2023 wies der Bürgerbeauftragte in einem solchen Fall einen Landrat darauf hin, dass die Richtlinie des Landkreises das aktuelle Mietniveau nicht mehr widerspiegeln dürfte. Die Unterkunftskosten (angemessene Bruttokaltmiete) seien letztmalig zum 1. Mai 2021 festgesetzt worden.
  • In einem anderen Fall war die Richtlinie einer kreisfreien Stadt bereits seit Anfang 2020 nicht mehr angepasst worden. 

In beiden Fällen bat der Bürgerbeauftragte um Prüfung und Stellungnahme, inwieweit Daten erhoben und ausgewertet worden seien und wann die Werte der jeweiligen Richtlinie neu festgesetzt würden.

Sowohl der Landkreis als auch die kreisfreie Stadt erklärten, dass eine Überprüfung der Richtlinienwerte bereits erfolge. Der Landkreis hatte mit der Datenerhebung und Datenanalyse begonnen. Die vorläufigen Ergebnisse müssten aber im Hinblick auf die erheblichen Steigerungen bei den Betriebskosten nochmals plausibilisiert werden. Da sich wegen fehlender Daten die Erarbeitung weiter verzögerte, wies der Landkreis Mitte Juli die Leistungsstellen des Sozialamtes sowie die Jobcenter im Landkreis an, die Werte der vorläufigen Ergebnisse aus der Konzeptfortschreibung inklusive eines Aufschlages ab sofort als angemessen anzusehen.

Die kreisfreie Stadt berichtete, dass aus Kapazitätsgründen und den andauernden Herausforderungen aufgrund der Folgen der „Ukrainekrise“ die Zweijahresfrist nicht eingehalten werden könne. Aufgrund der Regelungen der Corona-Pandemie, von Karenzregeln zum Inkrafttreten des Bürgergeldes und der zwischenzeitlich erfolgten Anpassung der Richtlinie hinsichtlich der Heizkosten zum 1. März seien in der Stadt für Leistungsempfänger noch angemessene Wohnungen zu finden. Allerdings wurden angepasste Werte bereits vorläufig angewandt. In der Stadt trat die neue Richtlinie zum Anfang des Jahres 2024 in Kraft. Im Landkreis wurde die überarbeitete Richtlinie rückwirkend zum Mai 2023 erlassen.

Die Sozialhilfe umfasst unterschiedliche Leistungen. Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfen zur Pflege erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können. Ferner kann Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen gewährt werden.

Die meisten der 85 Eingaben in diesem Themenbereich betrafen die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Diese bezogen sich z. B. auf die vorläufige oder abschließende Bewilligung, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, den Einsatz von Einkommen und Vermögen sowie die Aufhebung von Bescheiden und die Erstattung von Leistungen. Die Anfragen zur Hilfe zur Pflege richteten sich auf Pflegehilfsmittel, Pflegegeld, zu lange Bearbeitungsdauern, die Verhinderungspflege und einzusetzendes Vermögen. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ging es um die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie für eine Kranken- und Pflegeversicherung und das einzusetzende Einkommen. Die Eingaben zu den Hilfen in anderen Lebenslagen betrafen die Bestattungskosten.

Der Bürgerbeauftragte überprüfte in diesen Fällen die Ansprüche der Petenten, erläuterte die Rechtslage und nahm, soweit notwendig, auch Kontakt zu den Trägern der Sozialhilfe auf.

Kein Anstieg der Bestattungskosten zwischen 2012 und 2021?

Die würdige Bestattung eines Verstorbenen darf nicht daran scheitern, dass die hierzu Verpflichteten die für die Bestattung notwendigen Kosten nicht tragen können (§ 74 SBG XII). Dann übernimmt die Sozialhilfe die Bestattungskosten. Hierzu erlassen die Sozialhilfeträger Richtlinien, die der einheitlichen Rechtsanwendung dienen und den Bürgern die Möglichkeit bieten, sich über die Anspruchsvoraussetzungen zu informieren.

Eine Bürgerin aus einem Landkreis wandte sich im Oktober 2021 an den Bürgerbeauftragten, weil die im Juli 2021 für die Bestattung ihres Ehemanns angefallenen Kosten nicht in voller Höhe übernommen werden sollten. Der Landkreis als Sozialhilfeträger wollte die Kosten nur in der Höhe erstatten, wie es in seiner Richtlinie von 2012 vorgesehen war.

Für den Bürgerbeauftragten war die beinahe zehn Jahre alte Richtlinie ungeeignet, da deren Annahmen für die im Landkreis üblichen Kosten einer würdigen, einfachen Bestattung im Jahr 2021 bei weitem nicht mehr entsprächen. Er bemühte sich im Folgenden hartnäckig um eine Lösung – was jedoch schwieriger war als erwartet:

  • Im April 2022 wies er die fachaufsichtführende Sozialministerin auf die Problematik hin.
  • Die Staatssekretärin des Ministeriums antwortete im Juni 2022, dass die Anwendung der Bestattungskostenrichtlinie nicht zu beanstanden sei. Die Richtlinie habe zwar den Stand des Jahres 2012, sie sei aber unbefristet und binde die Verwaltung daher weiterhin.
  • Daraufhin wandte sich der Bürgerbeauftragte im Juli 2022 an das Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde, damit dieses eine Aktualisierung der Bestattungskostenrichtlinie durch den Landkreis veranlasse.
  • Im November 2022 erklärte das Innenministerium, das Sozialministerium bleibe bei seiner Auffassung, dass die Bestattungskostenrichtlinie weiter anzuwenden sei. Man habe daraufhin den Landkreis um eine Stellungnahme gebeten. Die befragten regionalen Bestattungsunternehmen hielten, so der Landkreis in seiner Stellungnahme, eine Anpassung nicht für notwendig. Es gebe auch nur wenige Beschwerden. Ein weiteres Tätigwerden hielt das Ministerium daher nicht für erforderlich.
  • Der Bürgerbeauftragte reagierte noch im selben Monat gegenüber dem Innenministerium: Es sei sachfremd, die fehlende Notwendigkeit der Anpassung der Bestattungskostenrichtlinie damit zu begründen, dass die Bestattungsunternehmen sie nicht für notwendig hielten und der Landkreis nur wenige Beschwerden kenne. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass sich die Bestattungskosten innerhalb der letzten zehn Jahre nicht erhöht hätten. Der Bürgerbeauftragte regte nochmals an, den Landkreis zu einer Aktualisierung der Bestattungskostenrichtlinie zu veranlassen.
  • Im Dezember 2022 informierte das Innenministerium darüber, dass es den Landkreis gebeten habe, die Daten zur Entwicklung der Bestattungskosten in den vergangenen zehn Jahren vorzulegen. Der Landrat habe angekündigt, die aktuellen Preise für Bestattungsleistungen abzufragen und gegebenenfalls die Richtlinie im Jahr 2023 zu aktualisieren.
  • Im Juni 2023 fragte der Bürgerbeauftragte das Innenministerium zu Informationen über Inhalt und Ergebnis der Abfrage nach sowie darüber, ob die Bestattungskostenrichtlinie aktualisiert werde. Das lehnte das Ministerium im Juli 2023 ab und verwies stattdessen an das Sozialministerium. Mit Blick auf die bisher entstandenen Verzögerungen bat der Bürgerbeauftragte dann unmittelbar den Landkreis um den Sachstand. Dieser informierte im Juli 2023, dass der Kreistag die erneuerte Richtlinie im Vormonat beschlossen habe, und übermittelte den Text der zum 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Richtlinie sowie die Herleitung der ermittelten Werte.

Wie es von Anfang nicht anders zu erwarten war, hatten sich die Kosten in den vergangenen zehn Jahren erheblich erhöht: Die einzelnen Positionen für die Erd- wie die Urnenbestattung um 20 Prozent bis 153 Prozent; die Gesamtkosten für die Erdbestattung um 76 Prozent; die Gesamtkosten für die Urnenbestattung um 48 Prozent.

Wie sowohl Sozial- und Innenministerium als auch der Landkreis der Ansicht sein konnten, seit 2012 habe es keine relevanten Kostenerhöhungen gegeben, und der Landkreis könne seine Richtlinie auch im Jahr 2021 weiter anwenden, konnte der Bürgerbeauftragte nicht nachvollziehen. So hatte die Bürgerin erst zwei Jahre später die Möglichkeit, sich die Bestattungskosten vollständig erstatten zu lassen.

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Eingaben zu Leistungen der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung spürbar an (115, Vorjahr: 94). Fast doppelt so viele Bürger wandten sich zu Fragen der Pflegeversicherung an den Bürgerbeauftragten (22, Vorjahr: 12). In den Bereichen der Kranken- und Rentenversicherung blieben die Zahlen mit 36 und 51 fast auf Vorjahresniveau. 6 Eingaben betrafen die Unfallversicherung.

Die 51 Petitionen zur Rentenversicherung bezogen sich besonders auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente (12), die richtige Berechnung einer Altersrente (9), Hinterbliebenenrenten (6) und auch den erst im Frühjahr 2023 durch den Bund aufgelegten Härtefallfonds. 

Hierzu hatte der Bürgerbeauftragte bereits im Jahresbericht 2022 darüber informiert, dass die Bewilligungsvoraussetzungen für eine Einmalzahlung aus dem von der Bundesregierung eingerichteten Fonds zur Abmilderung von Härtefällen aus der Ost-West-Rentenüberleitung sehr eng seien. Diese Einschätzung bestätigte sich im Berichtszeitraum. Viele Betroffene erhalten keine Leistung, weil sie zum Stichtag 01.01.2021 eine eigene Altersrente von über 830 Euro monatlich bezogen haben.

Die 36 Petitionen zur gesetzlichen Krankenversicherung betrafen erneut die ärztliche Versorgung, besonders im ländlichen Raum (8), den allgemeinen Krankenversicherungsschutz (6), Beitragszahlungen, Hilfsmittelversorgung, stationäre medizinische Reha und weitere Themen wie Krankengeld, palliative Versorgung, Krankenbeförderung, Mutter-/Vater-Kind-Kur und den medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Bei den 22 Eingaben zur gesetzlichen Pflegeversicherung waren die Themen sehr vielseitig. Sie bezogen sich z. B. auf Beitragssätze, Pflegegrad-Einstufungen, Missstände im Pflegeheim, Abrechnungen mit dem Pflegedienst und Kostenzuschüsse zum behindertengerechten Umbau eines Bades. Wiederholt wurden auch Kostenerhöhungen in der stationären Pflege angesprochen (s. Einzelbeitrag).

Die sechs Petitionen zur gesetzlichen Unfallversicherung behandelten inhaltlich die allgemeine Leistungsgewährung und den Versicherungsschutz.

Zunehmende Einschränkungen persönlicher Beratungsangebote vor Ort

In den letzten Jahren musste der Bürgerbeauftragte verstärkt feststellen, dass persönliche Beratungsangebote vor Ort in vielen Bereichen eingestellt werden, sei es bei den gesetzlichen Krankenkassen, bei den Sparkassen, bei Postfilialen oder bei der Deutschen Rentenversicherung.

Eine Bürgerin beschwerte sich, dass die Sprechzeiten einer Beratungsstelle der Rentenversicherung in einer kleinen Stadt drastisch eingeschränkt wurden. Ursprünglich gab es Sprechzeiten an mehreren Tagen in der Woche. Ab Januar 2023 gibt es nur noch einen Sprechtag im Monat und auch nur in der Zeit von 8:00 bis 12:00 Uhr und nach vorheriger Terminvereinbarung, entweder telefonisch oder über E-Mail.

Die vom Bürgerbeauftragten erbetene Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung ergab, dass die beschriebene Umstellung aufgrund von Personalabgängen stattfand. Ein beständiges Beratungs- bzw. Terminangebot könne mit dem verbliebenen Personal nicht mehr gewährleistet werden. Eine genaue Einhaltung des Beratungstages sei aufgrund der Personalplanung notwendig. Dies schaffe zugleich für die Kunden Transparenz und Verlässlichkeit zum Beratungsangebot vor Ort. Außerdem gebe es noch die Möglichkeiten der Video- oder Telefonberatung, das kostenlose Servicetelefon oder die Online-Dienste der Deutschen Rentenversicherung.

Der Bürgerbeauftragte sieht die beschriebene Entwicklung mit Sorge, auch weil die Verweisung auf Internet und Telefonie gerade für Personen mit Beeinträchtigungen nur bedingt geeignet ist. Immerhin aber war in diesem Fall überhaupt noch eine Vorsprache vor Ort möglich – anders als bei anderen Sozialversicherungsträgern.

Überhöhte Gebühren bei der Leichenschau

Die ärztliche Leichenschau, verbunden mit dem Ausstellen der Totenbescheinigung, ist kostenpflichtig und keine Leistung der Krankenkassen. Eine entsprechende ärztliche Rechnung muss daher von den Angehörigen bezahlt werden. Da dabei ein Arzt eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist dann auch eine Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten gegeben.

Ein Bürger monierte die Höhe der für die ärztliche Leichenschau bei seiner verstorbenen Ehefrau erhobenen Gebühr. Er konnte nicht nachvollziehen, warum für die Untersuchung eine volle Gebühr mit 165,77 Euro in Rechnung gestellt wurde, obwohl diese lediglich 25 Minuten gedauert hatte und die Gebührenordnung dafür nur 60 % der Gebühr vorsieht. Auch die in Rechnung gestellte Reiseentschädigung zweifelte der Bürger aufgrund der kurzen Wegstrecke zu Recht an. Nachdem die Rückfrage des Bürgers bei der Ärztin unbeantwortet geblieben war, beschwerte er sich bei der Ärztekammer, die jedoch keine nennenswerten Korrekturen veranlassen wollte.

Auf sein Hilfeersuchen wandte sich der Bürgerbeauftragte an die Ärztekammer. In seinem Schreiben stellte er deutlich die Rechtslage dar. Das Antwortschreiben der Ärztekammer ging aber in keiner Weise auf diesen Vortrag ein, sondern verwies pauschal darauf, dass man keine Fehler feststellen könne. Offenbar war der Einzelfall gar nicht überprüft worden. Offenbar war der Einzelfall nicht näher überprüft worden. Immerhin veröffentlichte dann die Ärztekammer noch vor einem anberaumten Gespräch mit dem Bürgerbeauftragten „wegen regelmäßiger Nachfragen“ ein genaues Abrechnungsformular, das versehentliche Fehler beim Ausfüllen weitgehend ausschließen dürfte. Der Bürgerbeauftragte begrüßt es, dass die ärztliche Selbstverwaltung ihren Mitgliedern die sorgfältige Durchführung der amtlichen Gebührenberechnung auf diese Weise erleichtert.

Steigende Kosten bei der vollstationären Pflege – Reform der Pflegeversicherung

Vermehrt meldeten sich in den letzten Jahren Bürgerinnen und Bürger und beklagten die stark gestiegenen Kosten bei der vollstationären Pflege für ihre Angehörigen. Dies setzte sich auch 2023 fort. So berichtete beispielsweise eine Petentin, dass sich allein die Personalkosten im Pflegeheim ihrer Mutter um 39 Prozent erhöht hatten.

Im Rahmen einer Legislativpetition trug der Bürgerbeauftragte das Anliegen eines Petenten dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vor. Dieser hatte kritisiert, dass die Kosten in der vollstationären Pflege unangemessen hoch seien. Er forderte schnellstmöglich eine Reform, die zu einer echten Entlastung der Betroffenen und deren Ehegatten führt. Außerdem bat der Bürgerbeauftragte auch die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes um Mitteilung zum aktuellen Stand zum Thema Investitionskosten in der stationären Pflege.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages informierte den Bürgerbeauftragten über seine Beschlussempfehlung, die Petition der Bundesregierung als Material zu überweisen, den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben und den Landesvolksvertretungen zuzuleiten. Außerdem verwies er darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz dafür gesorgt habe, die Zuzahlungen der Pflegebedürftigen zu begrenzen. Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 erhalten seit Januar 2022 – je nach Verweildauer – einen durch die Pflegekassen finanzierten Zuschuss zu ihrem privat zu zahlenden Eigenanteil von bis zu 70 %. Sofern im Einzelfall Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, könnten zusätzlich Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch genommen werden.

Ferner wies der Petitionsausschuss darauf hin, dass ein nicht unwesentlicher Teil des vom Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteils aus den Investitionskosten besteht, im Bundesdurchschnitt monatlich rund 472 Euro. Die Verantwortung für die Planung und die finanzielle Förderung dieser Kosten liege im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Hier habe die Bundesregierung mehrfach deutlich gemacht, dass die betroffenen Bundesländer die Pflegebedürftigen durch Übernahme der Investitionskosten spürbar finanziell entlasten könnten.

Die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes verwies in ihrer Stellungnahme auf das zum 01.07.2023 teilweise in Kraft getretene Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG). Das Gesetz sehe zwar Verbesserungen vor, wie die Erhöhung der Leistungszuschläge zur Reduzierung der Eigenanteile in der vollstationären Pflege und die Erhöhung von Pflegegeld und ambulanter Sachdienstleistungen. Allerdings erfolge keine grundlegende Änderung der Finanzierung der Pflegeversicherung. Zum aktuellen Stand des Themas Investitionskosten informierte die Ministerin den Bürgerbeauftragten im Oktober 2023, dass eine etwaige Bezuschussung von Investitionskosten kein Bestandteil des PUEG und eine Umsetzung bundesseitig gegenwärtig auch nicht geplant sei. Das Land Mecklenburg-Vorpommern verfüge derzeit im Haushalt über keine Mittel für eine Bezuschussung von Investitionskosten.

Für den Bürgerbeauftragten ist eine grundlegende Reform der Kosten der vollstationären Pflege notwendig. Das jetzige System trifft die Bürger über Gebühr. Auch der Verweis auf die Sozialhilfe hilft hier nur bedingt, da diese Kosten dann die Kommunen erheblich und zunehmend belasten. Hier wäre es ein wichtiger Schritt, dass das Land den Anteil für diese Investitionskosten übernimmt.

Witwenrente: Versorgungsehe oder nicht?

Um Witwenrente beziehen zu können, muss eine Ehe grundsätzlich mindestens ein Jahr angedauert haben. Damit sollen „Versorgungsehen“ ausgeschlossen werden. Von dieser Regel gibt es aber Ausnahmen (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Es ist anerkannt, dass auch bei kürzerer Dauer der Ehe ein Rentenbezug möglich ist, wenn

  • der Tod plötzlich durch ein unvorhersehbares Ereignis wie einen Unfall eingetreten ist oder
  • zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht absehbar war, dass eine vorhandene Krankheit zum Tod führen würde.

Eine Witwe suchte sich hierzu Anfang 2023 Hilfe beim Bürgerbeauftragten. Sie hatte den Mann, mit dem sie schon lange zusammengelebt und ein 8-jähriges Kind hatte, im Herbst 2021 geheiratet. Im April 2022 verstarb ihr Ehemann aufgrund einer erst kurz nach der Hochzeit überraschend diagnostizierten Krebserkrankung. Im Oktober 2022 lehnte die zuständige Rentenversicherung den Antrag auf Witwenrente ab, weil die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hatte und deswegen eine gesetzliche Vermutung für eine Versorgungsehe spreche. Der hiergegen eingelegte Widerspruch war bis zur Vorsprache beim Bürgerbeauftragten seit drei Monaten nicht beschieden. Inzwischen hatte die Petentin große finanzielle Schwierigkeiten, auch wegen des beantragten, aber bis dahin nicht geleisteten Wohngeldes und Kinderzuschlages. Ebenso wurde eine Halbwaisenrente für das Kind erst seit kurzem gezahlt.

Der Bürgerbeauftragte legte der Rentenversicherung dar, dass die Eheleute nachweisbar nach der Hochzeit überraschend von der Krebsdiagnose erfahren hatten und entsprechend ein Ausnahmefall vorlag. Auch die Familiengründung und der mehrjährige gemeinsame Hausstand sprächen gegen eine „Versorgungsehe“. Er ersuchte dringend darum, die beantragte Witwenrente zu gewähren. Daraufhin wurde dem Widerspruch abgeholfen. Die Festsetzung der Witwenrente erfolgte umgehend und die noch ausstehenden Waisenrentenbescheide wurden erteilt. Außerdem entschuldigte sich die Rentenversicherung, dass durch ein Büroversehen der Widerspruch nicht bearbeitet worden sei.

Der Bürgerbeauftragte hat die besondere Aufgabe, die Belange von Menschen mit Behinderungen wahrzunehmen. Neben der Beratung und Unterstützung in konkreten Fällen betrifft dies auch Grundsatzfragen auf Bundes- und Landesebene. So nimmt der Bürgerbeauftragte Stellung zu relevanten Gesetzesvorhaben und wird als Experte zum Beispiel im Sozialausschuss des Landtages gehört. Er ist nichtstimmberechtigtes Mitglied im Inklusionsförderrat der Landesregierung und für diesen in der Landesarbeitsgemeinschaft Soziales.

Grundsatzthema inklusiver Arbeitsmarkt

Der inklusive Arbeitsmarkt war ein Grundsatzthema, mit dem sich der Bürgerbeauftragte auch 2023 intensiv befasst hat. Ende 2022 hatte das Thema im Mittelpunkt der Beratungen der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in Erfurt gestanden. Hieraus war die „Erfurter Erklärung“ hervorgegangen. Diese hatte für viel Aufmerksamkeit gesorgt, weil sie sich für eine geänderte, stärker auf Inklusion gerichtete Aufgabe der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ausspricht. In diesem Sinne hat der Bürgerbeauftragte im Jahr 2023 mit anderen Institutionen in gemeinsamen Veranstaltungen Akzente gesetzt.

Inklusionstalk mit Agentur für Arbeit

Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Schwerin veranstaltete der Bürgerbeauftragte im März einen Inklusionstalk. Schon seit Jahren werden in diesem Format Arbeitgeber und Unternehmensvertreter eingeladen und u. a. über Fördermöglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen informiert. Diesmal berichtete der Schauspieler Samuel Koch von seinem Weg zurück ins Leben nach seinem schweren Unfall in einer Fernsehsendung. Der Bürgerbeauftragte forderte in diesem Zusammenhang, Vorurteile bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auszuräumen. 

Gemeinsame Fachveranstaltung in Wismar

Im Vorfeld des Europäischen Protesttages für Menschen mit Behinderung hatten die Hochschule Wismar, der Behindertenbeirat des Landkreises Nordwestmecklenburg und der Bürgerbeauftragte Ende April zu einer Fachveranstaltung zum Thema „Ins Gespräch kommen – Arbeit und Inklusion“ eingeladen. In der gut besuchten Veranstaltung stellte ein Vertreter der Agentur für Arbeit Fördermöglichkeiten vor, eine Fachberaterin der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber informierte über ihre Unterstützungsmöglichkeiten und der Vorsitzende einer Schwerbehindertenvertretung berichtete aus seinem Tätigkeitsfeld. Auch eine Mitarbeiterin der Unabhängigen Beratungsstellen und der Geschäftsführer der Wismarer Werkstätten stellten ihre Erfahrungen dar. Deutlich wurde: Es gibt viele Anlaufstellen, Institutionen und Menschen, die sich kümmern und helfen. Jedoch sind diese nicht überall bekannt. 

Europäischer Protesttag für Menschen mit Behinderung

Auf einer Protestveranstaltung des dortigen Behindertenbeirats hat der Bürgerbeauftragte in Güstrow als Schirmherr mehr Engagement für behindertenpolitische Belange gefordert. Auch hier war der inklusive Arbeitsmarkt ein wichtiges Thema. Angesprochen wurden auch der unzureichende Wohnraum für Menschen mit Behinderungen, Mängel bei der inklusiven Bildung und die mangelhafte Barrierefreiheit im öffentlichen Raum.

Am Protesttag selbst hat der Bürgerbeauftragte an einer Veranstaltung der Selbsthilfe in Rostock teilgenommen. Inhaltlicher Schwerpunkt waren Fragen der Digitalisierung und der Chancen, die diese für Menschen mit Behinderungen bieten. In der Diskussion wurde deutlich, dass sich gerade aus dieser Gruppe viele Menschen neben verbesserten digitalen Angeboten auch weiterhin die Möglichkeit wünschen, persönliche Termine in den Behörden vor Ort möglichst unkompliziert zu erhalten.

Treffen der kommunalen Behindertenbeauftragten und -beiräte

Auch im Berichtsjahr lud der Bürgerbeauftragte zu zwei Treffen der kommunalen Behindertenbeauftragten und -beiräte aus Mecklenburg-Vorpommern ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stand der Erfahrungsaustausch. In der Juni-Sitzung referierte Frau Dr. Antje Bernier, Behindertenbeauftragte der Hochschule Wismar, zum Thema „Beteiligungsverfahren bei der Planung für öffentlich zugängliche Gebäude“. Im November berieten die Beauftragten mit der neuen Leiterin der Abteilung Soziales und Integration im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport Arbeitsschwerpunkte (Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und des Maßnahmeplans der Landesregierung, Überprüfung der Rolle der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, inklusiver Arbeitsmarkt). 

Umsetzung Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Das Bundesteilhabegesetz will für Menschen mit Behinderungen eine gezieltere Hilfe und mehr soziale Teilhabe ermöglichen. Die Umsetzung des umfassenden Gesetzespakets bereitet im Alltag weiter Schwierigkeiten. Das zeigt sich besonders bei den Teilhabeplanungen in der Eingliederungshilfe. Neben den Einzelfällen aus diesen Problemkreisen trägt der Bürgerbeauftragte generelle Fragen gegenüber der Landesregierung und dem Inklusionsförderrat vor und versucht so, Verbesserungen bei der Anwendung des Gesetzes zu erreichen. 

Ermäßigung bei Kurabgabe für Menschen mit Behinderungen

Der Bürgerbeauftragte befasste sich mit den wiederholten Beschwerden über Kur- und Erholungsorte in Mecklenburg-Vorpommern, die in ihrer Kurabgabensatzung keine Ermäßigung oder Befreiung für Menschen mit Behinderungen bzw. für eine notwendige Begleitperson mehr vorsehen (vgl. hierzu unter B. 1. a).

Evaluierung Maßnahmeplan 2.0

Eine erste Evaluierung des Maßnahmeplans der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Mitte 2023 vom Kabinett verabschiedet worden. Diese war aber durch das Sozialministerium ohne externe Expertise sowie ohne die Beteiligung des Inklusionsförderrates oder der Behindertenverbände durchgeführt worden. Nachdem u. a. der Bürgerbeauftragte daran deutliche Kritik geübt hatte, fand ein Auftakttermin für eine zweite Evaluierung statt, diesmal unter breiter Beteiligung. Eine Auswertung soll zukünftig jährlich stattfinden.

Treffen der Behindertenbeauftragten aus Bund und Ländern

Im Mai 2023 kamen in Bad Nauheim die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) zu ihrem 65. Treffen zusammen. Zum Abschluss ihres Treffens haben die Beauftragten die „Bad Nauheimer Erklärung – Inklusive Gesundheit und Pflege“ verabschiedet: Die Beauftragten halten ein grundlegendes Umdenken im Gesundheits- und Pflegebereich für dringend notwendig. Damit Menschen mit Behinderungen jeden Alters den gleichen Zugang zur Gesundheits- und Pflegeversorgung erhalten wie Menschen ohne Behinderungen, soll das gesamte Gesundheitssystem barrierefrei ausgestaltet werden. Darüber hinaus sind spezifische Angebote für die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen vorzuhalten.

Die Förderung von Inklusion durch Sport stand im Mittelpunkt des 66. Treffens im November in Potsdam. Die Beauftragten beschlossen auf der Konferenz die „Potsdamer Erklärung – Mehr Inklusion durch Sport“. In dieser werden der Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, ihr Engagement für inklusiven Sport zu verstärken. An der Veranstaltung nahmen auch zahlreiche externe Sachverständige teil.

Petitionen von Menschen mit Behinderungen

Auch im Berichtsjahr wandten sich viele Menschen mit Behinderungen an den Bürgerbeauftragten, um Beratung und Unterstützung in ihren spezifischen Situationen zu erhalten. Mit 197 Petitionen aus diesem Personenkreis blieb die Anzahl auf dem Niveau des Vorjahres (196). Davon hatten 138 (142) einen sozialrechtlichen Schwerpunkt, insbesondere im SGB IX. Dabei spiegelte sich die ganze Bandbreite der Schwierigkeiten von Menschen mit Behinderungen wider, von der Frühförderung über Schule und Ausbildung und Barrierefreiheit bis hin zur Teilhabe an der Gemeinschaft.

Bedarfsgerechte Betreuung von Kindern mit Behinderungen

Schon 2022 informierte der Bürgerbeauftragte in seinem Jahresbericht über Beschwerden von Eltern, die für ihre Kinder mit einem höheren Förderbedarf keine Hortplätze gefunden hatten. 

Das KiföG M-V regelt Anspruch, Bedarf und Umfang der Kindertagesförderung. Der Hort muss die Betreuung und Förderung entsprechend dem ermittelten Bedarf gewährleisten. Für Kinder mit besonderem Förderbedarf sind geeignete Fördermaßnahmen zu treffen. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat sicherzustellen, dass der Bedarf durch genügend Einrichtungen und Dienste gedeckt wird. In den Ferien ist die Betreuung und Förderung sogar erweitert worden (sog. Ferienhort). Dennoch gibt es für Kinder mit Behinderungen oft keine Lösung:

  • Familie eines Kindes mit einer seelischen Behinderung gelang es nicht, einen Hortplatz zu finden. Das Kind wurde im August 2023 eingeschult. Bei dem Kind war unter anderem wegen einer emotionalen Entwicklungsstörung (ADHS) eine besondere Betreuung nötig. Die Horte lehnten die Anfrage nach einer Betreuung mit der Begründung ab, dass sie das Kind nicht bedarfsgerecht fördern könnten, auch nicht mit einem Integrationshelfer. Ein Elternteil musste seine Arbeitszeit reduzieren, damit das Kind nach dem Schulunterricht von ihm betreut werden konnte. Der Familie wurde ein Platz in einer sozialpädagogischen Tagesgruppe mit anderen Kindern nach § 32 SGB VIII (Hilfen zur Erziehung) angeboten, um überhaupt eine Nachmittagsbetreuung sicherzustellen. Eine Hortbetreuung mit Schulkameraden ist dies aber nicht. 

In anderen Fällen fanden Eltern keine Betreuung für ihre Kinder in den Ferien. Dabei handelte es sich um Kinder mit einer Schwerbehinderung, die Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besuchen. Diese Schulen sind Ganztagsschulen, die in den Ferien komplett geschlossen sind und deshalb keine Hortbetreuung anbieten. In keinem Fall gelang es, trotz intensiver Bemühungen der zuständigen Verwaltungen und der Einschaltung des Bürgerbeauftragten, einen Hortplatz zu finden. Die Eltern nahmen deswegen versetzt Urlaub, benötigten Unterstützung von Großeltern oder nutzten familienentlastende Dienste, um eine Betreuung in den Ferien abzusichern. 

Das Bildungsministerium, das bereits 2022 vom Bürgerbeauftragten eingeschaltet wurde, erklärte, dass die Betreuungssituation dieser Kinder nicht zufriedenstellend sei. Der Staatssekretär kündigte intensive Fachgespräche mit den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie dem Sozialministerium mit dem Ziel an, eine bedarfsgerechte Hortförderung für betroffene Kinder zu finden. Ein Landkreis teilte Anfang des Jahres 2024 mit, dass eine grundsätzliche Klärung vermutlich erst mit Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung im Hort im Jahr 2026 möglich sei. 

Einkommens- und Vermögensprüfung

Schon in den vergangenen Jahren hat der Bürgerbeauftragte das Problem der Einkommens- und Vermögensbeteiligung im Zusammenhang mit der Hortförderung angesprochen. Er hatte hierzu in seinen Berichten Landesregierung und Landtag angesprochen. 2023 gab es dazu erneut Petitionen. 

Kinder mit einer Behinderung benötigen bei einer Nachmittagsbetreuung in einem Regelhort häufig eine Assistenz in Form eines Integrationshelfers. Nach § 9 Abs. 2 KiföG M-V ist Grundlage für diese zusätzliche Förderung das SGB VIII oder das SGB IX. Die Hortförderung wird dabei rechtlich überwiegend als soziale Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (SGB IX) und nicht als Teilhabe an Bildung (SGB VIII) eingeordnet. 

Das Problem hierbei: Der Gesetzgeber hat für die Rechtskreise des SGB VIII und des SGB IX unterschiedliche Festlegungen getroffen. Wenn ein Integrationshelfer für ein Kind mit einer geistigen Behinderung erforderlich ist, fordert das Sozialamt bei einer Leistung nach dem SGB IX von den Eltern Nachweise zum Einkommen und Vermögen und ggf. eine erhebliche finanzielle Beteiligung. Eine solche Beteiligung ist dagegen nicht vorgesehen, wenn das Jugendamt die Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB VIII erbringt. Diese Differenzierung wird von den Petenten als ungerecht empfunden.

Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten kommen zwei Lösungsansätze in Betracht:

  • eine Regelung im KiföG M-V, wonach generell keine Kostenheranziehung für Leistungen der Eingliederungshilfe erfolgt, oder
  • eine Regelung im KiföG M-V mit der Bewertung, dass der Hort zur Teilhabe an Bildung zählt.

Eine Regelung im KiföG M-V, wonach die Hortförderung grundsätzlich als Leistung zur Bildung angesehen wird, würde auch bei einer Verweisung auf die Regelungen des SGB IX eine Einkommens- und Vermögensprüfung entbehrlich machen. Für diese Variante spricht, dass dem Hort schon jetzt gesetzlich ein Bildungsauftrag zugewiesen wird. Nach § 6 Abs. 5 KiföG M-V sollen Hort und Schule nach dem Vorbild eines Ganztagsschulangebotes kooperieren und gemeinsam aufeinander abgestimmte pädagogische Grundsätze beschließen.

Der Bürgerbeauftragte hat sich mit den Vorschlägen an die Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung gewandt. Er ist sich der strittigen Einordnung des Hortes als Leistung zur Bildung bewusst. Wenn auch nicht durchgängig, erbringt der Hort jedoch regelmäßig Leistungen, die den schulischen Bildungsauftrag fördern und unterstützen. Das gilt erst recht für Kinder mit Behinderungen, die außerhalb des Unterrichts auf diesen vorbereitet werden müssen. Nach der Antwort des Ministeriums ist mit einer (kurzfristigen) gesetzlichen Änderung nicht zu rechnen. Es verwies jedoch darauf, dass es ab 2026 für alle Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf Hortbetreuung geben soll, der dann natürlich auch Kindern mit Behinderungen zu Gute käme. 

Inklusive Hortförderung

In § 9 KiföG M-V ist auch geregelt, dass Kinder mit einem besonderen Förderbedarf grundsätzlich inklusiv gefördert werden sollen. Dann sind oft Leistungen der Eingliederungshilfe erforderlich, die je nach Behinderung des Kindes beim Jugendamt oder beim Sozialamt beantragt werden müssen. Auch hierbei kommt es immer wieder zu Problemen bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen und bei der Abstimmung und Verzahnung der Leistungen der Ämter:

  • Ein Kind mit komplexer Behinderung hatte bisher interdisziplinäre Frühförderung erhalten. Hierbei werden Leistungen der Krankenversicherung und der Eingliederungshilfe an einem Ort und aufeinander abgestimmt erbracht. Nun erhielt das Kind einen Platz in einer integrativen Kindertagesstätte, in der auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX erbracht werden. Damit keine Doppelleistungen erfolgen, wurde die interdisziplinäre Frühförderung eingestellt. Die Eltern sollten sich stattdessen einzeln um die Leistungen der Krankenkasse (z. B. Physiotherapie) bemühen. Dies sollte dann außerhalb der Kita erfolgen. Dass das organisatorisch wesentlich aufwändiger für die Eltern ist und damit möglicherweise die Arbeitszeit reduziert werden muss, sei nicht von Bedeutung, so das Sozialamt. 
    Die Eltern konnten trotz intensiver Bemühungen die Leistungen der Krankenkasse nicht einzeln bei Leistungserbringern beschaffen; es entstand eine Unterversorgung. Der nun von den Eltern mit der Lösung betraute Bürgerbeauftragte wandte sich an den Landkreis, an das Ministerium und an den Kommunalen Sozialverband als Widerspruchsbehörde. Im Ergebnis wurden beide Leistungsbereiche (heilpädagogische Leistungen für die soziale Teilhabe und Frühförderung als Leistungen der medizinischen Rehabilitation), die unterschiedliche Ziele verfolgten und damit nicht gedoppelt waren, nebeneinander bewilligt. Die Unterversorgung konnte beseitigt werden.
  • Ein Kind mit einem Platz in einer integrativen Kindertagesstätte kam mit veränderten Räumlichkeiten schlecht zurecht. Die Eltern erhofften durch einen Wechsel in einen „Sonderkindergarten“ mehr Hilfe und Unterstützung für das Kind bei der Teilhabe in der Gemeinschaft. Doch anstatt zumindest befristet mehr Leistungen zu gewähren, stellte das Sozialamt die Leistungen in der integrativen Kindertagesstätte ein und bewilligte stattdessen Frühförderung zu Hause. Hierbei wurde nicht beachtet, dass wegen der belasteten Situation zu Hause schon Hilfe zur Erziehung vom Jugendamt gewährt wurde. Die Frühförderung zu Hause war durch die Geschwisterkinder und die Berufstätigkeit des Vaters nicht konzentriert möglich und die familiäre Situation wurde zusätzlich belastet. Jugendamt und Sozialamt stimmten die Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Erziehung nicht aufeinander ab. Der Bürgerbeauftragte wandte sich an den Landkreis, wies darauf hin, dass hierdurch beide Leistungen in der Wirksamkeit gefährdet waren und forderte eine zügige bedarfsgerechte Leistungserbringung. Im Ergebnis wurde der Platz in der integrativen Kindergartengruppe wieder bewilligt. Das Kind konnte sich mit einer Fachkraft an seiner Seite an die neuen Räumlichkeiten gewöhnen und die heilpädagogischen Leistungen effektiv in Anspruch nehmen. Auch für die Familiensituation zu Hause war dies positiv. Der zunächst beantragte Platz in einem Sonderkindergarten war auch aus Sicht des Bürgerbeauftragten keine geeignete Alternative.
Verwaltung, die entgegen kommt

Besondere Probleme können für Menschen mit Behinderungen bei mangelnder Mobilität im ländlichen Raum entstehen. Eine an Parkinson Erkrankte lebt mit Zweitwohnsitz auf dem Land. Durch die Nebenwirkung der Medikamente hat sie große Ödeme in den Beinen, kann deswegen weder gehen, noch einen Rollstuhl benutzen und daher auch nicht die Wohnung verlassen.

Als sie einen neuen Personalausweis benötigte, sah sich die Amtsverwaltung zunächst mit Blick auf den auswärtigen Erstwohnsitz nicht als zuständig an. Sie wies auch darauf hin, dass für die Beantragung grundsätzlich persönliches Erscheinen notwendig sei.

Der Bürgerbeauftragte riet daraufhin der Bürgerin, die Notwendigkeit eines Hausbesuchs ärztlich bescheinigen zu lassen. Er wandte sich dann mit der Bescheinigung an die Amtsverwaltung, mit der Bitte um Prüfung von Lösungsmöglichkeiten. Er verwies auf eine ähnliche Petition in einer anderen Kommune, in der ein Hausbesuch vorgenommen worden war.

Die Amtsverwaltung fand nun eine gute Lösung: Sie ließ den Ehemann einen Teil der Mitwirkungspflicht übernehmen. Er konnte als Beauftragter mit dem alten Ausweis und einem neuen Passbild, das ein Fotograf im Haus der Petentin aufgenommen hatte, beim Meldeamt den Antrag stellen und die Gebühr bezahlen. Das Passbild wurde in das System übernommen. Ein Mitarbeiter der Meldebehörde suchte die Petentin dann zu Hause auf, um dort ihre Unterschrift auf dem ausgedruckten Formular zu erhalten. Auf diese Weise konnte die Petentin den neuen Personalausweis vorschriftsmäßig beantragen. 

Parkerleichterung: Immer wieder Kampf

Ein wiederkehrendes Thema beim Bürgerbeauftragten sind Probleme bei der Beantragung einer Parkerleichterung. Vor allem beim Wunsch nach einem blauen Parkausweis berät die Dienststelle vielfach dazu, ob die vorhandenen behinderungsbedingten Einschränkungen die Voraussetzungen erfüllen. Da diese sehr streng sind, ist das oft nicht der Fall. Dann verweist der Bürgerbeauftragte auf die Möglichkeit zur Beantragung eines orangenen oder gelben Parkausweises, die ebenfalls Parkerleichterungen gewähren. Bei Problemen in den Verfahren wendet er sich an das Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern oder die zuständige Straßenverkehrsbehörde. 

  • Eine Petentin, die von der Krankenkasse einen Rollstuhl und die Fahrten zu ambulanten Behandlungen problemlos bewilligt bekommen hatte und die im Pflegegutachten nachweisen konnte, dass sie nicht mehr frei stehen und gehen kann, bekam trotzdem nicht das Merkzeichen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) vom Versorgungsamt zuerkannt. Aufgrund des nachdrücklichen Einsatzes des Bürgerbeauftragten beauftragte das Versorgungsamt eine persönliche Begutachtung. Im Ergebnis hat die Petentin nun das Merkzeichen und den blauen Parkausweis und einen Schlüssel für Behindertentoiletten erhalten.
  • Ein Bürger mit einer sehr schweren Lungen-Erkrankung (COPD) bat um Unterstützung bei seinem Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens aG. Der Bürgerbeauftragte unterstützte durch Beratung den Petenten gegenüber dem LAGuS unter Berufung auf eine aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Danach können unterschiedlichste Erkrankungen für die Zuerkennung des Merkzeichens in Betracht kommen, wenn sie eine schwere Mobilitätsbeeinträchtigung bewirken. Im Ergebnis ist das Merkzeichen aG bewilligt worden.
  • Ein Petent beantragte einen gelben Parkausweis bei der zuständigen Verkehrsbehörde, da er vorübergehend durch eine Krankheit maximal 50 Meter gehen konnte, was auch ärztlich bescheinigt war. Die Verkehrsbehörde bestand darauf, dass zunächst ein Feststellungsantrag beim Versorgungsamt gestellt werden müsse. Der Bürgerbeauftragte wies die Behörde auf die Möglichkeit hin, dass der gelbe Parkausweis in diesen Fällen nach der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift in Mecklenburg-Vorpommern auch ohne Feststellungsverfahren vorübergehend erteilt werden darf. Der Petent erhielt noch am selben Tag den gelben Parkausweis.
Eingliederungshilfe: Viele Fragen und wenig Antworten

Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderungen, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind oder die von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind sehr vielfältig. Sie umfassen Leistungen zur Sozialen Teilhabe, zur Teilhabe an Bildung und am Arbeitsleben und zur medizinischen Rehabilitation. 

Schon seit Längerem fällt beim Bürgerbeauftragten eine Steigerung der Petitionen in diesem Bereich auf. Waren es im Jahr 2021 noch 18 Fälle, so erhöhte sich die Zahl in 2022 auf 33 und 2023 auf 46. Dabei ging es oft darum, ob ein Hilfebedarf besteht und welcher Leistungsumfang im Einzelfall nötig ist. Festzustellen sind auch häufig unverhältnismäßig lange Verfahrensdauern, sowohl im Antrags- und erst recht im Widerspruchsverfahren. Immer wieder traten auch Streitigkeiten zur Zuständigkeit zu Lasten der Betroffenen auf. Besonders unverständlich ist dies bei jungen Menschen, bei denen wichtige Zeit für die Entwicklungsförderung verloren geht. 

Wegen der gewachsenen Zahl von Petitionen musste sich der Bürgerbeauftragte häufiger an die Behörden als Träger der Eingliederungshilfe wenden. Zunehmend antworteten die angeschriebenen Stellen aber völlig unzureichend:

  • In einer Petition wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren laufe. Wenn der Bescheid erlassen sei, könne der Antragsteller ja Widerspruch einlegen. Eine Stellungnahme zur Argumentation und aufgeworfenen Fragen des Bürgerbeauftragten erfolgte nicht.
  • In einer anderen Petition war die Antwort, dass schon ein Widerspruchsverfahren anhängig sei. In diesem werde der Anspruch dann erneut geprüft, es könne aber etwas dauern. Eine inhaltliche Stellungnahme, wie sie ausdrücklich erbeten worden war, wurde nicht gegeben.
  • In einem weiteren Fall wurde im Antwortschreiben auf anderthalb Seiten die Stellungnahme des Bürgerbeauftragten fast wörtlich wiedergegeben. Die eigentliche Antwort beschränkte sich auf einen kurzen Absatz mit dem sinngemäßen Inhalt, dass sich das Anliegen zum Glück auf andere Weise erledigt habe. Die rechtlichen Fragen wurden nicht behandelt.

Erst auf energische Nachfragen des Bürgerbeauftragten erfolgten dann, inhaltlich aber auch nicht immer überzeugende, Antworten.

Rückfall mangels Unterstützung

Eingliederungshilfe hat auch den Zweck, das Leben der Betroffenen zu stabilisieren und damit eine Verschlechterung ihrer Situation zu verhindern. Es ist hierbei wichtig, dass verlässlich, ggf. auch langfristig Hilfe erfolgt. Es kann daher sehr problematisch sein, wenn länger gewährte Leistungen plötzlich eingestellt werden, wie der folgende Fall zeigt:

  • Eine Bürgerin leidet unter einem Borderline-Syndrom, sie hat mehrere Suchterkrankungen, Zwangsstörungen, Panikattacken und eine gestörte Emotionsregulierung. Längere Zeit war sie abstinent gewesen, hat aber fortlaufend immer noch hohen „Suchtdruck“. 
    Der Träger der Eingliederungshilfe hatte ihr deswegen zehn Fachleistungsstunden Assistenz je Woche bewilligt. Ohne dass eine Verbesserung oder Fortschritte bescheinigt wurden, wurde die Bewilligung ab August 2022 auf fünf Stunden gekürzt. Ein dagegen eingereichter Widerspruch wurde nicht an die Widerspruchsbehörde weitergeleitet. Die Betroffene wurde in der Folge zeitweise rückfällig; ein Arzt bescheinigte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Dennoch sollten die Fachleistungsstunden im darauffolgenden Bewilligungszeitraum komplett gestrichen werden. 
    Die Bürgerin wandte sich nun an den Bürgerbeauftragten. Dieser konnte erreichen, dass zunächst fünf Fachleistungsstunden weiter gewährt wurden. Er riet der Bürgerin aber dennoch zum Widerspruch, da sie es nur mit den ursprünglich bewilligten zehn Fachleistungsstunden geschafft hatte, nicht rückfällig zu werden. In diesem Sinne wandte sich der Bürgerbeauftragte auch an den Eingliederungshilfeträger. 
    Im Ergebnis wurden der Petentin kurzfristig wieder zehn Fachleistungsstunden bewilligt und ab November 2023 eine moderate Reduzierung auf acht Stunden vorgenommen. Ohne den Einsatz des Bürgerbeauftragten hätte die Petentin ohne jegliche Unterstützung durch Assistenz auskommen müssen. Ihr Gesundheitszustand wäre dann noch mehr beeinträchtigt worden. 
Wohnung barrierefrei? Ein Hürdenlauf

Aufgrund seiner Behinderung und Pflegebedürftigkeit wollte ein Bürger in eine barrierefreie Wohnung des Betreuten Wohnens eines kommunalen Wohnungsunternehmens in die Nähe seines Bruders ziehen. Ein entsprechendes Wohnungsangebot inklusive der Bestätigung des Sozialamtes zur Kostenübernahme lag bereits vor. Das Wohnungsunternehmen zog allerdings seine bereits gegebene Vermietungszusage mit der Begründung zurück, dass das Sozialamt zukünftige Mieterhöhungen nicht tragen werde. Obwohl das Sozialamt erneut bestätigte, auch zukünftige Mieterhöhungen zu berücksichtigen, konnte der Bürger beim Wohnungsunternehmen nichts mehr erreichen. Deswegen schaltete er den Bürgerbeauftragten ein.

Über die Geschäftsführung des kommunalen Wohnungsunternehmens gelang es dem Bürgerbeauftragte innerhalb sehr kurzer Zeit, den Abschluss des Mietvertrages zu vermitteln. Ein Mitarbeiter des Unternehmens hatte übersehen, dass sich die Geschäftsführung kurz zuvor mit der Sozialdezernatsleitung der Kommune generell darüber geeinigt hatte, dass einmal gegebene Zusagen hinsichtlich der Kostenübernahme der Unterkunft auch bei späteren Kostensteigerungen nicht wieder rückgängig gemacht werden.

Gerade in der Situation dieser Menschen ist eine Verlässlichkeit bei Zusagen der öffentlichen Verwaltung wichtig. 

Persönliches Budget: Rechtzeitige Entscheidung nötig

Bei Menschen mit Behinderungen hängt vieles an der rechtzeitigen Bewilligung der existenziell benötigten Leistung. Eine Bürgerin mit Schwerbehinderung wollte nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung an einem neuen Wohnort beginnen. Sie beabsichtigte, dort allein eine Wohnung zu beziehen und benötigte aufgrund ihrer Behinderung eine Assistenz. Das beantragte trägerübergreifende persönliche Budget sollte rechtzeitig einsetzen, damit die junge Frau Assistenzkräfte finden und einarbeiten konnte, bevor die Ausbildung im September begann. 

Der Landkreis sah jedoch keinen Grund zur Eile. Es müssten erst noch Unterlagen eingereicht werden, so eine Bestätigung des Ausbildungsplatzes und ein abgeschlossener Mietvertrag. Die junge Frau sollte also erst rechtsverbindliche Verpflichtungen eingehen, bevor die Bewilligung der Leistung feststand. Außerdem hatte die Ausbildungsstätte den Ausbildungsplatz zwar bestätigt, aber mitgeteilt, dass der Vertrag erst später unterschrieben würde. Da nun die Zeit wegzulaufen drohte – die zuständige Bearbeiterin war mehrere Wochen im Sommerurlaub und andere Mitarbeiter des Landkreises wollten in ihrer Abwesenheit nichts veranlassen – bat die junge Frau den Bürgerbeauftragten Anfang Juli 2023 um Hilfe.

Der Bürgerbeauftragte wandte sich schon am Folgetag an den Landrat und bat um eine sofortige abschließende Entscheidung zum persönlichen Budget. Daraufhin wurde nach der Anforderung weiterer Unterlagen durch eine andere Mitarbeiterin Ende Juli eine Zielvereinbarung abgeschlossen und die Leistung bewilligt.

Einmal mehr: Kraftfahrzeughilfe

Menschen mit Behinderungen können eine sogenannte Kraftfahrzeughilfe beantragen, um zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu kommen oder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Diese Hilfe kann ein Zuschuss zum Kauf eines Autos, zum Erwerb der Fahrerlaubnis oder zur behindertengerechten Ausstattung eines Autos sein. Schon in den letzten Jahresberichten hatte der Bürgerbeauftragte über Petitionen in diesem Zusammenhang berichtet. Ein häufiges Problem war dabei die lange Bearbeitungsdauer. Dies setzte sich auch im Berichtsjahr fort:

  • Ein Bürger stellte im November 2021 einen Antrag auf Kraftfahrzeughilfe auf Ersatzbeschaffung und Umrüstung eines Fahrzeuges. Im Februar 2022 wandte sich der Petent erstmals an den Bürgerbeauftragten, der ihn im Folgenden hierzu laufend beriet. Im August 2022 befürwortete das Gesundheitsamt die Leistung. In der Folge gab es zwei persönliche Gespräche im Sozialamt und ein Schreiben mit vielen Fragen. Ein Integrierter Teilhabeplan (ITP) wurde dabei zur Bedarfsermittlung offenbar nicht erstellt. 
    Nachdem sich der Bürgerbeauftragte an den Landkreis gewandt hatte, fand im Januar 2023 endlich ein Bedarfsermittlungsgespräch statt. Danach stockte es aber erneut, weil noch ein Hausbesuch durch das Gesundheitsamt stattfinden sollte. Nach erneuter Nachfrage des Bürgerbeauftragten fand der Hausbesuch statt. Im August 2023 wurde die begehrte Leistung endlich bewilligt – 21 Monate nach Antragstellung. Der Petent war in diesem Zeitraum in seiner Teilhabe gehindert. 

Für den Bürgerbeauftragten ist es wesentlich, dass solche Anträge umgehend bearbeitet und entschieden werden, da ansonsten die Betroffenen ihre Teilhaberechte nicht wahrnehmen können. 

C. Zusammenarbeit mit anderen Ombudsinstitutionen

In Mecklenburg-Vorpommern können die Bürgerinnen und Bürger wählen, ob sie ihre Petition an den Landtag oder an den Bürgerbeauftragten richten. Der Petitionsausschuss und der Bürgerbeauftragte stehen daher in regelmäßigem Kontakt, um Doppelbearbeitungen zu vermeiden. Werden Petitionen an beide Institutionen gerichtet, erfolgt eine Abstimmung, wer die weitere Bearbeitung übernimmt.

Der Vorsitzende des Petitionsausschusses und der Bürgerbeauftragte erörterten zudem Grundsatzfragen des Petitionsrechts. Der Bürgerbeauftragte hat dem Ausschuss auch kleinere Änderungsvorschläge zum Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz unterbreitet, die der praktischen Arbeit dienen könnten. Der Petitionsausschuss hat den Bürgerbeauftragten – wie in den Vorjahren – zu Anhörungen und Sitzungen hinzugezogen, so zum Beispiel zu Problemen des schlechten Zugangs zu einzelnen Verkehrsbehörden im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Führerscheinumtauschs. 

Im Jahr 2023 führte der Bürgerbeauftragte den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten. Solche gibt es bislang nur in den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Sie trafen sich im April in Schwerin zu ihrer jährlichen Arbeitstagung.

Der Schwerpunkt der Tagung lag auf Beratungen über einen guten Zugang zu den Dienstleistungen der Behörden. Die Bürgerbeauftragten stellten fest, dass sich der Zugang seit der Corona-Pandemie verschlechtert hatte. Anhaltend wurden allgemeine Öffnungszeiten sehr reduziert und der persönliche Zugang zu Bediensteten stärker limitiert. Die Bürgerbeauftragten kritisierten, dass auf der anderen Seite der Online-Zugang zu Dienstleistungen der Behörden nicht entsprechend vorangekommen ist. In einer gemeinsamen Schweriner Erklärung vom 21.04.2023 forderten sie – auch mit Blick auf verschlechterte Nachbesetzungsmöglichkeiten beim Personal – einen umfassenden Lösungsansatz der Politik und eine gesamtstaatliche Kraftanstrengung für durchgreifende Lösungen.

Mittlerweile sind fast alle Bürgerbeauftragten zugleich auch Polizeibeauftragte (Ausnahme: Thüringen). Daher schloss sich ein eigener Tagungsteil mit Polizeithemen und -fragen an, an dem auch die parlamentarisch gewählten Polizeibeauftragten Bremens und Brandenburgs teilnahmen. Im Erfahrungsaustausch unter den Länderbeauftragten und mit dem Innenminister zeigte sich, dass nicht nur die rechtlichen Handlungsgrundlagen, sondern auch die polizeilichen Herausforderungen recht unterschiedlich sind. Aufmerksam wurde dabei die Gesetzesinitiative zur Bestellung eines Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag beobachtet.

Im September weilten Mitglieder der Petitionsausschüsse aus den Landtagen Nordrhein-Westfalens und Sachsen-Anhalts jeweils zu mehrtägigen Arbeitsbesuchen in Schwerin beim Petitionsausschuss und auch beim Bürgerbeauftragten. Der Vorsitzende des Petitionsausschusses von Nordrhein-Westfalen und sein Stellvertreter wiesen im Gespräch mit Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragtem darauf hin, dass für Nordrhein-Westfalen die Auskunftspflicht und die Pflicht der Aktenvorlage durch Behörden auch bei Ausführung von Bundesgesetzen rechtlich durch die Landesverfassung geklärt und durch ein jüngeres Gutachten verdeutlicht ist.

Die sechs sachsen-anhaltischen Landtagsabgeordneten tauschten sich nicht nur mit dem Petitionsausschuss über die Erfahrungen und Arbeitsweisen in den beiden Landtagen aus; sie informierten sich auch in einer eigenen Sitzung mit dem Bürgerbeauftragten über dessen Arbeitsmöglichkeiten und Zusammenarbeit mit dem Landtag wie auch über seine Tätigkeit als Polizeibeauftragter aus. In Sachsen-Anhalt gibt es Überlegungen, ebenfalls einen parlamentarischen Bürger- und Polizeibeauftragten zu wählen.

Fußnoten


1 Eingaben aus der Landespolizei im Zuge der Beauftragung als Polizeibeauftragter.