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Jahresbericht für 2021

27. Bericht des Bürgerbeauftragten für 2021

27. Jahresbericht des Bürgerbeauftragten gemäß § 8 Absatz 7 des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern für das Jahr 2021

Der Jahresbericht ist öffentlich und erscheint als Drucksache des Landtages, aber auch eigenständig als Broschüre mit zusätzlichen Dokumenten.

Inhalt

  1. ÜBERBLICK ZUR ARBEIT IM JAHR 2021
    1. Aufgabenstellung, Zahlen und Fakten
    2. Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
  2. ARBEIT DES BÜRGERBEAUFTRAGTEN, DARGESTELLT NACH AUFGABENGEBIETEN
    1. Inneres, Bau und Digitalisierung; Tätigkeit als Polizeibeauftragter
      1. Inneres, Bau und Digitalisierung
      2. Tätigkeit als Polizeibeauftragter
    2. Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz
    3. Finanzen
    4. Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit
    5. Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt
    6. Bildung und Kindertagesstätten
    7. Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten
    8. Soziales, Gesundheit und Sport
      1. Kinder- und Jugendhilfe
      2. Arbeitsförderung (SGB III)
      3. Beratung und Unterstützung bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB III)
      4. Sozialhilfe
      5. Gesetzliche Sozialversicherungen
      6. Tätigkeit zur Wahrnehmung der Belange von Menschen mit Behinderungen
  3. Zusammenarbeit mit anderen Ombudsinstitutionen

Die Normalzeiten sind vorbei. 2021 war schon das zweite Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie, das zweite Jahr im Zeichen von rechtlichen Eingriffen in gewohnte Freiheiten oder von praktischen Beschränkungen beim Zugang zu behördlichen Dienstleistungen: Politik und Verwaltung sind seit 2020 im Krisenmodus. Das wird sich 2022 nicht ändern. 

Es ist kein Wunder, dass in einem solchen Krisenjahr viele Menschen wieder die Dienste des Bürgerbeauftragten und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anspruch genommen haben. Das geschah in 1.985 Fällen, die zweithöchste Anzahl überhaupt. Über ein Viertel der eingegangenen Vorschläge, Bitten und Beschwerden hatten Corona-Bezug. 

Wieder nahmen Beschwerden über gesetzliche Beschränkungen, die der Bekämpfung der Pandemie dienen sollten, viel Raum ein. Das war anfangs vor allem mit Blick auf Einschränkungen der Freizügigkeit so, später bei den sehr unterschiedlichen Zugangsregelungen in vielen Lebensbereichen. Aufgabe des Bürgerbeauftragten war es, rechtlich schwierige Regelungen kritisch anzusprechen, für rechtlich gut tragfähige aber auch bei Bürgern um Verständnis zu werben.

Im April 2021 ist erstmals das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz von 1995 geändert worden. Seitdem hat der Bürgerbeauftragte nun zugleich als Beauftragter für die Landespolizei die Aufgabe, sich mit Vorgängen aus dem polizeilichen Bereich vor allem dann zu befassen, wenn Polizeibeschäftigte sich mit Beschwerden an ihn wenden. Dazu sind ihm einige geschärfte Instrumente an die Hand gegeben. Zusätzlich wurden allgemein seine Zugangsrechte zu Ausschussberatungen erleichtert und damit die Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Landtag verbessert. 

Insgesamt danke ich den vielen in Politik und Verwaltung, die die Zusammenarbeit mit dem Bürgerbeauftragten suchen und fördern, und die trotz der Erschwernisse ihren öffentlichen Dienst – etwa in der Polizei, den Schulen und den Gesundheitsämtern – mit Hingabe und den Bürgern zugewandt versehen. Sie leisten es mit, dass unser Staat seine Aufgaben auch unter Belastung erfüllen kann und das Gemeinwohl in der Krise keinen Schaden nimmt.

Matthias Crone
Bürgerbeauftragter des Landes
Mecklenburg-Vorpommern 


Schwerin, im März 2022 

Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern regelt in Art. 10 das Petitionsrecht. Danach hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen mit Vorschlägen, Bitten oder Beschwerden an Behörden und an die Volksvertretung zu wenden. Ergänzend dazu ist das Amt des Bürgerbeauftragten in Artikel 36 der Landesverfassung verankert. Das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz (PetBüG) von 1995 gestaltet Artikel 36 aus.

Gemäß § 6 Abs. 1 PetBüG ist es die Aufgabe des Bürgerbeauftragten,

  • die Rechte der Bürger gegenüber der Landesregierung und den Trägern der öffentlichen Verwaltung im Lande zu wahren,
  • die Bürger in sozialen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen sowie
  • insbesondere die Belange von Menschen mit Behinderung wahrzunehmen.

Mit seinem gesetzlichen Auftrag obliegt dem Bürgerbeauftragten nicht nur die Behandlung von Petitionen. Die vorgesehene Beratung und Unterstützung in sozialen Angelegenheiten und die hervorgehobene Wahrnehmung der Belange von Menschen mit Behinderung richten das Amt besonders auf Beratung und Hilfe aus. 

Seit April 2021 nimmt der Bürgerbeauftragte ferner die besondere Aufgabe des Beauftragten für die Landespolizei wahr (s. hierzu B 1. b).

Aufgrund der „Corona-Pandemie“1 haben sich in den letzten beiden Berichtsjahren die Inhalte der Tätigkeit des Bürgerbeauftragten verschoben. Nach wie vor war die Arbeit des Bürgerbeauftragten stark durch soziale und sozialrechtliche Themen bestimmt, ihr Anteil ist aber gesunken. Nachdem in den Jahren bis 2019 sich immer etwa die Hälfte der Eingaben und Anfragen auf diese Themenbereiche bezog, hatte sich ihr Anteil am Gesamtaufkommen der Petitionen bereits im Jahr 2020 leicht auf 45 Prozent verringert. Im zweiten „Corona-Jahr“ sank die Anzahl der Petitionen zu den Sozialgesetzbüchern auf 706. Dies entspricht einem Anteil von rund 36 Prozent. Diese deutliche Verringerung, auch in absoluten Zahlen, ist vermutlich daraus zu erklären, dass wegen der Corona-Pandemie der Bezug von Sozialleistungen erleichtert wurde und die Arbeitsverwaltung auch weniger Sanktionen verhängt hat. Damit verringerten sich die Konfliktpotentiale zwischen den Beteiligten und entsprechend der Beratungs- und Unterstützungsbedarf durch den Bürgerbeauftragten.

Diese verringerte Anzahl von Petitionen in den sozialen Aufgabengebieten wurde jedoch durch eine Steigerung von Eingaben in den anderen Aufgabenfeldern fast ausgeglichen. Von dem Höchststand von Petitionen im Jahr 2020 mit 2.035 Fällen sank die Zahl 2021 nur leicht auf 1.985. Dies ist in der mehr als 25jährigen Geschichte des Bürgerbeauftragten der zweithöchste Wert. Er erklärt sich insbesondere aus einer verstärkten Anzahl von Eingaben mit unmittelbarem oder mittelbarem Bezug zur Pandemie. 533 Petitionen (Vorjahr: 385) hatten Corona-Bezug.

In dieser Gesamtzahl sind lediglich die angelegten Petitionsakten enthalten. Dies sind die Fälle, die eine vertiefte Bearbeitung erforderten, wie z. B. das Einschalten der zuständigen Behörden, Prüfungen der Sach- und Rechtslage oder ausführlichere Auskünfte und Beratungen. Nicht mitgezählt, aber vereinfacht dokumentiert, wurden – wie schon immer – einfachere Anfragen ohne größeren Arbeitsaufwand. Diese Auskünfte und Kurzberatungen beschäftigten aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bürgerbeauftragten auch 2021 stark – verursacht im Wesentlichen durch pandemiebezogene Themen. 

Die Entwicklung des eigentlichen Petitionsaufkommens zeigt der Überblick der letzten Jahre:

diagramm-1

Bei der Verteilung nach Sachthemen zeigten sich – wie im Vorjahr coronabedingt –Verschiebungen in den Schwerpunkten. Deutlich zurück ging die Anzahl der Petitionen sowohl in den klassischen sozialen Themenfeldern als auch bei den Belangen der Menschen mit Behinderung. Sie verringerte sich jeweils um ca. 100 Eingaben im Vergleich zum Vorjahr. Im Bereich Steuern und Abgaben sank sie sogar von 144 auf 74. 

Weiterhin sehr stark vertreten war hingegen der Bereich Ordnungsrecht, Justizangelegenheiten und Liegenschaftsrecht (376, Vorjahr: 389). Dem Ordnungsrecht werden nämlich viele coronabedingte Thematiken zugeordnet, so die Eingriffe in Freiheitsrechte durch die Landesverordnungen. Von den diesem Bereich zugeordneten 183 Petitionen bezogen sich über 85 Prozent (159) auf Anfragen und Beschwerden zu „Corona-Themen“. Im Sachgebiet Gesundheitswesen sind mit 197 Petitionen fast alle Petitionsakten durch die Pandemie verursacht; sie betrafen vor allem Anfragen zu Impfungen, Testmöglichkeiten und Quarantäne.

 

Auch zum Themenbereich Schule, Ausbildung, Kultur, Denkmalschutz gab es eine Steigerung der Petitionszahlen um ca. ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr (135, 2020: 94), der auf coronabedingte Anfragen und Petitionen zu Schulangelegenheiten zurückzuführen ist (59). 

 

 

Übersicht der Verteilung der Petitionen nach Sachthemen

Themen:

 

2021

 

darunter

Corona-Bezug

2020

2019

Sozialgesetzbuch

II, III, V, VI, VII, VIII, XI, XII

458

 

davon:

41

552

 

davon:

542

 

davon:

208

zu SGB II

27

226

zu SGB II

239

zu SGB II

29

zu SGB V

1

54

zu SGB V

55

zu SGB V

93

zu SGB VIII

29

115

zu SGB VIII

91

zu SGB VIII

Besondere soziale Angelegenheiten, Gesundheit

 

290

 

196

 

115

 

149

Belange der Menschen mit Behinderung –insb. Sozialgesetzbuch IX

 

155

 

20

 

247

 

136

Kommunale Angelegenheiten

 

152

 

8

 

141

 

124

Wirtschaft, Arbeit, Fördermittel, Verkehr

 

140

 

17

 

169

 

167

Schule, Ausbildung, Kultur, Denkmalschutz

 

135

 

59

 

94

 

100

Baurecht, Landesplanung

106

1

103

121

Umwelt- und Naturschutz

90

-

81

106

Ordnungsrecht, Justizangelegenheiten, Liegenschaftsrecht

 

 

376

 

 

159

 

 

389

 

 

177

Steuern und Abgaben

74

5

144

127

Eingaben aus der Landespolizei1

 

9

 

-

 

-

 

-

Gesamt

1.985

533

2.035

1.749

 

Gemäß § 1 PetBüG können Eingaben an den Bürgerbeauftragten auch mündlich vorgetragen werden. Wieder wurde ein erheblicher Anteil der Anliegen persönlich oder telefonisch geschildert, nämlich in 924 Fällen. Das ist allerdings deutlich weniger als im Vorjahr (1.127). Dies ist darin begründet, dass die Anzahl der persönlich bei Sprechtagen oder in der Dienststelle des Bürgerbeauftragten vorgetragenen Petitionen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen bei den persönlichen Kontakten weiter von 333 auf 200 sank. Auch die Zahl der telefonisch vorgetragenen Eingaben reduzierte sich von 794 im Vorjahr auf 724. 

Im Gegenzug verlagerte sich die Kommunikation stärker auf das Schriftliche, insbesondere auf elektronische Medien. Während die Zahl der Petitionen per Brief mit 186 gleich blieb, wurde der elektronische Weg über E-Mail, Kontaktformular der Webseite und vereinzelt Telefax in 873 Fällen (Vorjahr: 678) genutzt. Zwei Petitionsverfahren wurden durch den Bürgerbeauftragten von Amts wegen eingeleitet.

 

Ziel der Arbeit des Bürgerbeauftragten ist es, die Bürger möglichst schnell zu beraten und ihre Anliegen, soweit notwendig, zügig an die zuständigen Behörden heranzutragen. Wie im Vorjahr war gerade in den coronabezogenen Anfragen aufgrund der häufigen Änderungen der einschlägigen Bestimmungen oftmals eine umgehende Bearbeitung notwendig. Allerdings gibt es natürlich auch Petitionen, bei denen der Abschluss wegen umfangreicherer Recherchen, ausstehender Stellungnahmen der Verwaltung oder schwierig erreichbarer Lösungen eine Reihe von Monaten oder sogar mehrere Jahre dauern kann. 

Von den 1.985 Petitionen, die 2021 an den Bürgerbeauftragten gerichtet wurden, waren bis zum 15.03.2022 bereits 1.654 abgeschlossen. In ca. 17 Prozent dieser Erledigungen wurde dem Anliegen voll oder teilweise entsprochen. Der große Beratungsbedarf spiegelt sich ebenfalls in der Statistik wider, denn bei 62 Prozent der erledigten Petitionen konnte den Bürgern durch Auskunft und Beratung geholfen werden. 

 

Erledigungsart

Anzahl

Dem Anliegen wurde entsprochen

211

Dem Anliegen wurde teilweise entsprochen

77

Dem Anliegen wurde nicht entsprochen

143

Auskunft wurde erteilt

531

Beratung wurde erteilt

499

Abgabe an den Petitionsausschuss des Bundestages

3

Abgabe an den Petitionsausschuss des Landtages

4

Abgabe an sonstige Dienststellen

24

Anregung zur Bundesgesetzgebung übermittelt

1

Anregung zur Landesgesetzgebung übermittelt

6

Zurückgezogen

37

Gemäß § 2 PetBüG nicht behandelt

34

Erledigung in sonstiger Art und Weise

(z. B. anderweitige Klärung oder Parallelpetition)

 

84

Gesamtzahl der erledigten Petitionen aus dem Jahr 2021

1.654

 

Der Bürgerbeauftragte eröffnet mit den Sprechtagen im ganzen Land ein Angebot an die Bürger, ihn vor Ort sprechen zu können. Dabei werden nicht nur neue Anliegen aufgenommen, sondern mit Petenten auch der Fortgang in laufenden Verfahren beraten. Solche Sprechtage werden in gut erreichbaren öffentlichen Räumen durchgeführt, zumeist in Kommunalverwaltungen. Die Verwaltungen vor Ort unterstützen so und durch die Bekanntmachungen der Sprechtage die Arbeit des Bürgerbeauftragten. Der Bürgerbeauftragte nutzt solche Termine in der Regel auch dazu, Probleme und Anliegen mit den örtlichen Verwaltungsspitzen zu beraten und Lösungen zu finden sowie Ortstermine durchzuführen. 

Im zweiten „Corona-Jahr“ gestaltete sich die Durchführung von Sprechtagen vor Ort allerdings durch die coronabedingten rechtlichen wie praktischen Einschränkungen noch schwieriger als im Vorjahr. 18 von 43 geplanten Sprechtagen mussten ersatzweise telefonisch durchgeführt werden (in der folgenden Tabelle mit „T“ markiert). Vier Sprechtage in Parchim, Ribnitz-Damgarten, Bad Doberan und Malchow mussten in Zeiten besonders hoher Inzidenz gänzlich entfallen, da keine Anmeldungen vorlagen – ein Zeichen dafür, dass die Bürger persönliche Kontakte vermeiden wollten. Ein Sprechtag wurde von der Fachreferentin für Fragen des SGB II wahrgenommen. 

 

Datum

Ort

Datum

Ort

20.01.2021

Stralsund (T)

16.07.2021

Parchim

28.01.2021

Neubrandenburg (T)

22.07.2021

Anklam

04.02.2021

Wismar (T)

04.08.2021

Hagenow (SGB II)

10.02.2021

Pasewalk (T)

10.08.2021

Grimmen

18.02.2021

Waren (T)

19.08.2021

Waren

24.02.2021

Demmin (T)

25.08.2021

Demmin

05.03.2021

Grevesmühlen (T)

02.09.2021

Pasewalk

11.03.2021

Güstrow (T)

09.09.2021

Güstrow

17.03.2021

Bergen

15.09.2021

Bergen

24.03.2021

Rostock

23.09.2021

Wolgast (T)

20.04.2021

Wolgast (T)

07.10.2021

Ribnitz-Damgarten (T)

06.05.2021

Schwerin (T)

20.10.2021

Greifswald

11.05.2021

Greifswald (T)

28.10.2021

Bad Doberan

18.05.2021

Ludwigslust (T)

02.11.2021

Ludwigslust

27.05.2021

Neustrelitz (T)

09.11.2021

Anklam

02.06.2021

Stralsund

18.11.2021

Neustrelitz (T)

17.06.2021

Neubrandenburg

23.11.2021

Friedland

24.06.2021

Rostock

09.12.2021

Rostock (T)

30.06.2021

Ueckermünde

14.12.2021

Schwerin (T)

08.07.2021

Wismar

 

 

 

 


 1. Die korrekte Bezeichnung des Virus lautet „SARS-CoV-2“. In diesem Bericht wird der allgemein übliche Begriff „Corona“ genutzt.

 2. Eingaben aus der Landespolizei im Zuge der neuen Beauftragung als Polizeibeauftragter.

 

Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Bürgerbeauftragten dient dazu, die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern über das Amt und die Arbeit des Bürgerbeauftragten zu informieren. Der Bürgerbeauftragte meldet sich dann zu Wort, wenn ihn wichtige Anliegen erreichen, um die Öffentlichkeit, aber auch Politik und Verwaltung auf diese Probleme aufmerksam zu machen. Dabei setzt er einen Schwerpunkt auf die Belange von Menschen mit Behinderung.

Zuerst bedient sich der Bürgerbeauftragte hierbei der Instrumente einer klassischen Medienarbeit wie Pressemeldungen oder das Beantworten von Presseanfragen. Auch auf der Homepage des Bürgerbeauftragten werden aktuelle Informationen veröffentlicht. Der Bürgerbeauftragte hat ferner im neuen Livestream-Format des NDR mitgewirkt. Ganz aktuell ist er aber auch in einem Social-Media-Kanal zu finden. Oft steht der Bürgerbeauftragte nach einem Sprechtag der örtlichen Presse für Fragen zur Verfügung.

Inhaltlich war auch die Medienarbeit 2021 stark vom Thema „Corona“ geprägt. So hat sich der Bürgerbeauftragte unter anderem für eine Vereinfachung der Corona-Regelungen, für mögliche Wiedereröffnungen von Verwaltungen und für eine Normalisierung im Schulbetrieb ausgesprochen. Er hat die Bevölkerung zum Impfen aufgefordert und davor gewarnt, dass die Pandemie nicht zu Rückschritten in der Behindertenpolitik führen darf. 

Der Bürgerbeauftragte hat über Veranstaltungen informiert, an denen er teilgenommen hat, wie über den „Tag der Menschen mit Behinderung“ sowie die Treffen mit anderen Beauftragten von Bund und Ländern. 

Der Bürgerbeauftragte veranstaltete im Juni zusammen mit dem Landeselternrat und Landesschülerrat eine Tagung „Schule (in) der Demokratie – die Verwirklichung von Rechten und Teilhabe in der Schule“ (vgl. 6.). Über die Ergebnisse berichtete er öffentlich.

 

Die Reihenfolge der weiteren Darstellung entspricht der Reihung der Parlamentsausschüsse. 

Zu den Sachgebieten des Innenministeriums gehen seit jeher viele Petitionen ein. Eine Vielzahl von Anfragen und Beschwerden fällt dabei in den eigenen Wirkungskreis der Kommunen. Hinzu kommen typische Betätigungsfelder der Innenpolitik wie beispielsweise Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder des Ausländerrechts. Häufiger angesprochen wurden auch ordnungsrechtliche Angelegenheiten mit Corona-Bezug. Die Zahl der Petitionen im bisherigen Bereich des Innenministeriums lag mit 416 weiter auf einem hohen Niveau (Vorjahr: 406). Durch den Neuzuschnitt der Landesregierung kamen noch die Petitionen aus den Bereichen Bau (100, Vorjahr: 84) und Digitalisierung (21, Vorjahr: 20) hinzu. 

Die Petitionen mit kommunalem Hintergrund sprachen sehr unterschiedliche Themen an. Die kommunale Infrastruktur, also z. B. den Unterhalt von Straßen oder Leitungen, hatten 78 Eingaben zum Gegenstand. Häufig bezogen sich die Petitionen auch auf die Vermietung und Verpachtung von kommunalen Grundstücken (44) und die kommunalen Abgaben (43). Fragen der Kommunalverfassung wurden 26 Mal an den Bürgerbeauftragten herangetragen; oft ging es hierbei um gewünschte Bürgerbeteiligung. 

Seit jeher hat der Bürgerbeauftragte schon Anfragen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern zu Einsätzen der Landespolizei bearbeitet. 2021 geschah dies in 22 Fällen. Seit April 2021 nimmt der Bürgerbeauftragte auch die besondere Aufgabe des Beauftragten für die Landespolizei wahr (s. B 1. b).

Zu den Themen Bauen und Bauleitplanung gingen im Berichtszeitraum 16 Petitionen mehr als im Vorjahr ein. Wie in jedem Jahr lagen die Schwerpunkte der baurechtlichen Petitionen bei der Erteilung und Versagung von Baugenehmigungen, den bauordnungsrechtlichen Verfahren sowie in der Beeinträchtigung nachbarlicher Belange. 16 Petitionen bezogen sich auf die Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen. 

Einige Petitionen richteten sich gegen den Bau von 5G-Mobilfunkmasten. Die Probleme bezogen sich hier vor allem auf die ausgewählten Standorte, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Wohnbebauung befinden. Befürchtet wurden hierdurch vor allem eigene Gesundheitsbeeinträchtigungen oder die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Gemeinde. In anderen Fällen sollten neue Mobilfunkmasten in unmittelbarer Nähe zu einem bereits vorhandenen Mast errichtet werden. Hier stellte sich die Frage nach der Mitnutzung des bereits vorhandenen Mastes. Eine Vereinbarung über den Informationsaustausch und die Beteiligung der Kommunen beim Ausbau der Mobilfunknetze zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und den Mobilfunkunternehmen besagt vor allem, dass Mehrfachnutzungen bestehender Standorte angestrebt werden sollen.

Der Bürgerbeauftragte holte zu diesem Thema eine Stellungnahme des damals zuständigen Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung ein. Das Ministerium erklärte, dass „die Außenwirkung von zwei, wenn auch rechtlich zulässigen, innerhalb eines relativ nahen Abstands errichteten Funkmasten als nicht ideal“ eingeschätzt werde. Im Ergebnis komme es aber immer auf den Einzelfall und die jeweiligen bestehenden Vertragsverhältnisse an. In den beim Bürgerbeauftragten vorgetragenen Fällen erfolgte einmal ein inzwischen rechtskräftiger Ablehnungsbescheid; einmal wurde eine Baugenehmigung erteilt, die nun gerichtlich angegriffen wird.

Der Breitbandausbau war ebenfalls erneut Thema einer Reihe von Petitionen. In der Regel ging es den Bürgern hierbei um den eigenen Hausanschluss, der auf sich warten ließ (s. unten).

Auch Wohnungslose wollen wählen

Kurz vor den Wahlen zum Bundestag und zum Landtag wandte sich ein Bürger ohne festen Wohnsitz an den Bürgerbeauftragten. Er lebte schon seit einiger Zeit in einer größeren Stadt in einer Gartenlaube. Sein Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis war zunächst abgelehnt worden, weil er ihn erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist gestellt hatte. Durch weiteren Kontakt mit der Stadt wurde dem Antrag schließlich doch stattgegeben: Die Stadt sah die Versäumung der Antragsfrist aufgrund der Umstände des Einzelfalls als unverschuldet an. Eine Eintragung in das Wählerverzeichnis war zwar nicht mehr möglich. Die Stadt erteilte aber einen Wahlschein, womit der Petent an den Wahlen teilnehmen konnte. Damit war der Einzelfall gelöst. 

Vergleichbare Probleme können aber immer wieder auftreten. Auch Bürgerinnen und Bürger ohne festen Wohnsitz haben zwar das Recht, sich an Wahlen zu beteiligen. Da die Wahlbehörde sie aber nicht wie solche mit festem Wohnsitz per Brief über eine bevorstehende Wahl benachrichtigen kann, müssen sie einen Antrag stellen, um an der Wahl teilnehmen zu können. Bei einer näher bestimmten Mindestaufenthaltsdauer in der jeweiligen Gemeinde erfolgt dann eine Eintragung in das Wählerverzeichnis. Für diese Antragstellung geben die jeweiligen Wahlordnungen Fristen vor. Zwar müssen diese Fristen amtlich bekannt gemacht werden. Menschen ohne festen Wohnsitz haben aber nicht ohne weiteres die Möglichkeit, auf amtliche Veröffentlichungen zuzugreifen, wie Texte im Internet oder in eigenen Mitteilungsblättern der Kommunen, in Zeitungen oder Anzeigenblättern.

Damit Menschen ohne festen Wohnsitz künftig generell über die erforderliche rechtzeitige Antragstellung besser informiert werden, hat sich der Bürgerbeauftragte an die Landkreise, kreisfreien Städte und großen kreisangehörigen Städte gewandt. Er schlug vor, über die Voraussetzungen und Fristen für eine Eintragung in das Wählerverzeichnis auch auf anderen Wegen als nur durch amtliche Bekanntmachung zu informieren. Die Wahlbehörden könnten etwa an Einrichtungen herantreten, die üblicherweise in Kontakt zu wohnungslos Wahlberechtigten kommen. Zu denken wäre etwa an gemeinnützige Träger der Wohnungslosenhilfe oder private Initiativen (Obdachlosenunterkünfte, Tafeln). Aber auch die Sozialämter könnten Hinweise und Erklärungen aushängen. Mit einem geringen Mehraufwand wäre mehr Bürgern die Teilnahme an Wahlen ermöglicht.

Die Reaktionen der angeschriebenen Kommunen auf die Vorschläge des Bürgerbeauftragten fielen ganz überwiegend sehr positiv aus. Ein Landkreis erkundigte sich sogar eigens bei den örtlichen Wahlbehörden nach deren Einschätzung. Die Mehrheit der Städte und Landkreise will bei den nächsten Wahlen entsprechende Anstrengungen unternehmen. Überlegt werden:
    • eine stärkere Zusammenarbeit mit den gemeinnützigen Trägern der Wohnungslosenhilfe oder privaten Initiativen (Tafeln, sonstige Sozialeinrichtungen),
    • leicht verständliche Informationen zu den Fristen und zum Verfahren zur Nutzung des Wahlrechts und deren gezielte Verteilung an Treffpunkte und Anlaufstellen für Obdachlose, 
    • Erarbeiten eines Musterantrags für die Aufnahme ins Wählerverzeichnis mit genauen Fristen und Ortsangaben für die Einreichung,
    • Angebote, den Antrag zusammen mit dem zuständigen Mitarbeiter der Stadt vor Ort gemeinsam auszufüllen,
    • Auslegen von Informationsschreiben und Flyern an den entsprechenden Stellen,
    • ein gesonderter Aushang im Fachdienst Soziales, weil hier von den Betroffenen möglicherweise Leistungen bezogen werden,
    • Einwirken der Kreiswahlbehörden auf die gemeindlichen Wahlbehörden.

Anderseits gab es auch deutlich abwehrende Stellungnahmen. So teilte etwa eine große Stadt mit, dass die Erfüllung der Pflichtaufgaben im Vordergrund stünden und es keinen Anspruch „auf Auskunft über die Wahlbekanntmachung hinaus“ gebe. Schließlich gebe es bei den Parteien durchaus noch „ungenutzte Reserven“. Eine andere Stadt informierte, dass es die Wahlbehörde aus organisatorischen Gründen nicht leisten könne, an die Einrichtungen heranzutreten, welche üblicherweise in Kontakt mit wohnungslosen Wählern kommen. 

Der Bürgerbeauftragte wird nach einer Gesamtauswertung aller Stellungnahmen den noch zurückhaltenden Kommunen die Übernahme der guten Beispiele empfehlen.

 

Aufenthaltserlaubnis: Ausnahmen sind möglich

Das Ausländerrecht regelt recht streng die Voraussetzungen, unter denen einem Ausländer in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Es gibt aber für die Ausländerbehörden die Möglichkeit, in begründeten Ausnahmefällen von diesen Regelungen zu Gunsten des Antragstellers nach pflichtgemäßem Ermessen abzuweichen. Die Praxis zeigt jedoch, dass in den Ausländerbehörden von der Ermessensausübung nicht immer ausreichend Gebrauch gemacht wird. Dies verdeutlichen die folgenden beiden Fälle aus dem Berichtsjahr:

  • Eine osteuropäische Bürgerin sollte nach dem Wunsch des Jugendamtes die Pflegschaft für ihre in Deutschland befindlichen kleinen Enkel übernehmen; die Eltern waren nicht in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern. Hierzu gab die Großmutter ihre Arbeit und den Wohnsitz im Ausland auf und reiste in die Bundesrepublik ein. Die Ausländerbehörde desselben Landkreises wollte jedoch keine Aufenthaltserlaubnis ausstellen, obwohl diese für den Krankenversicherungsschutz und den Bezug von Sozialleistungen sinnvoll war. Zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten hatte sich der Bürgerbeauftragte schon frühzeitig an den Landrat gewandt und um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Petentin gebeten. In Ausnahmefällen kann nämlich eine Aufenthaltserlaubnis auch ohne Vorliegen aller Voraussetzungen – hier konkret die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes – erteilt werden. Er hatte hierbei darauf verwiesen, dass der Aufenthalt der Petentin gerade auch auf Wunsch des Jugendamtes erfolgte. Der Landkreis lehnte dies jedoch zunächst ab. Er war der Auffassung, dass es der Petentin möglich und zumutbar sei, die deutsche Sprache zu lernen und sich um eine Arbeit zu bemühen. Die Petentin sah das zu diesem Zeitpunkt als aussichtslos an. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse, der Notwendigkeit der Sorge um die kleinen Kinder und der Corona-Pandemie sah sie keine Möglichkeit, zeitnah einen Sprachkurs zu besuchen und eine Arbeit zu finden.  
     
    Erst nach einem erneuten Schreiben des Bürgerbeauftragten war der Landkreis dann doch bereit, „zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte“ für die Petentin eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.  
     
    Für den Bürgerbeauftragten ist es unverständlich, dass das Jugendamt eines Landkreises ausdrücklich den Aufenthalt einer ausländischen Bürgerin für das Kindeswohl veranlasst hat und die Ausländerbehörde desselben Landkreises erst nach erheblichem Drängen bereit ist, in einer Ermessensentscheidung auch einen sicheren ausländerrechtlichen Status zu ermöglichen. 

 

  • Ein anderer Fall betraf die geplante Eheschließung eines als Flüchtling anerkannten ausländischen Mitbürgers mit seiner noch im Herkunftsland befindlichen Verlobten. Der Ausländer hatte sich alle Voraussetzungen für den Nachzug der Verlobten erarbeitet. Er hatte sich auch die Ehefähigkeit durch das Oberlandesgericht bescheinigen lassen. Diese Bescheinigung galt jedoch nur für einen bestimmten Zeitraum, in dem die Eheschließung erfolgen musste.  
     
    Allerdings stellte sich bei der Beantragung des Visums die hierbei beteiligte Ausländerbehörde, unterstützt vom Innenministerium des Landes, quer. Sie bezog sich darauf, dass grundsätzlich nach § 30 des Aufenthaltsgesetzes der Nachzug nur für ausländische Ehegatten, nicht aber für Verlobte möglich sei. Es sei dem Ausländer ja möglich, die Ehe mittels der im Herkunftsland gebräuchlichen „Stellvertreterehe“ einzugehen. Bei dieser Form der Heirat wird der abwesende Ehegatte von einer anderen Person vertreten. Der Ausländer verwies vergeblich darauf, dass diese Form der Eheschließung in seiner Kirche nicht möglich sei. Dem wollten die Ausländerbehörde und das Ministerium jedoch keinen Glauben schenken. 
      
    Der inzwischen eingeschaltete Bürgerbeauftragte legte den Behörden dar, dass die Visaerteilung im Rahmen einer Ermessensentscheidung auch für die Einreise einer Verlobten zum Zwecke der Eheschließung möglich sei. Der Petent hatte inzwischen auch eine schriftliche Bestätigung seiner Kirche beigebracht, die das Verbot der Stellvertreterehe belegte.  
     
    Das Ministerium erklärte hierauf, dass dem Petenten und seiner Verlobten ja auch eine zivilrechtliche Ehe möglich sei, wenn die Stellvertreterehe in der Kirche nicht möglich sei. Den Hinweis des Bürgerbeauftragten, dass es im Herkunftsland des Petenten gar keine zivilrechtlichen, sondern nur religiöse Eheschließungen gebe, wollte das Ministerium nicht abschließend bewerten und erkundigte sich nun bei der deutschen Botschaft nach den genauen Regelungen im Herkunftsland. Aufgrund dieser Verzögerungen rückte das Ende des Zeitraums für die Eheschließung immer näher. Erst am letzten Tag des vorgesehenen Zeitraums war die Einreise und dann auch die Heirat möglich. 
     
    Durch mangelndes Verständnis und unzureichende Recherchen zum Eherecht des Herkunftslandes wurde völlig unnötig der Nachzug zur Eheschließung behindert. Dies ist umso ärgerlicher, als es im Rahmen einer Ermessensentscheidung durchaus möglich und üblich ist, auch Visa für Verlobte zur Eheschließung in Deutschland zu erteilen. Der Bürgerbeauftragte hält es für notwendig, dass die Ausländerbehörden ihr Ermessen sachgerecht und mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Ehe und Familie ausüben. 

 

Abwasser: Die ungleiche Grundgebühr (Fortsetzung aus 2020)

Im Bericht für das Jahr 2020 hatte der Bürgerbeauftragte über Beschwerden zu einem Abwasserzweckverband berichtet. Kritisiert worden war insbesondere die starke Erhöhung von Grundgebühren, die weit über den Verbrauchsgebühren lagen. Zudem betrug die Grundgebühr bei Grundstücken, denen ein Trinkwasseranschluss zuzuordnen ist (z. B. einfache Gartengrundstücke), mit 500 EUR zehnmal so viel wie bei denen, denen kein eigener Anschluss zugeordnet werden kann (z. B. Kleingartenanlagen). 

Auch im Jahr 2021 gingen weitere Petitionen hierzu ein. So beklagte sich ein Bürger darüber, dass die neue Gebührensatzung keine Möglichkeit mehr vorsah, über einen Gartenwasserzähler das auf dem Grundstück selbst versickernde Wasser zu erfassen. Für den Petenten war dies deswegen wichtig, weil er auf seinem unbebauten Grundstück Wasser nur zur Pflanzenbewässerung verbrauchte. Aufgrund der hohen Grundgebühr wurde der Petent, obwohl kein Abwasser anfiel, bereits mit 500 EUR belastet. 

Der Bürgerbeauftragte hatte gegenüber dem Zweckverband bereits im Vorjahr die seines Erachtens eindeutig rechtswidrigen Satzungsregelungen kritisiert und nach dem Landkreis auch den Innenminister als oberste Rechtsaufsicht eingeschaltet. Zweckverband, Landkreis und Minister verteidigten jedoch die Gebührengestaltung. Das Ministerium hielt die Satzung für rechtmäßig; die Unterscheidung der beiden Grundgebühren sei „vom satzungsgeberischen Ermessen gedeckt“. Auch die daraufhin vom Bürgerbeauftragten gemäß § 7 Abs. 6 PetBüG erteilte förmliche Empfehlung an den Zweckverband, die Satzung zu ändern und darin keine Grundgebühr und als Gebührenmaßstab nur die tatsächlich abgefahrene Menge festzulegen, fruchtete nicht. 

Auch im Berichtsjahr bemühte sich der Bürgerbeauftragte beim Zweckverband um eine Änderung der Satzung. Der Zweckverband wollte nun jedoch eine anstehende Gerichtsentscheidung im Eilverfahren eines Bürgers gegen die Satzung abwarten. 

Der Gerichtsbeschluss stellte dann tatsächlich die Rechtswidrigkeit der Satzung fest. Neben den schon vom Bürgerbeauftragten kritisierten Unterschieden bei der Grundgebühr, die auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts gegen den Gleichheitssatz verstieß, wurden weitere Mängel der Satzung festgestellt. Das Gericht beanstandete zusätzlich, dass die Grundgebühren methodisch fehlerhaft kalkuliert waren, da bei der Berechnung nicht zwischen verschiedenen Kostenarten unterschieden worden war. Ferner, so das Gericht, sei die Mengengebühr ungerechtfertigt nach unterschiedlichen Gebührenmaßstäben bestimmt worden. Es könne bei bestimmten Leistungsarten keinen Unterschied machen, ob dem Grundstück ein Trinkwasseranschluss zugeordnet werde oder nicht. Abschließend kritisierte das Gericht, dass der Kreis der Abgabenschuldner fehlerhaft bestimmt worden war, da diese Regelung von den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes abwich (Verwaltungsgericht Greifswald, Beschluss vom 29.04.2021, 3 B 476/21 HGW).  

Daraufhin änderte der Verband die Satzung und folgte so letztlich auch der förmlichen Empfehlung des Bürgerbeauftragten aus dem Vorjahr. 

Für den Bürgerbeauftragten ist es unverständlich, warum sowohl die untere als auch die oberste Rechtsaufsichtsbehörde solch offenkundige Fehler trotz umfangreichen Vortrages des Bürgerbeauftragten nicht erkennen wollten. Für den Bürgerbeauftragten ist es wichtig, dass die Aufsichtsbehörden des Landes ihren Aufgaben vollumfänglich nachkommen. Er erwartet, dass seine Argumente genauer geprüft und die Bürger nicht einfach auf den Klageweg verwiesen werden. 

 

Wenn das Amt nicht erreichbar ist

Die Corona-Pandemie führte in weiten Teilen der öffentlichen Verwaltung zu erheblichen Einschränkungen für persönliche Vorsprachen der Bürger in den Dienststellen. Behörden durften teils gar nicht mehr oder nur mit Terminvereinbarung in dringend notwendigen Fällen aufgesucht werden. Diese zeitweise durchaus nachvollziehbaren Regelungen wurden aber mit dem Nachlassen des Pandemiegeschehens ab dem späten Frühjahr verstärkt von Bürgern kritisiert. Für sie war es nicht verständlich, warum bei den im Sommer geringen Inzidenzen eine normale Vorsprache ohne Terminvereinbarung nicht möglich war. Der Bürgerbeauftragte wandte sich hierzu an die in den Petitionen angesprochenen Behörden und drängte auf eine bessere Erreichbarkeit. Letztlich sah er sich im Juni veranlasst, öffentlich für eine Öffnung der Behörden für den Bürgerverkehr zu werben. Vor den Bundestagswahlen und Landtagswahlen im Herbst führte diese Praxis der Abschottung dazu, dass auch über die Wahlbehörden Beschwerden von Bürgern eingingen. 

Bürger beklagten sich teils darüber, dass Behörden nur noch mit Termin besucht werden dürften, ein solcher Termin aber gar nicht oder nur schwer erhältlich war. Dies ist insbesondere dann ärgerlich, wenn gesetzlich Verpflichtungen zu erfüllen sind, wie z. B. Ausweise zu beantragen. Insgesamt zeigt sich inzwischen der Trend, dass Behörden verstärkt auf Terminbuchungen im Internet oder über Telefon bestehen. Dies kann jedoch aus unterschiedlichen Gründen schwierig sein, wie die folgenden Fälle zeigen:

  • So beklagte sich eine Frau für ihre sehr betagten Eltern beim Bürgerbeauftragten. Diese waren von ihrer Stadt aufgefordert worden, einen neuen Personalausweis zu beantragen. Ein Termin könne hierzu online vereinbart werden. Die Eltern hatten jedoch keinen Internetzugang. Sie bemühten sich daher telefonisch um einen Termin, konnten jedoch trotz vielfacher Versuche niemanden erreichen.  
     
    Der vom Bürgerbeauftragten angefragte Oberbürgermeister verwies darauf, dass tatsächlich zur Terminabstimmung vorrangig das Internet genutzt werden solle. „Aus Kapazitätsgründen“ sei während der Sprechzeiten eine telefonische Erreichbarkeit nicht zu gewährleisten. Diese Antwort stellte den Bürgerbeauftragten nicht zufrieden. Er bat den Oberbürgermeister die telefonische Erreichbarkeit sowohl während als auch außerhalb der Sprechzeiten sicherzustellen. Der Oberbürgermeister antwortete darauf, dass man „die Prozesse optimieren“ und „an der telefonischen Erreichbarkeit arbeiten“ werde.  
     
    Zum Ende des Berichtszeitraums beklagten sich aber Bürger derselben Stadt, dass es unmöglich sei, Termine zum gesetzlich vorgeschriebenen Umtausch des Führerscheins zu erhalten. Diese könnten nur über das Internet gebucht werden. Trotz vieler Versuche waren aber keine Termine buchbar. Auf der Webseite der Führerscheinstelle hieß es zudem, dass telefonische Terminanfragen nicht bearbeitet würden. 
     
    Der Bürgerbeauftragte wandte sich daher erneut an die Stadt und drängte auf Lösungen für alle Bürger. Die Stadt erwiderte, dass inzwischen Termine über das Internet tatsächlich buchbar seien (allerdings war der nächste freie Termin im Herbst 2022) und auch telefonisch Termine reserviert werden könnten. Letztlich stellte die Stadt auf ein vollständig schriftliches Verfahren um.

 

  • Auch in anderen Regionen wurde die Erreichbarkeit von Führerscheinstellen kritisiert. Hier besteht ein erhöhter Terminbedarf, da viele Bürger gesetzlich verpflichtet sind, bis Anfang 2022 ihre alten Führerscheine in neue umzutauschen. Offenbar überfordert dies jedoch viele Führerscheinstellen.  
     
    So berichtete ein Bürger eines Landkreises, dass er seit Monaten vergeblich versuche, über das Internet einen Termin für diesen Umtausch zu erhalten. Angeblich würden hierzu jede Woche Termine „freigeschaltet“, die jedoch, wann immer er es auch versuche, nicht zu sehen seien. Telefonisch sei die Führerscheinstelle nicht erreichbar bzw. verweise bei E-Mail-Anfragen auf die Online-Terminverein-barung. Auf Bitte des Bürgerbeauftragten erhielt der Bürger dann bei einer weiteren telefonischen Nachfrage doch einen Termin. In der Folgezeit verbesserten sich dann tatsächlich die Buchungsmöglichkeiten.

 

Für den Bürgerbeauftragten ist es wichtig, dass – auch unter den Bedingungen der Pandemie – alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, in der Behörde vorzusprechen. Ist eine Terminvereinbarung hierzu wirklich notwendig, so darf diese nicht allein über das Internet erfolgen. Dazu sind zu viele Personen im Land, gerade auch ältere oder solche mit Behinderung, nicht in der Lage. Bei allen Behörden muss zudem organisatorisch sichergestellt sein, dass sie zu den üblichen Zeiten durch die Bürger telefonisch erreicht werden und auch ohne Terminvereinbarung aufgesucht werden können.

 

Breitbandausbau mit Lücken (Fortsetzung aus 2020)

Nach wie vor erreichen den Bürgerbeauftragten Anfragen zur Durchführung des Breitbandausbaus. Wie bereits im Vorjahresbericht aufgezeigt, gibt es zum Teil einzelne Haushalte, aber auch Ortsteile, die trotz Ankündigung einer flächendeckenden Versorgung nicht berücksichtigt werden. Dies kann unterschiedlichste Gründe haben, wie fehlerhafte Erfassung von Grundstücken oder von Unternehmen zugesagte, aber noch nicht durchgeführte eigenwirtschaftliche Erschließungen. Besonders unverständlich ist für Petenten, wenn das eigene Hausgrundstück im Gegensatz zu benachbarten keinen Anschluss erhält. Manchmal findet sich hier aber auch eine einfache Lösung: 

  • So berichtete ein Petent, dass seine Adresse beim Breitbandausbau nicht berücksichtigt worden sei, jedoch eine in der Nachbarschaft befindliche unbewohnte Liegenschaft, die mit einem Garagenkomplex bebaut sei. Dabei müsse es sich aus Sicht des Petenten um ein Versehen handeln. 
     
    Der Bürgerbeauftragte wandte sich daraufhin an den Landkreis, dessen Aufgabe es ist, den Breitbandausbau zu koordinieren. Dieser teilte mit, dass das Bundesförderprogramm der Erschließung unterversorgter Adressen (Datenrate < 30 Mbit/s) diene, die von Telekommunikationsunternehmen nicht eigenwirtschaftlich erschlossen würden. Die Adresse des Petenten sei nicht in das Förderprogramm aufgenommen worden, da nach dem Markterkundungsverfahren ein bestimmter Anbieter den eigenwirtschaftlichen Ausbau angezeigt und zwischenzeitlich auch vollzogen habe. Zu dem Grundstück des Petenten führe bereits ein Koaxialkabelanschluss dieses Anbieters, der eine Datenrate von bis zu 500 Mbit/s ermögliche. Damit sei eine ausreichende Versorgung sichergestellt. Dem Petenten war bis dahin diese Möglichkeit nicht bekannt gewesen. Nach dieser Auskunft schloss er mit diesem Anbieter einen Vertrag ab. 

 

Hinterfragt wurde auch die Zulässigkeit von Angeboten der mit dem Ausbau beauftragten Unternehmen, wonach der Anschluss nur dann kostenlos erfolgt, wenn gleichzeitig ein Vertrag für Telekommunikations-Dienstleistungen abgeschlossen wird:

  • So beschwerte sich ein Bürger, in dessen Gemeinde ein regionaler Anbieter mit dem Breitbandausbau beauftragt worden war. Der Anbieter hatte einen kostenlosen Anschluss davon abhängig gemacht, dass mit ihm ein Internet- und Telefonvertrag mit mindestens 24 Monaten Laufzeit geschlossen werde. Ansonsten koste der Anschluss 599 EUR.  
     
    Das vom Bürgerbeauftragten befragte Ministerium hatte zunächst erklärt, dass solche Kopplungsgeschäfte zulässig seien. Denn bei der Förderung entstehe eine „Wirtschaftlichkeitslücke“ für die beauftragten Unternehmen, die mit solchen Angeboten geschlossen werden könne. Zum Jahresende erklärte jedoch der vom Bund mit dem Ausbau beauftragte Dienstleister öffentlich, dass der Hausanschluss kostenlos erfolge. Es gebe keine Verpflichtung, eine neue vertragliche Bindung mit dem Telekommunikationsunternehmen einzugehen.  
     
    Daraufhin bat der Bürgerbeauftragte das Ministerium um erneute Prüfung. Dieses antwortete, dass nun geprüft werden müsse, wie mit diesen Fällen umzugehen sei. Wenn die Anbieter keine Kopplungsgeschäfte betreiben dürften, müssten für die Förderung zusätzliche Mittel im Haushalt bereitgestellt werden. Diese seien bereits beantragt.

 

Für die Bürger ergibt sich also, dass solche Kopplungsgeschäfte unzulässig sind. Unklar ist allerdings, wie zu verfahren ist, wenn Bürger im Vertrauen auf die Zulässigkeit solcher Regelungen (notgedrungen) solche Verträge bereits geschlossen haben. 

Das Thema Breitbandausbau wird sicherlich die öffentliche Verwaltung und den Bürgerbeauftragten noch einige Zeit beschäftigen. Das Ministerium hatte nämlich im Herbst berichtet, dass von geplanten 63.000 Kilometern Breitbandleitungen bis Juli 2021 erst 10.700 Kilometer verlegt worden waren.

 

Bauvorhaben: Gemeinsam Lösungen finden

Wohnbauvorhaben sind für kleine Gemeinden besonders wichtig. Eine Wohnbebauung ist aber grundsätzlich nur in Innenbereichen möglich. Nicht selten scheitern Bauvorhaben daran, dass sie knapp nicht mehr im Innenbereich liegen. Gerade in ländlichen Dorflagen ist die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich oft nicht leicht, weil kleine Gemeinden aus Kostengründen keine Bebauungspläne aufgestellt haben. Die Baugenehmigungsbehörde muss dann beurteilen, ob ein Grundstück noch im unbeplanten Innenbereich oder schon außen liegt. Gegebenenfalls muss sie dann einschätzen, ob eine Bebauung im Außenbereich nach § 35 BauGB vielleicht doch möglich ist, weil öffentliche Belange nicht berührt wären. Diese Beurteilung ist nicht immer eindeutig zu treffen:

  • In einem solchen Fall wandte sich ein Dorfbewohner an den Bürgerbeauftragten. Er beabsichtigte den Bau eines 60 m² großen Hühnerstalls in seinem Hausgarten. Dies wurde von der Baubehörde insbesondere wegen der Lage des Vorhabens im Außenbereich in zweiter Reihe und der negativen Vorbildwirkung abgelehnt. Für den Petenten war das nicht nachvollziehbar, da sein Grundstück von Bebauung umgeben ist. Stallanlagen und Ferienwohnungen befinden sich bei und hinter den benachbarten Wohngebäuden. Unmittelbar neben dem geplanten Standort des Hühnerstalls befindet sich auf dem Nachbargrundstück eine große Halle.  
    Der Bürgerbeauftragte wandte sich an die Baugenehmigungsbehörde. Er sah es nicht als zwingend an, den betreffenden Grundstücksteil als Außenbereich zu qualifizieren. Dieser Grundstücksteil sei immerhin zu drei Seiten von Bebauung umgeben und es handele sich insgesamt um eine dörfliche Lage. Darüber hinaus handele es sich bei dem geplanten Stall um eine Nebenanlage, die nach der Rechtsprechung und einigen Landesbauordnungen durchaus sogar im Außenbereich zulässig sein könne. Er schlug durch eine Verkleinerung des Vorhabens eine stärkere Betonung der Unterordnung vor. So könne eine Beeinträchtigung der öffentlichen Belange vermieden werden. Angesichts der vorhandenen Bebauungen in der Nachbarschaft ergebe sich auch keine negative Vorbildwirkung. In einem solchen baulichen Zusammenhang von einer „Nachahmungs- und Breitenwirkung mit einem erheblichen Natur- und Landschaftsverbrauch“ zu sprechen, wirke willkürlich und lebensfremd. 
     
    Der Bürgerbeauftragte erörterte diese Punkte auch noch telefonisch mit dem zuständigen Dezernenten des Landkreises. Es wurde deutlich, dass sich die Bedenken der Bauaufsichtsbehörde auf die Größe und Massivität des Bauvorhabens bezogen und das Vorhaben in dieser Dimension zur Verfestigung von Bebauung in zweiter Reihe beitrage. Bei der vom Bürgerbeauftragten vorgeschlagenen Verringerung des Bauvorhabens könne jedoch eine Genehmigung in Betracht kommen. Die Baubehörde bot schließlich eine Genehmigung in einem deutlich kleineren Umfang als geplant an. Die Petition ist noch nicht abgeschlossen. 

 

Oftmals ist es bei solchen Bauvorhaben für den Bürgerbeauftragten sinnvoll, die Gemeinde zu beteiligen, um Unterstützung zu erhalten und gemeinsam Lösungen zu finden:

  • Ein Bürger wollte neben seinem Haus in einer Ortslage ein Wiesenstück an einen Interessenten verkaufen, der dort ein Wohnhaus für seine Familie plante. Eine Voranfrage bei der unteren Baugenehmigungsbehörde sollte, wie ein Anhörungsschreiben ergab, negativ beschieden werden. Das Grundstück liege im Außenbereich. Ein Bauvorhaben an dieser Stelle würde durch seine negative Vorbildwirkung und die Zersiedlung auf einem naturnahen Grundstück öffentliche Belange beeinträchtigen.  
     
    Beim Sprechtag suchte der Grundstückseigentümer nun den Bürgerbeauftragten auf und legte ihm dar, dass die zuständige Amtsverwaltung seiner Gemeinde den Grundstücksteil zum Innenbereich zähle. Sie sehe das Bauvorhaben auch städtebaulich als positiv an. Der Bürgerbeauftragte, der ebenfalls eine Zuordnung zum Innenbereich für plausibel hielt, setzte sich zunächst mit der Gemeinde in Verbindung. Die Bürgermeisterin bestätigte ihm die Position der Gemeinde, dass es sich hier eher um eine Baulücke im Innenbereich handele, wenn man eine genaue Einzelbeurteilung vornehme. In der Örtlichkeit werde der Eindruck der Zusammengehörigkeit mit der vorhandenen Bebauung vermittelt. Die Gemeinde unterstütze das Bauvorhaben.  
     
    Der Bürgerbeauftragte, der sich auf die gemeinsame Einschätzung mit Amtsverwaltung und Gemeinde stützte, bat den Landrat um Überprüfung. Der teilte dem Bürgerbeauftragten daraufhin knapp mit, dass die erneute Überprüfung eine andere baurechtliche Bewertung ergeben habe und die Bauvoranfrage positiv beschieden werden könne. Er sah zwar nach wie vor eine Außenbereichslage gegeben, allerdings seien öffentliche Belange nicht mehr beeinträchtigt.

 

In einem anderen Fall war die Mithilfe der Gemeinde bei der Löschwassererschließung notwendig: 

  • Bei einem Telefonsprechtag im Februar meldete sich ein Bürger, der in einem kleinen Ortsteil von ca. 25 Einwohnern seine Zweitwohnung zu einem barrierefreien und etwas größeren Wohnhaus umbauen wollte, weil er unter einer fortschreitenden Behinderung leidet.  
     
    Ihm war zwar das gemeindliche Einvernehmen erteilt worden, diesem war aber zu entnehmen, dass die Löschwasserbereitstellung in dem Ortsteil nicht gesichert war. Sobald dies der Fall wäre, sollte der Petent nach Angaben der Gemeinde bauen können. Der Landkreis war aber nicht bereit, schon vorher eine Baugenehmigung zu erteilen. Außerdem fehle eine Trinkwasserleitung. Der Petent wies darauf hin, dass andere Nachbarn bereits mit der Auflage bauen durften, erst dort zu wohnen, wenn die Löschwasserversorgung gesichert ist. Dies wollte auch er beanspruchen. 
     
    Der Bürgerbeauftragte wandte sich hinsichtlich einer Baugenehmigung mit möglichen Auflagen an den Landrat, und mit der Frage, wie die Löschwasserversorgung sichergestellt werden könne, an den Bürgermeister. Er unterstrich die bedrängte Lage des Petenten und den Wert einer Lösung für den gesamten Ortsteil.
    Der Bürgermeister erklärte, dass die Gemeinde bereits an einem Konzept zur Löschwasserversorgung arbeite. Mit dem zuständigen Zweckverband sei vereinbart worden, dass in der Gemeinde eine neue Trinkwasserleitung verlegt werden solle und zusätzlich umgehend für das Löschwasser eine Trockenleitung zum nahe gelegenen Teich. Kostenangebote würden bereits vorliegen, der Bau sei dann im 2. oder 3. Quartal 2021 geplant. 
     
    Der Landkreis vertrat weiter die Auffassung, dass auch während der Errichtung baulicher Anlagen wirksame Löscharbeiten möglich sein müssten; deshalb würden für genehmigungsbedürftige Vorhaben vorab keine Baugenehmigungen mit Nebenbestimmungen bzgl. der Löschwasserbereitstellung erteilt. 
     
    Kurze Zeit später erreichte den Bürgerbeauftragten die Nachricht des Bürgermeisters, dass zwar die geplante Trinkwasserleitung wohl erst verspätet errichtet werden könne. Die Gemeinde habe aber die Trockenleitung vom Teich bis in die Ortslage legen lassen, so dass nun die Löschwasserversorgung gesichert sei. Es sei auch bereits eine entsprechende Mitteilung an die untere Bauaufsichtsbehörde erfolgt. Diese erteilte daraufhin umgehend die Baugenehmigung für das Bauvorhaben des Petenten. 

 

Diese Fälle zeigen, dass mit guter Kommunikation zwischen den Beteiligten und entschiedenem Lösungswillen in der Gemeinde Probleme besser gelöst werden können.

 

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 17. April 2021 wurde der Bürgerbeauftragte mit Wirkung vom 22. April 2021 „zugleich der Beauftragte für die Landespolizei“ (§ 6 Absatz 5 PetBüG). Der Bürgerbeauftragte hat in dieser Eigenschaft besondere Rechte und Instrumente. 

Mit dieser Änderung wurden die Regelungen des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes für Eingaben an den Bürgerbeauftragten aufgegliedert: In den §§ 5 bis 9 finden sich die „Allgemeinen Vorschriften über den Bürgerbeauftragten“, in den §§ 10 bis 16 sind die „Besonderen Vorschriften für die Landespolizei“ enthalten. Soweit in den Regelungen zur Landespolizei nichts Besonderes bestimmt ist, finden grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften Anwendung.

Die zentralen Aussagen finden sich in § 13 Absatz 1 und 2 PetBüG: 

„(1) Polizeibeschäftigte können sich ohne Einhaltung des Dienstwegs mit einer Eingabe, die ein persönliches oder dienstliches Fehlverhalten einzelner Polizeibeschäftigter oder Mängel oder Fehlentwicklungen in der Landespolizei behauptet, unmittelbar an den Bürgerbeauftragten wenden.“
(2) Wegen der Tatsache der Anrufung dürfen Polizeibeschäftigte weder dienstlich gemaßregelt werden noch sonstige Nachteile erleiden.“

Soweit sich Bürgerinnen und Bürger über polizeiliches Handeln beschweren oder sonst Angelegenheiten, die die Landespolizei betreffen, zum Gegenstand einer Petition machen wollen, so können sie dies wie jeher nach den allgemeinen Vorschriften über den Bürgerbeauftragten tun (§ 10 Abs. 3 PetBüG).

Im Berichtszeitraum, der im Bereich der Polizeibeauftragung, wie oben ausgeführt, erst mit dem 22. April 2021 beginnt, sind insgesamt acht Eingaben an den Beauftragten für die Landespolizei gerichtet worden, in einem weiteren Fall griff der Bürgerbeauftragte einen Sachverhalt aufgrund eigener Entscheidung auf. Sieben Petitionsverfahren konnten bereits abgeschlossen werden.

Inhaltich ging es hierbei teils um allgemeine Eingaben wie zur Ausrüstung der jeweiligen Polizeieinheit, teils aber auch um personenbezogene Anliegen wie die Arbeitszeiterfassung, die Beantragung von Urlaub sowie die Umsetzung oder Bewerbung in andere Bereiche der Landespolizei.

Die vergleichsweise geringe Zahl der Eingaben im ersten Tätigkeitsjahr des Polizeibeauftragten ist nicht ungewöhnlich. Vergleiche mit anderen Bundesländern, in denen zum Amt des Bürgerbeauftragten schon länger eine Polizeibeauftragung gehört, zeigen, dass dort mit wachsendem Bekanntwerden der Institution die Anzahl der Petitionen angestiegen ist. Der Bürgerbeauftragte hat die letzten Monate dazu genutzt, sich in unterschiedlichen Polizeibehörden und -dienststellen vorzustellen und wichtige Themen der Polizei zu erörtern. 

 

Informationsfluss ist nötig

 

Der erste Polizeibeschäftigte meldete sich schon im April 2021 an den Polizeibeauftragten. Ihm ging es um mehrere Fragestellungen zu innerdienstlichen Abläufen. Seine Vorgesetzten konnten oder wollten seine bereits geäußerten Bitten um Auskünfte nicht beantworten – jedenfalls nicht unter Einbeziehung der Hintergründe und nicht so umfassend, wie der Polizeibeamte sich dies gewünscht hätte.

Der Petent trug dem Polizeibeauftragten vier einzelne Fragestellungen vor. Im Einzelnen ging es dem Beamten um die persönliche Einsatzausrüstung der Polizeibeamten, um die technische Ausstattung seiner Einsatzeinheit, um die konkrete Durchführung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe und die Einsatzzeiten in seiner Dienststelle.

Der Polizeibeauftragte bat zunächst den Innenminister um Erläuterung. Dessen Auskünfte wurden sodann mit dem Petenten erörtert, der an verschiedenen Stellen weitere Nachfragen hatte. Darauf wurde der Innenminister erneut angeschrieben und um weitere Darlegungen gebeten. Auch in einem zwischenzeitlichen Gespräch des Polizeibeauftragten mit der Leitung der betroffenen polizeilichen Oberbehörde wurden die Themen besprochen.

Dem Petenten wurden die ergänzende Stellungnahme des Ministeriums und die Ergebnisse dieses Gespräches mitgeteilt. Die Behördenleitung lud den Petenten auch noch zu einem persönlichen Gespräch ein.

Der Petent teilte anschließend mit, dass all seine Fragen zufriedenstellend beantwortet wurden. Die inhaltlichen Ergebnisse und die Verfahrensweise des Polizeibeauftragten habe er innerhalb seiner Dienststelle weitergegeben, so dass alle Kollegen von den Erkenntnissen profitieren konnten.

 

Keine Arbeitszeit trotz dienstlicher Anordnung?

Wegen der angespannten Corona-Lage hatte der Leiter einer Polizeidienststelle im Januar 2021 einen Teil der im Wechselschichtsystem eingesetzten Polizeibeamten zu Hause in Bereitschaft versetzt. Die Maßnahme diente der Kontaktreduzierung unter den Polizeibeamten. Nur im Falle eines erforderlichen Einsatzes sollten sie miteinander in Kontakt kommen. Zahlreiche Beamte der Dienststelle leisteten dann im Januar entsprechenden Dienst, indem sie sich zu Hause zum Einsatz bereithielten. Nach einem Wechsel in der Dienststellenleitung wurden aber die im Januar zuhause in Bereitschaft verbrachten Stunden aus dem elektronischen Arbeitszeitnachweis entfernt. 

In dieser Situation wandte sich einer der betroffenen Polizeibeamten im Mai an den Polizeibeauftragten. Er war der Ansicht, dass die betreffenden Stunden auf dem Arbeitszeitnachweis ausgewiesen werden müssten. 

Die Verfügung des Dienststellenleiters ließ sich nicht ohne weiteres in die üblichen Kategorien von „Bereitschaftsdienst“ (und damit Arbeitszeit) oder „Rufbereitschaft“ (und damit grundsätzlich dienstfreie Zeit/Freizeit) einordnen. Die Beamten, die sich zu Hause für einen Einsatz bereithielten, verblieben im üblichen Schichtplan. Es hieß unter anderem auch, dass von der „Anforderung bis zum Dienstantritt“ maximal eine Stunde vergehen dürfe. Die Verfügung enthielt allerdings die unmissverständliche Aussage, dass „Bereitschaftszeit und Dienstzeit 1:1 abgegolten werden“.

Der Polizeibeauftragte wandte sich an den Innenminister und bat um Aufklärung, wie die Dienststellenverfügung zu verstehen sei. Sie enthalte Elemente des Bereitschaftsdienstes wie auch der Rufbereitschaft. Er wies auch darauf hin, dass jedenfalls die komplette Nichtberücksichtigung aller in Streit stehenden Stunden nicht in Frage komme. Bereitschaftsdienst sei als Arbeitszeit zu werten. Rufbereitschaft sei zwar als dienstfreie Zeit zu behandeln, bei größerer Inanspruchnahme durch Rufbereitschaft müsse aber ein entsprechender Ausgleich durch Freizeit erfolgen. 

In seiner sehr kurzen Antwort gab das Innenministerium an, dass die Dienststellenverfügung „eigenmächtig und regelwidrig“ erlassen worden sei. Da sie keine Grundlage in den gesetzlichen Regelungen zur Dienstzeit finde, sei den Beamten die fragliche Zeit von ihren Stundenkonten abgezogen worden. 

Damit gab sich der Polizeibeauftragte nicht zufrieden. Zunächst wies er darauf hin, dass der seinerzeitige Dienstellenleiter als zuständiger Vorgesetzter befugt gewesen sei, Bereitschaften anzuordnen. In formaler Hinsicht habe es für die Mitarbeiter keinen Grund gegeben, an der Anordnungsbefugnis des Vorgesetzten zu zweifeln. Auch bei Betrachtung der Inhalte der Verfügung, die zudem mitten in der „dritten Corona-Welle“ erging, habe es keinen Grund gegeben, weswegen die Mitarbeiter die Richtigkeit der angeordneten Maßnahmen hätten infrage stellen müssen. Wenn es in der Verfügung ausdrücklich heiße, dass „Bereitschaftszeit und Dienstzeit 1:1 abgegolten“ werden, dann könne es nicht darauf ankommen, ob während der Bereitschaft Dienst geleistet wurde oder ob die in der Verfügung geregelte Bereitschaft sich exakt in gesetzliche Begriffe „Rufbereitschaft“ und „Bereitschaftsdienst“ einordnen lasse. Die Mitarbeiter standen entsprechend der Verfügung zum jederzeitigen Einsatz bereit. Ob der Vorgesetzte bei Erlass der Verfügung die ihm eingeräumten Kompetenzen überschritten habe, dürfe sich nicht nachteilig auf die Polizeibeamten auswirken.

Im Ergebnis dieser Argumentation führte eine nochmalige Überprüfung durch das Innenministerium dazu, dass den Polizeibeamten die im Januar in Bereitschaft verbrachten Stunden als Dienstzeit anerkannt wurden.

Im Bereich des Rechtsausschusses sank die Zahl der Petitionen weiter auf 62 (Vorjahr: 72). Erneut waren unterschiedlichste Themengebiete betroffen. Angesprochen wurden häufiger Probleme bei den Rundfunkbeiträgen. So fragte ein Petent, ob bei einer Lebensgemeinschaft eines wegen einer Behinderung nicht beitragspflichtigen Menschen mit einem beitragspflichtigen Bürger tatsächlich der letztere den vollen Beitrag zahlen müsse. Nach Prüfung der Rechtslage bestätigte dies der Bürgerbeauftragte. In anderen Fällen ging es um individuelle Probleme mit dem Beitragsservice, etwa bei der Antragstellung, bei mehreren Wohnsitzen oder zur Beitragsbefreiung beim Bezug von Sozialleistungen. 

Mehrfach wandten sich auch Strafgefangene an den Bürgerbeauftragten. Sie trugen in der Regel den Wunsch nach Vollzugslockerungen vor. Daneben bezogen sich Petitionen auf die Corona-Problematik. So forderte ein älterer Insasse zu Beginn der Impfungen, dass wie in Pflege- und Alteneinrichtungen auch in den Justizvollzugsanstalten vorrangig geimpft werden sollte. Eine andere Petition betraf die Einschränkungen von Besuchen aufgrund zusätzlicher, pandemiebedingter Hygienemaßnahmen. 

Petitionen gingen wieder zu überlangen Gerichtsverfahren ein. Erneut beklagten sich Petenten über die Verfahrensdauern in verschiedenen Gerichtszweigen. So trug ein Bürger vor, dass bei einem Landgericht drei Jahre nach der Klageeinreichung noch keine erste mündliche Verhandlung anberaumt worden sei. Nachfragen seines Rechtsanwalts würden nicht beantwortet. Das vom Bürgerbeauftragten angefragte Justizministerium teilte mit, dass nun in absehbarer Zeit eine solche Verhandlung angesetzt werden sollte. 

In einem anderen Fall berichtete der Petent zu Anfang des Jahres, dass nach Mitteilung eines Sozialgerichts aufgrund der Corona-Pandemie keine mündlichen Verhandlungen stattfinden würden. Auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten teilte der Präsident des Landessozialgerichts mit, dass tatsächlich pandemiebedingt die Richter aufgefordert worden seien, möglichst auf mündliche Verhandlungen zu verzichten. Hierdurch hervorgerufene Verfahrensverzögerungen „um wenige Monate“ hätten „weniger Systemrelevanz“ als „beträchtliche Gesundheitsgefahren durch einen unverminderten Sitzungsbetrieb“. Man habe sich stattdessen bemüht, Entscheidungen ohne vorherige mündliche Verhandlung zu treffen. Die Bescheidung von Eilrechtsverfahren sei zu keiner Zeit eingeschränkt gewesen. 

Der Bürgerbeauftragte kann bei allem Verständnis für den Gesundheitsschutz nicht nachvollziehen, warum mündliche Verhandlungen nicht mehr durchgeführt wurden. Mit der Einhaltung der üblichen Hygienemaßnahmen erscheinen solche Sitzungen nicht gefährlicher als die Tätigkeit in vielen anderen Berufen. Auch wenn sich die Verfahrensdauern bei Klageverfahren in den Sozialgerichten in Mecklenburg-Vorpommern langsam verbessern (2020: 18,7 Monate; 2019: 20), liegen sie seit Jahren deutlich über denen des Bundesdurchschnitts (2020: 15,6). Beim Landessozialgericht betrug 2020 die Verfahrensdauer im Land sogar 33,5 Monate (Bundesdurchschnitt: 18,3). Insofern verschärft also auch eine Verzögerung „um wenige Monate“ das ohnehin bestehende Problem überlanger Verfahrensdauern.

Erneut sprachen einige Bürger auch das Fehlen eines Nachbarrechtsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern an. Sie beklagten, dass hierdurch unnötige rechtliche Unsicherheiten entstünden. Der Bürgerbeauftragte konnte diesen nur mitteilen, dass die bisherigen Landesregierungen ein solches Gesetz nicht erarbeiten wollten. Auch er sieht nach wie vor den Wert einer solchen gesetzlichen Regelung, wie es sie schon in allen anderen Bundesländern teils seit Jahrzehnten gibt. 

Die Anzahl der Eingaben im Bereich des Finanzausschusses sank auf 47 (Vorjahr: 52). Hiervon ging es in 14 Petitionen um Angelegenheiten des Kindergeldes (s. unten). Des Weiteren wurde eine Reihe unterschiedlicher steuerrechtlicher Petitionen eingelegt. So betrafen einige Eingaben die Besteuerung von Altersrenten. Hier besteht immer wieder Erläuterungsbedarf, insbesondere wenn Rentner erstmals zur Einkommensteuer herangezogen werden. 

Zwei Petitionen wandten sich gegen Bescheide von Finanzämtern, die eine Haftung von Vereinen wegen unrichtiger Spendenbescheinigungen zum Inhalt hatten. In einem Fall hatte ein Verein für Spenden für den Bau eines Spielplatzes im Ort Spendenbescheinigungen ausgestellt. Das zuständige Finanzamt hatte zwar zugestanden, dass ein Bau eines Spielplatzes als „Förderung der Jugendhilfe“ grundsätzlich gemeinnützig sein könne. Da der Verein diesen Zweck aber nicht in seiner Satzung angegeben habe, dürfe er hierfür keine Spendenbescheinigungen ausstellen. Es forderte in einem Bescheid eine Zahlung von über 3.700 EUR vom Verein, da die Aussteller einer grob fahrlässigen Spendenbescheinigung nach dem Einkommensteuergesetz für den entstandenen Steuerschaden haften. Hiergegen legte der Verein Einspruch ein, da sein Satzungszweck u.a. die Förderung der sportlichen Aktivitäten der Dorfgemeinschaft enthalte. Darunter könnte auch das Spielen auf dem Spielplatz fallen. Insofern sei Ausstellung der Spendenbescheinigungen nicht grob fahrlässig erfolgt. Der vom Verein eingeschaltete Bürgerbeauftragte bat den Finanzminister um Überprüfung.

Der Finanzminister sah jedoch nach der Prüfung der Angelegenheit die Haftung des Vereins als „unerlässlich“ an. Der Verein habe nicht nur außerhalb seines Satzungszwecks Spendenbescheinigungen ausgestellt. Die Bescheinigungen wiesen nach seiner Auffassung zudem schwere Fehler auf. Der Verein habe grob fahrlässig gehandelt, da er sich mit seinen Satzungszwecken nicht auseinandergesetzt habe. Dann reduziere sich das Ermessen des Finanzamtes aber auf Null. Es bestehe nur die Bereitschaft, dem Verein durch Stundung oder Ratenzahlung entgegen zu kommen.

Vor diesem Hintergrund warnt der Bürgerbeauftragte davor, Spendenbescheinigungen ohne Prüfung, ob ein beabsichtigtes Vorhaben eines gemeinnützigen Vereins dem Satzungszweck entspricht, auszustellen.

Im Berichtsjahr konnte eine Petition vom Januar 2019 zu Gunsten der Petenten abgeschlossen werden. Damals hatten sich Amtsanwälte beim Bürgerbeauftragten beklagt, dass ihre Gruppe als einzige Beamte der Besoldungsgruppe A 12 nicht die sog. Stellenzulage erhielt (vgl. hierzu den Beitrag im Jahresbericht 2019). Nach erheblichen Bemühungen des Bürgerbeauftragten gelang die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung der Amtsanwälte im Mai 2021 im Zuge einer allgemeinen Neuregelung des Besoldungsrechts. 

 

Kindergeld – nicht immer kinderleicht

Besonders im zweiten Halbjahr 2021 beschwerten sich Bürger, weil sie die Familienkasse telefonisch nicht erreichen konnten und ihnen daher eine Klärung von Anliegen auf dem direkten Weg nicht möglich war. Ähnliche Beschwerden gab es auch beim Inkassoservice der Bundesagentur, der selbst für die Mitarbeiter des Bürgerbeauftragten kaum erreichbar war. Das ist deshalb besonders kritisch zu sehen, da Bürger sich bei Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig an den Inkassoservice wenden müssen, um eine Klärung zu erreichen und Nachteile zu vermeiden. Das Inkassoverfahren läuft nämlich auch bei einem Einspruch weiter und wird nicht aufgeschoben. Bleibt die Zahlung aus, wird die zwangsweise Einziehung der Forderung veranlasst. Das ist mit weiteren Kosten verbunden. 

Nach § 68 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht die Pflicht, der Familienkasse unverzüglich alle Änderungen der eigenen Verhältnisse und der der Kinder mitzuteilen. Häufig wird nach einer solchen Mitteilung die Zahlung von Kindergeld bis zur Abschluss der Prüfung eingestellt. Problematisch ist eine längere Bearbeitungszeit dann, wenn die Kindergeldberechtigten nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielen und auf das monatliche Kindergeld zwingend angewiesen sind. Beispielhaft hierzu die folgenden Fälle: 

  • Eine alleinerziehende Mutter von vier Kindern hatte bei der Familienkasse angezeigt, dass ein volljähriges Kind bei der Arbeitsagentur arbeitsuchend gemeldet sei und entsprechende Nachweise eingereicht. Daraufhin wurde die Kindergeldzahlung eingestellt. Es war der Petentin über Wochen nicht möglich, den Sachverhalt selbst mit der Familienkasse zu klären.  
     
    Nach § 32 Absatz 4 EStG wird ein Kind zwischen 18 und 21 Jahren aber bei der Gewährung von Kindergeld berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und arbeitsuchend gemeldet ist. Erst nachdem sich der Bürgerbeauftragte eingeschaltet hatte, gab es kurzfristig eine Klärung. Die Petentin erhielt eine Nachzahlung und den Bescheid, das wieder laufend Kindergeld gezahlt werde. 

 

  • Dieselbe Petentin meldete sich Anfang Oktober 2021 erneut, weil nunmehr die Zahlung von Kindergeld für ein anderes volljähriges Kind eingestellt worden war. Dieses Kind besuchte seit Anfang August 2021 die Volkshochschule, um die Mittlere Reife zu erreichen. Die Petentin hatte die erforderliche Schulbescheinigung unverzüglich per E-Mail, mit Fax und auch noch mit Einschreiben übersandt. Dennoch wurde das Kindergeld ab September 2021 nicht mehr gezahlt. Nach 32 Absatz 4 EStG wird aber ein volljähriges Kind auch dann berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach den Dienstanweisungen der Familienkasse zum Kindergeld ist das der Fall, wenn ein Kind sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Eine Schulausbildung, auch an einer Volkshochschule, ist davon umfasst.  
     
    Nachdem der Bürgerbeauftragte sich mit der Familienkasse in Verbindung gesetzt hatte, konnte auch hier eine kurzfristige Klärung zu Gunsten der Petentin erreicht werden 

 

Wiederholt wandten sich verzweifelte Bürger in den letzten Jahren an den Bürgerbeauftragten, weil sie kurzfristige hohe Rückzahlungen leisten sollten. Dazu sahen sie sich angesichts beschränkter finanzieller Mittel nicht in der Lage: 

  • Mit einer besonderen Fallkonstellation meldete sich eine Mutter, die der Familienkasse wegen Änderung der Anspruchsberechtigung über 17.000 EUR Kindergeld und Kinderbonus erstatten sollte. Die Kinder der Petentin leben seit der Trennung 2018 im Haushalt des Vaters. Die Petentin bezog weiter das Kindergeld, leitete dies aber auf das Konto des Vaters weiter. Das teilte sie der Familienkasse im Juli 2021 bei einer Überprüfung mit und legte zum Nachweis Kontoauszüge vor. Der Vater der Kinder weigerte sich allerdings, die Weiterleitung auf einem dafür vorgesehenen Vordruck der Familienkasse zu bestätigen. Die Familienkasse prüfte daher eine sofortige Erstattung des gesamten Betrages durch die Petentin.  

    Die Petentin hatte nämlich mehrere Jahre Kindergeld bezogen, obwohl die Kinder nicht mehr in ihrem Haushalt lebten. Sie hatte es unterlassen, dies unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen. Die Weiterleitung des Kindergeldes an den eigentlich Berechtigten, hier den Vater der Kinder, ist von diesem der Familienkasse zwingend schriftlich zu bestätigen. Die Vorlage von Kontoauszügen, um die Zahlung nachzuweisen, ist nicht ausreichend.  
     
    Der Bürgerbeauftragte hat sich vermittelnd an die Familienkasse gewandt. Diese nahm daraufhin direkt mit dem Vater der Kinder Kontakt auf. Es wurde auch vereinbart, dass bis zur Klärung und für die Dauer des Petitionsverfahrens von weiteren Maßnahmen der Familienkasse, insbesondere von einer sofortigen Erstattung, abgesehen wird. Das Petitionsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Die Darstellung folgt der veränderten Zuständigkeit des Ausschusses. 

Eine Reihe von Eingaben im Bereich der Arbeitsförderung bezogen sich auf Schwierigkeiten von Leistungsberechtigten nach dem SGB II bei der Eingliederung in Arbeit. Eingaben betrafen beispielsweise die Übernahme von Kosten für den Erwerb eines Führerscheins, um damit eine zugesicherte sozialversicherte Beschäftigung aufnehmen zu können oder die Übernahme für den Kauf oder die Reparatur eines PKW, um weiter eine Beschäftigung ausüben zu können. Begehrt wurden ferner Weiterbildungen, Einstiegsgeld, Leistungen aus dem Vermittlungsbudget sowie Beratung und Unterstützung zu den Grundsätzen des Forderns und Förderns und bei Eingliederungsvereinbarungen. 

Neu in diesem Ausschuss sind Verkehrsangelegenheiten, wozu im Berichtsjahr wieder eine Vielzahl von Petitionen (29) eingegangen sind. Typische Anliegen hierzu sind insbesondere die Frage nach Verkehrssicherheit bzw. Verkehrsberuhigung im Wohnumfeld der Petenten (s. unten). 

Viele Petitionen gingen auch zu Fragen des Verkehrsrechts ein, hier vor allem zu Führerscheinangelegenheiten (40). Gerade zum Ende des Jahres beklagten sich Bürger darüber, dass der gesetzlich angeordnete Umtausch des alten Führerscheins in den aktuellen EU-einheitlichen Führerschein nicht möglich sei, da die Führerscheinstellen nicht erreichbar oder überlastet seien (vgl. B 1. a). Sie befürchteten, dass sie ohne rechtzeitigen Umtausch mit dem Stichtag ihre Fahrerlaubnis verlieren würden. 

Hier konnte der Bürgerbeauftragte den Petenten helfen, indem er ihnen den Unterschied zwischen der Fahrerlaubnis (der erteilten Genehmigung zur Führung von Fahrzeugen) und dem Führerschein (dem Nachweis, dass die Fahrerlaubnis erteilt ist) erläuterte. Das Führen des Fahrzeugs ohne den aktuellen Führerschein stelle zwar eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei allerdings eine Ahndung wegen des fehlenden Verschuldens der Petenten unzulässig sein dürfte. Es stellt sich allerdings schon die Frage, wie der über mehrere Jahre gestreckte Umtausch einer Vielzahl alter Fahrerlaubnisse in Zukunft stichtagsgerecht abgewickelt werden kann. 

Zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und zum Schienenpersonennahverkehr erreichten den Bürgerbeauftragten nur zwölf Eingaben. Sie betrafen z. B. die Forderung nach einer besseren Fahrplanabstimmung bei Umstiegen, insbesondere zwischen Bus und Bahn, fehlende Fahrplaninformationen zum ÖPNV bei der Fahrplanauskunft der Deutsche Bahn AG sowie die Kritik an Fahrpreiserhöhungen. Kritisiert wurde auch, dass das AzubiTicket ausschließlich als Handyticket verfügbar war und zudem nicht von Schülern für die Beförderung zur „Wahlschule“ genutzt werden kann (s. 6.).

Der staatliche Straßenbau ist häufiger Gegenstand von Petitionen. 2021 erreichten den Bürgerbeauftragten hierzu 20 neue Beschwerden. Die Bürger kritisierten insbesondere den Zustand der Straßen und Radwege im Land und die fehlende Verkehrssicherheit. In mehreren Fällen gab der Straßenlärm Anlass zur Beschwerde mit der Forderung nach Lärmschutzmaßnahmen. In einem Fall führten die schlechten Straßenzustände zu Problemen mit der Müllabfuhr. Eine Reihe Petitionen bemängelte auch den schleppenden Ausbau des Radwegenetzes. 

Auch klassische Themen des Ministeriums wie die Wirtschaftsförderung waren vereinzelt Gegenstand von Petitionen.

 

Verkehr: Messungen bringen Verbesserungen – manchmal 

Zu örtlichen Verkehrssituationen, die Bürger als belastend oder sogar als gefährlich ansehen, erreichen den Bürgerbeauftragten regelmäßig Eingaben. Angesprochen wurden durch Verkehr verursachte Lärm- und Abgasimmissionen oder Erschütterungen, aber auch Fragen der Verkehrssicherheit. Bei der Beurteilung der Lage gehen die Einschätzungen der betroffenen Bürger und die der Behörden oft auseinander. Hier ist es wichtig, Mess- und Zählverfahren einzusetzen, die eine objektive Bewertung der Situation und so auch ggf. Maßnahmen zur Verbesserung ermöglichen. Die folgenden Beispiele aus dem Berichtsjahr verdeutlichen dies:

  • Anwohner einer Ortsdurchfahrt in Ostseenähe beklagten sich über den erheblichen Durchgangsverkehr, gerade in den Sommermonaten. Sie gaben an, dass das Tempolimit von 50 km/h von vielen Autofahrern nicht eingehalten werde und auch deswegen der Lärm in der engen, dicht mit Häusern bebauten Straße unerträglich sei. Zunächst durchgeführte Verkehrsmessungen bestätigten tatsächlich die extrem starke Nutzung der Straße in den Sommermonaten. Zugleich wurde aber auch festgestellt, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung entgegen dem Eindruck der Anwohner weitgehend eingehalten wurde.  
     
    Auf Wunsch der Petenten setzte sich der Bürgerbeauftragte nun allerdings für eine Lärmberechnung ein. Diese ergab sehr hohe Werte, allerdings lag der errechnete Lärmpegel leicht unter den maximal erlaubten Richtwerten nach der Lärmschutz-Richtlinien-StV, bei deren Erreichen zwingend lärmreduzierende Maßnahmen vorgesehen sind. Das zuständige Ministerium wies aber darauf hin, dass zusätzlich die im Bundesimmissionsschutzrecht festgelegten (niedrigeren) Grenzwerte nach der Rechtsprechung als Orientierungswerte auch bei Bestandsstraßen heranzuziehen sind. In diesem Fall habe die Straßenverkehrsbehörde im Rahmen ihres Ermessens über Beschränkungen des Verkehrs zu entscheiden.  
    Mit diesem Wissen wandte sich der Bürgerbeauftragte erneut an den zuständigen Landkreis und regte an, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h – wenigstens in der Sommersaison – einzuführen. Die deutliche Überschreitung der Grenzwerte des Bundesimmissionsschutzrechtes rechtfertige die Anordnung einer solchen Maßnahme. In einer ersten Reaktion lehnte der Landkreis dies jedoch ab, da ihm weder ein Antrag der Gemeinde vorliege noch das Land als Straßenbaulastträger sich hierzu positiv geäußert habe. Der Bürgerbeauftragte bemüht sich hier weiterhin um eine Lösung im Sinne der Anwohner. 

 

  • In einem anderen Fall beklagte sich ein Anwohner über erhebliche Erschütterungen seines Hauses durch den Busverkehr. Diese träten erst auf, seitdem die benachbarte Kreuzung zur Geschwindigkeitsreduzierung mit Aufpflasterungen versehen worden sei. Eine Erschütterungsmessung wolle die Stadt jedoch nur durchführen, wenn der Petent die hierfür entstehenden Kosten teilweise trage. Auf Drängen des Bürgerbeauftragten erfolgte eine solche Messung, ohne dass sich der Petent an den Kosten beteiligen musste. Sie bestätigte tatsächlich Überschreitungen der maximal zulässigen Schwingstärke, womit der Immissionsschutz nicht eingehalten wird. Die Stadt will daher nun unter Einbeziehung eines Ingenieurbüros über Veränderungen entscheiden. 

 

  • Im ländlichen Raum setzten sich Bürgermeister und Dorfbewohner seit 2016 für eine Fußgängerampel an einer Bundesstraße ein, um die Querung vor allem für Kinder auf dem Weg zur Haltestelle des Schulbusses sicherer zu gestalten. Die Gemeinde, die sogar bereit war, die Kosten hierfür zu tragen, erhielt hierzu jedoch eine Ablehnung der Verkehrsbehörde des Landkreises. Bei einer Zählung war nämlich festgestellt worden, dass die Anzahl der Fußgänger den entsprechenden Grenzwert für Querungsanlagen nicht erreichte. Daher sei eine Beeinträchtigung der „Leichtigkeit des Verkehrs“, also der Autofahrer, nicht gerechtfertigt.  
     
    Der Bürgerbeauftragte bat das zuständige Ministerium um Überprüfung dieser Entscheidung und schlug eine weitere Zählung vor. Diese ergab tatsächlich eine häufigere Überquerung der Straße als bisher angenommen, so dass der Bürgerbeauftragte beim Landkreis die erneute Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Fußgängerampel anregte. Hierbei wies er darauf hin, dass mit der Änderung des § 1 VwV-StVO eine neue Rechtslage eingetreten war. Dort heißt es nämlich nun: „Oberstes Ziel ist die Verkehrssicherheit. Hierbei ist die ‚Vision Zero‘ (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen.“ Nach dem Willen des Verordnungsgebers gehe nun also die Verkehrssicherheit der Flüssigkeit des Verkehrs vor. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob in solchen Fällen die Anzahl der querenden Fußgänger überhaupt noch eine entscheidende Rolle spiele. Das Überqueren einer Bundesstraße durch Fußgänger, gerade durch Kinder auf dem Weg zum Schulbus, beinhalte eine ständige Gefahr von Unfällen mit schweren Personenschäden. Die durch die gelegentlichen kurzzeitigen Rotphasen einer Fußgängerampel entstehenden Einschränkungen des Autoverkehrs müssten nach dem o.a. obersten Ziel aller verkehrlichen Maßnahmen zurücktreten – unabhängig davon, wie viele Personen in der Spitze die Straße überqueren.  
     
    Der Landkreis genehmigte dann zum Jahresende tatsächlich die Aufstellung der Fußgängerampel. Diese soll noch in diesem Jahr errichtet werden. 

    Festzuhalten ist für solche Fälle allerdings auch, dass die Durchführung und Auswertung solcher Mess- und Zählverfahren wegen der hohen Auslastung von Technik und Personal oft erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Auch die sich anschließenden verkehrsrechtlichen Anordnungen dauern wegen der hohen Arbeitsbelastung der Verkehrsbehörden häufig zu lange. Hier benötigen die Betroffenen viel Geduld, bis eine abschließende Entscheidung getroffen wird. Der Bürgerbeauftragte empfiehlt daher eine technische und personelle Verstärkung der Verkehrsbehörden. 

 

Festzuhalten ist für solche Fälle allerdings auch, dass die Durchführung und Auswertung solcher Mess- und Zählverfahren wegen der hohen Auslastung von Technik und Personal oft erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Auch die sich anschließenden verkehrsrechtlichen Anordnungen dauern wegen der hohen Arbeitsbelastung der Verkehrsbehörden häufig zu lange. Hier benötigen die Betroffenen viel Geduld, bis eine abschließende Entscheidung getroffen wird. Der Bürgerbeauftragte empfiehlt daher eine technische und personelle Verstärkung der Verkehrsbehörden. 

Zu den Themengebieten Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt erreichten den Bürgerbeauftragten insgesamt 75 Petitionen; ein leichter Rückgang zum Vorjahr (85). Wiederkehrende Themen im Naturschutzrecht waren Baumfällungen, Baumpflege und Biotopschutz. 25 Petitionen gingen hierzu beim Bürgerbeauftragten ein. Weniger Beschwerden bezogen sich auf Genehmigungen von Windkraftanlagen (4, Vorjahr 13) und mehr auf abfallrechtliche Fragen (6, Vorjahr: 1). 14 Eingaben betrafen Geruchs-, Staub- und Lärmbelästigungen, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu bewerten sind (Vorjahr: 20). 

Seit 2013 hat der Bürgerbeauftragten in seinen Jahresberichten regelmäßig die Problematik der Verbrennung pflanzlicher Abfälle angesprochen. Die Landesregierung ist gefordert, die Pflanzenabfalllandesverordnung an die Rechtslage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes anzupassen, wie der Bürgerbeauftragte schon im Jahresbericht 2016 dargelegt hatte. Aber auch in der 7. Legislaturperiode ist es nicht gelungen, sie zu novellieren und damit eindeutige Regelungen für die Entsorgung von pflanzlichen Abfällen außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen zu schaffen. Der Bürgerbeauftragte weist erneut darauf hin, dass er hier eine Verpflichtung des Landes sieht, die aus Gründen des Klimaschutzes gerade jetzt dringend zu erfüllen und die für die Glaubwürdigkeit der politischen Bemühungen wichtig ist.

 

Waldgesetz: Wiederaufforstung ist Pflicht (Fortsetzung aus den Vorjahren)

Bereits in Vorjahresberichten seit 2016 wurde die Beschwerde eines Petenten dargestellt, der die Rodung eines 80 m langen Waldstreifens an einem Seeufer kritisiert hatte. Nachdem der Bürgerbeauftragte wiederholt beim Landwirtschaftsministerium nachgefasst hatte, erging durch die untere Forstbehörde im Berichtsjahr eine Ordnungsverfügung zur Wiederaufstockung der kahlgeschlagenen Waldfläche. Die Wiederaufforstung ist inzwischen mit standortgerechten Baumarten erfolgt. Damit konnte das Petitionsverfahren nach fünf Jahren erfolgreich abgeschlossen werden.

 

Wenn die Schafe warten müssen: erst die Hürden, dann der Zaun

In Petitionen beim Bürgerbeauftragten werden regelmäßig unnötige bürokratische Hürden bei der Beantragung von Fördermitteln gerügt. Ein typisches Beispiel hierzu aus dem Berichtsjahr: 

  • Ein Halter von fünf Schafen wandte sich hilfesuchend an den Bürgerbeauftragten. Nachdem er einen Antrag auf Förderung zur wolfssicheren Erweiterung eines vorhandenen Zaunes gestellt und einen Kostenvoranschlag in Höhe von 3.500 EUR beigefügt habe, erhielt er erst nach über acht Monaten von der Bewilligungsbehörde den Hinweis, dass er zur Vorlage von drei Vergleichsangeboten verpflichtet sei. Neben der langen Verfahrensverzögerung war aus Sicht des Petenten dies als Voraussetzung für die Prüfung des Fördermittelantrages nicht nachvollziehbar, da laut der Förderrichtlinie Wolf M-V ohnehin nur ein Betrag von 100 EUR pro Nutztier förderfähig sei. Danach könne er maximal 500 EUR als Zuwendung erhalten. Da auch weitere Kostenangebote aus seiner Sicht ebenfalls weit über 500 EUR lägen, empfand der Petent die Forderung als Förmelei.  
     
    Auf die Bitte des Bürgerbeauftragten um Prüfung und Verfahrensbeschleunigung teilte der Minister mit, dass derartig lange Bearbeitungszeiten unüblich seien. Nach Auskunft der Bewilligungsbehörde sei Ursache der Verzögerung der nicht hinreichend untersetzte Antrag des Petenten und die deshalb organisierte Nutztierhalterberatung. Nach Einschätzung des Ministers habe es beiderseits auf unterschiedlichen Erwartungshaltungen basierende Missverständnisse gegeben.

    Auf weitere Nachfrage durch den Bürgerbeauftragten zur Notwendigkeit von Vergleichsangeboten verwies das Ministerium darauf, dass der Petent nach der Förderrichtlinie auch Angebote von Online-Dienstleistern verwenden könne. Ein Abweichen von der Richtlinie sei nicht vorgesehen, auch wenn der abschließende Zuwendungsbetrag deutlich unterhalb der beantragten Investitionssumme liegen sollte. Der Bürgerbeauftragte hielt diese Position für unverständlich, konnte dem Petenten angesichts der Haltung des Ministeriums aber nur raten, die weiteren Kostenangebote einzuholen.

 

Landwirtschaft: Auch an den Nachbarn denken

Auch in einem landwirtschaftlich geprägten Land gibt es Konflikte zwischen Anwohnern von Nutzflächen und den Notwendigkeiten der agrarischen Bewirtschaftung. Wiederkehrend beschweren sich z. B. Bürger im ländlichen Raum beim Bürgerbeauftragten über die Größe, Geschwindigkeit und Lautstärke von Agrarfahrzeugen, gerade zur Erntezeit. Teilweise wird auch kritisiert, dass bei der Bestellung der Felder keine ausreichende Rücksicht auf ihre Belange genommen werde. Ein Fall aus dem Berichtsjahr: 

  • Ein Bürger beschwerte sich beim Bürgerbeauftragten über die Art und Weise der konventionellen Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes in seiner Nachbarschaft. So bringe dieser Pflanzenschutzmittel zu nah an der Grundstücksgrenze aus. Der Petent habe wiederholt auf seinem Grundstück „in einer Wolke“ eines Totalherbizids gestanden, was bei ihm zu gesundheitlichen Problemen geführt habe. Er bat um Auskunft, welche rechtlichen Bestimmungen für diese Maßnahmen einzuhalten seien. Der Bürgerbeauftragte erläuterte dem Petenten, dass Anwender von Pflanzenschutzmitteln Mindestabstände zu benachbarten Flächen einhalten müssen. Die Mindestabstände betragen bei der Behandlung von Ackerflächen allerdings nur zwei Meter. Sollten im Einzelfall bei der Risikobewertung der jeweiligen Mittel größere Abstände notwendig sein, sei dies im Zulassungsbescheid der betreffenden Pflanzenschutzmittel festgelegt. Pflanzenschutz dürfe gemäß § 3 des Pflanzenschutzgesetzes nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden und müsse auch den Schutz von Dritten beachten. Die Abdrift der eingesetzten Mittel von der behandelten Fläche sei grundsätzlich zu vermeiden.  
     
    Der Bürgerbeauftragte trug das Anliegen des Petenten dem Landwirtschaftsminister vor. Auf dessen Veranlassung fand ein Vor-Ort-Termin mit Vertretern der zuständigen Behörden statt. Der Minister teilte im Anschluss mit, dass Verstöße gegen die geltenden Bestimmungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht festgestellt worden seien. Dennoch habe der Landwirt Verbesserungsmöglichkeiten – zu denen er allerdings nicht verpflichtet sei – vorgeschlagen, wie die Änderung der Fruchtfolge, die Anlage von Blühflächen oder -streifen in Abhängigkeit von der Fördermöglichkeit und die vorherige Bekanntgabe der Termine für Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen an den Petenten.  
     
    Der Petent zeigte sich jedoch in der Folge nicht zufrieden. Er beklagte, auch nach dem Vor-Ort-Termin wiederholt auf seinem Grundstück „in einer Wolke von Spritzmitteln“ gestanden zu haben, ohne dass der Landwirt über das Ausbringen informiert habe. Die Beeinträchtigung ließe sich nur durch größere Abstandsflächen und die Beachtung der Wind- und Wetterverhältnisse verhindern. Auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten verbunden mit der Bitte um weitere Vermittlung teilte der Landwirtschaftsminister mit, dass es sich bei dem gemeinsamen Ortstermin um eine freiwillige Maßnahme zur Wahrung und Pflege einer guten Nachbarschaft gehandelt habe. Eine erneute Vermittlung werde als nicht notwendig erachtet. Der Landwirt verhalte sich rechtskonform, wenn er die vorgeschriebenen Mindestabstände einhalte und ein Abdriften vermeide. Dem Petenten wurden seitens des Ministeriums Kontaktmöglichkeiten benannt, an die er sich im Fall festgestellter Verstöße bei der Ausbringung von Düngemitteln bzw. Pflanzenschutzmitteln wenden könne. Diese könnten dann nach Prüfung sanktioniert werden. Dieser Empfehlung schloss sich der Bürgerbeauftragte an.

Letztlich wird es bei solchen Konflikten auch immer darauf ankommen, dass beide Seiten Verständnis für die Belange der anderen haben.

 

Gesundheit geht vor? Zur Überwachung eines Industrieunternehmens (Fortsetzung aus 2020)

Im letzten Jahresbericht hatte der Bürgerbeauftragte über erhebliche Beschwerden von Anwohnern eines metallverarbeitenden Unternehmens berichtet. Diese hatten von Lärm, ätzendem Geruch, Smog und Ruß im Umfeld der Anlage, aber auch von Gesundheitsgefährdungen der dort Arbeitenden berichtet. Der Bürgerbeauftragte hatte hierzu sowohl den Umweltminister als auch den für den Arbeitsschutz zuständigen Wirtschaftsminister eingeschaltet und auf schnelle Schritte zur Eindämmung dieser erheblichen Belästigungen und Gefahren gedrungen. Diese Unterstützung der Petenten setzte der Bürgerbeauftragte auch im Berichtsjahr fort. 

Ein für April geplanter Ortstermin mit dem Umweltminister konnte aufgrund der Pandemie zunächst nicht stattfinden; stattdessen erfolgte eine Videokonferenz mit den Anwohnern. Der gemeinsame Ortstermin wurde dann im Juni nachgeholt. Sogar an diesem Tag wurde sichtbar, dass sich das Unternehmen nicht an die Auflagen hielt. Hierbei sagte dann auch die Geschäftsführung des Unternehmens größere technische Umrüstungen zu, die sich aber wegen des Umfangs über einen längeren Zeitraum erstrecken sollten. Weitere Gespräche der Bürger mit dem Geschäftsführer wurden zugesagt. 

Die beteiligten Behörden unternahmen im Laufe des Jahres erhebliche Anstrengungen, einen inzwischen ausgearbeiteten Maßnahmeplan gegen die schädlichen Einwirkungen abzuarbeiten. Die Behörden gingen Hinweisen der Petenten zu neuen Vorfällen nach und ordneten hierzu Änderungen beim Unternehmen an. Das Staatliche Amt für Landeswirtschaft und Umwelt hörte das Unternehmen ferner zu weitgehenden Maßnahmen bis hin zur teilweisen Betriebsuntersagung an. Zumindest einige Mängel wurden in diesem Zeitraum teilweise abgestellt. Die Petenten sahen diese Bemühungen grundsätzlich positiv, beklagten aber weiterhin erhebliche Störungen durch den Unternehmensbetrieb. 

Vereinbart ist, dass die Behörden weiterhin bei dem Unternehmen aktiv bleiben und der Umweltminister den Bürgerbeauftragten und damit die Petenten halbjährlich über die Ergebnisse informiert. Es ist zu befürchten, dass durchgreifende Änderungen noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen werden, wenn sie überhaupt durchgeführt werden. 

114 Eingaben im Jahr 2021 (Vorjahr: 80) bezogen sich auf das Schulwesen. 53 hiervon hatten einen Bezug zur Corona-Pandemie (Vorjahr: 23). Hier ging es oft um Fragen der konkreten Umsetzung von rechtlichen Vorgaben. Eltern äußerten auch mehr oder weniger pauschale Kritik an Corona-Schutzmaßnahmen wie der Aussetzung des Präsenzunterrichts (besonders in dem Zeitraum, als in Mecklenburg-Vorpommern strengere Regeln als nach der sogenannten „Bundesnotbremse“ galten) sowie an der Masken- bzw. Testpflicht. Einige wenige Petenten hingegen wünschten sich mehr Schutz, z. B. (bevor die Testpflicht an Schulen eingeführt wurde) die Absicherung von Präsenzunterricht durch Testangebote. Andere forderten zum Winterbeginn die Aussetzung der Präsenzpflicht zur Eindämmung des ansteigenden Infektionsgeschehens. 

Nur noch in 11 Fällen ging es um Fragen der Schülerbeförderung, ein weiterer Rückgang zu den Vorjahren. Es handelte sich fast ausschließlich um konkrete Einzelanliegen, etwa wegen zeitweiliger Erschwernisse durch eine Baustellenumleitung oder durch Schienenersatzverkehr, aber auch zur Dauer der Anfahrt zum Sport- bzw. Hochbegabtengymnasium mit überregionalem Einzugsbereich. Regelmäßig beschweren sich Petenten darüber, dass es nach dem Schulgesetz keinen Anspruch auf Schülerbeförderung zu einer örtlich unzuständigen Schule oder entsprechende Kostenerstattung gibt. Oft, aber nicht in jeder Konstellation, fangen dies die Landkreise durch freiwillige Zusatzangebote in ihren Schülerbeförderungssatzungen auf. Eine Petentin formulierte ihr grundsätzliches Anliegen, das im Vorjahr eingeführte AzubiTicket auf Schüler allgemeinbildender Schulen auszuweiten (s. nachfolgenden Beitrag). 

 

AzubiTicket auch für Schüler?

Das Schulgesetz des Landes gesteht Schülern grundsätzlich keine kostenfreie Schülerbeförderung zur örtlich unzuständigen Schule zu. Manche Landkreise gewähren sie dennoch – ganz oder teilweise – als freiwillige Leistung aufgrund ihrer Schülerbeförderungssatzung, jedoch regelmäßig nicht beim Besuch einer Schule jenseits der Kreisgrenze. Dies betrifft in der Praxis insbesondere den Besuch von Schulen in den kreisfreien Städten. 

Eine Bürgerin aus einem Landkreis regte an, dass das zum Februar 2021 neu eingeführte AzubiTicket, mit dem Auszubildende für 365 EUR im Jahr den ÖPNV landesweit nutzen können, auch für Schüler allgemeinbildender Schulen gelten solle. Das käme insbesondere Schülerinnen und Schülern zugute, die eine örtlich unzuständige Schule, vor allem außerhalb des eigenen Landkreises, besuchen. In diesen Fällen könnte die Nutzung eines AzubiTickets helfen, das aber nach seiner Konzeption ausdrücklich nicht als Angebot für Schüler allgemeinbildender Schulen vorgesehen war.

Der Bürgerbeauftragte fragte beim für den ÖPNV zuständigen Minister nach der Möglichkeit einer Ausweitung des AzubiTickets. Denn wie Eingaben über Jahre hinweg zeigen, empfinden viele Familien die freie Wahl der weiterführenden Schule als nicht frei, wenn sie empfindliche Kosten für die Schülerbeförderung zur Folge haben kann.

Das Ministerium bestätigte, dass das AzubiTicket bewusst nicht für Schüler allgemeinbildender Schulen gedacht sei. Dieses solle nur Schüler beruflicher Schulen entlasten, die nach dem Schulgesetz keinen Anspruch auf kostenfreie Beförderung und wegen zentralisierter Berufsschulstandorte oft weite Wege auf sich zu nehmen hätten. Eine Erweiterung des Teilnehmerkreises würde die Haushaltsmittel übersteigen. 

Auch wenn dieses Instrument des AzubiTickets begrenzt ist, hält der Bürgerbeauftragte verbesserte gesetzliche Regelungen zur Ermöglichung der freien Schulwahl nach wie vor für erforderlich. 

 

Veranstaltung „Schule (in) der Demokratie“

Im letzten Jahresbericht hatte der Bürgerbeauftragte über mehrere Fälle berichtet, in denen Schulleiter bei ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen Schülerinnen und Schüler deren Rechte und auch die gesetzlichen Bestimmungen grob missachtet hatten. Dies war Anlass für ihn, am 14.06.2021 mit dem Landeselternrat und dem Landesschülerrat eine Tagung „Schule (in) der Demokratie – die Verwirklichung von Rechten und Teilhabe in der Schule“ zu veranstalten. Hieran nahmen auch die damalige Bildungsministerin und Vertreter der Landtagsfraktionen teil. 

Nachdem die Vorsitzenden von Landeselternrat und Landesschülerrat in Impulsvorträgen ihre Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema dargestellt hatten, sprach Frau Dr. Gudrun Heinrich von der Universität Rostock zum Thema „Warum Schule für die Demokratie so wichtig ist“. Sie bezeichnete in ihrem Vortrag die Schule als zentralen Ort für die Befähigung zur demokratischen Partizipation und forderte, dass eine demokratische Schulkultur von den Schulleitungen und politischen Verantwortungsträgern unterstützt werden müsse. Sie stellte fest, dass es wenig Wissen über die Strukturen und Potentiale der Demokratiebildung in den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern gebe. Ein Förderprogramm oder ein Monitoring zur demokratischen Schulkultur fehle.

Als Ergebnis der anschließenden Beratungen wurde festgehalten: 

  • Das Schulgesetz bilde generell eine gute Grundlage für schulisches Handeln, die Prüfung von Rechten und Pflichten der Beteiligten und die Verwirklichung von Teilhabe von Schülern und Eltern. Die Wirklichkeit bleibe aber hinter dem Gesetz zurück. Verpflichtende Bestimmungen, z. B. zur Einberufung von Konferenzen, würden nicht genügend eingehalten. Über viele wichtige Regelungen gebe es offenbar keine Kenntnisse in den Schulleitungen oder bei den Lehrkräften. Folglich werde eine demokratische Schulkultur zu wenig gelebt und zu wenig organisiert. Kenntnisse über individuelle und Teilhaberechte würden dann Schülern zu selten vermittelt.

 

  • Abhilfe könnte mehr Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte schaffen, vielleicht auch gesetzlich vorgegeben werden. Kundige "Schülerbeauftragte" (z. B. Schulsozialarbeiter) könnten Schülern bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

 

  • Die Landkreise und kreisfreien Städte als Schulträger beteiligten die Schulen kaum an wichtigen Entscheidungsfindungen und die Eltern- und Schülervertretungen schon gar nicht. 

 

  • Aus den Schülerkreisen wurde die Frage nach dem Beginn der Schülermitwirkung gestellt. Erfahrungen aus freien Schulen hätten gezeigt, dass schon in der fünften Jahrgangsstufe demokratische Interessenvertretung und Mitverantwortung übernommen werden könnte. Das müsse auch in staatlichen Schulen möglich sein

 

  • Ein besonderes Problem sei die Organisation von Schülervertretungen im berufsbildenden Schulwesen. Hier gebe es durch geringe Vorerfahrungen und den Blockunterricht schlechte Voraussetzungen für die Bildung und praktische Mitwirkung der Schülervertretungen. Auch die Regionalschulen hätten naturgemäß schlechtere Voraussetzungen (fehlende „Laufzeiten" mangels Oberstufe) für die Arbeit in der Schülervertretung.

 

  • Die Schülerarbeit auf Kreisebene leide unter den großen Entfernungen, den schlechten Mobilitätsmöglichkeiten und den unscharfen Zuständigkeiten eines Kreisschülerrates. Die organisatorische Unterstützung durch die Landkreise halte sich in Grenzen. Mobilitätskosten müssten nach den praktischen Gegebenheiten erstattet werden.

 

  • Die gesetzlichen Vorgaben verlangten nicht, dass alle Schulformen in den Vertretungen repräsentiert würden. Insofern sei das Auswahlprinzip für die nächsthöhere Ebene noch einmal zu prüfen. Möglicherweise könnten Quoten helfen. Generell müsse infrage gestellt werden, ob die Wahl in höhere Vertretungsebenen die Mitgliedschaft in den örtlichen Vertretungen lückenlos voraussetzen müsse („Packeselprinzip"). Die hierzu erfolgten gesetzlichen Erleichterungen würden als unzureichend empfunden.

 

Diese Ergebnisse stellte der Bürgerbeauftragte gegenüber der Bildungsministerin auch noch einmal schriftlich dar. Das Ministerium verwies in seiner Antwort auf die verschiedenen gesetzlichen Instrumentarien und zusätzliche Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte und Schüler. Die vom Bürgerbeauftragten benannten Probleme seien im Ministerium nicht bekannt. Letztlich obliege die Wahrnehmung der gesetzlichen Mitwirkungsrechte für Eltern und Schüler den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Mitwirkungsgremien. 

 

Förderschule oder Inklusion in der Regelschule?

Die Mutter einer 13-jährigen Tochter, die mit Trisomie 21 geboren wurde, meldete sich telefonisch beim Bürgerbeauftragten. Ihre Tochter konnte bis zur Klassenstufe 6 eine reformpädagogische Regelschule mit Hilfe eines Integrationshelfers erfolgreich besuchen. Nun stand ein Wechsel in die Klassenstufe 7 bevor, die es an der bisherigen Schule aber nicht gab. Das Staatliche Schulamt hatte durch seinen Zentralen Fachbereich für Diagnostik und Schulpsychologie den sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bei der Schülerin festgestellt. Es wurde der Besuch einer der beiden Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in der Stadt empfohlen. 

Da die Tochter sich bei Probebesuchen in einer der Förderschulen sehr unwohl fühlte und u.a. an Schlafstörungen litt begehrte die Mutter die Fortsetzung einer inklusiven Beschulung in einer Regelschule. Sie erhielt aber bei den angefragten Schulen nur Ablehnungen. 

Der Bürgerbeauftragte trug der Ministerin die Sachlage vor und verwies auf den Anspruch auf eine inklusive Beschulung nach § 34 des Schulgesetzes und darauf, dass die Einschulung auch bei einer Förderschule bedarfsgerecht erfolgen müsse. 

Nach zwei Monaten ohne Antwort fragte der Bürgerbeauftragte unter Einreichung weiterer medizinischer Befunde und Diagnosen bei der Ministerin nach. Nach einem weiteren Monat des Wartens erhielt er im Juni, also kurz vor Ende des Schuljahres, eine Antwort des Staatssekretärs. Dieser teilte mit, dass nach Abwägung aller räumlichen, sächlichen und personellen Bedingungen an Regionalen Schulen in der Stadt „eine notwendige gute professionelle sonderpädagogische Betreuung nicht gewährleistet werden“ könne. Eine Schule mit spezifischer Kompetenz im Sekundarbereich I sei in der Stadt nicht vorhanden. Es könne daher nur eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung als geeigneter Lernort empfohlen werden. 

Die Petentin und auch der Bürgerbeauftragte hatten kein Verständnis dafür, dass es in der vielfältigen Schullandschaft der Stadt nicht möglich sein sollte, die Tochter am gemeinsamen Unterricht in einer Regelschule unter guten Bedingungen teilnehmen zu lassen. Die Petentin setzte sich deshalb mit der „Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ in Verbindung, um sich argumentative und politische Hilfe zu holen. Der Bürgerbeauftragte fasste in einem weiteren Schreiben bei der Bildungsministerin nach. Er regte eine neue Begutachtung im Beisein der Mutter an, um die speziellen Bedürfnisse im Rahmen der inklusiven Beschulung zu erkennen. Weiter empfahl er, umgehend einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen, damit sich die Mutter bei bleibendem Dissens rechtlich gegen die Entscheidung wehren könnte. Zugleich bat er darum, noch einmal mit der Schulbehörde ins Gespräch zu gehen, um Lösungen und Wege für ein angemessenes Angebot einer inklusiven Beschulung zu schaffen.

Nachdem auch Gespräche der Petentin selbst, unterstützt durch das Bundesnetzwerk, mit dem Ministerium stattgefunden hatten, sicherte das Ministerium dem Bürgerbeauftragten zu, im Einvernehmen mit der Mutter einen inklusiven Förderort an einer Regelschule der Stadt zu ermöglichen. In der Folge stimmte eine städtische Regelschule der inklusiven Beschulung dann zu. Zusätzlich wurden fünf Stunden individuelle sonderpädagogische Förderung bewilligt. 

Der Bürgerbeauftragte nahm dies zum Anlass, eine Grundsatzbesprechung auf Fachebene zu initiieren, da es zuletzt immer wieder Schwierigkeiten bei dem Wunsch zu einem gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen gekommen war. Zwar gelang es des Öfteren mit Hilfe des Schulwahlrechts, einen passenden Schulplatz zu bekommen. Folgefragen stellten sich dann aber des Öfteren als schwer lösbar heraus (Kosten für die Schülerbeförderung, sonderpädagogische Begleitung, Ausstattung der Schule). Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass es auch neben den 28 Schulen mit spezifischer Kompetenz im Land die Möglichkeit für einen inklusiven Unterricht geben muss. Im ländlichen Raum ist dies offenbar stärker möglich, weil hier eine höhere Inklusionsbereitschaft aller Beteiligten vorliege.

Der Bürgerbeauftragte wird das Gespräch im Jahr 2022 weiterführen, dann mit dem Zentralen Fachbereich Diagnostik und Schulpsychologie.

Die Petentin berichtete später, dass ihre Tochter in der neuen Schule gut angekommen sei. Inzwischen hat die Mutter eine Elterninitiative gegründet, die sich für gemeinsames Lernen im Land einsetzt. Der Bürgerbeauftragte führte im neuen Schuljahr ein Grundsatzgespräch mit dem neu gebildeten Vorstand der Initiative. Dabei wurden Erfahrungen aus den Förderschulen mit denen einer inklusiven Beschulung verglichen.

 

Probleme bei der Kindertagesbetreuung

Zeitweilige Kita- und Schulschließungen im Frühjahr 2021 stellten Eltern wieder vor große Herausforderungen. Er galt erneut, die Erwerbstätigkeit mit der häuslichen Kinderbetreuung von kleinen und von schulpflichtigen Kindern zu vereinbaren. Der Bürgerbeauftragte beriet und informierte über Regelungen. Bei akuten Problemen, etwa weil die Notfallbetreuung nicht erfolgte, obwohl ein Anspruch darauf bestand, wandte sich der Bürgerbeauftragte an die jeweilige Verwaltung. 

 

Bearbeitungsstau bei Kita-Anträgen (Fortsetzung aus 2020)

 

Das KiföG M-V regelt Anspruch und Umfang der Kindertagesbetreuung in Krippe, Kindergarten, Kindertagespflege und im Hort. Die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben sicherzustellen, dass der Bedarf für die Betreuung durch einen ausreichenden Bestand von Einrichtungen und Diensten gedeckt ist.

In den Berichten der letzten Jahre wurde auf fehlende Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen hingewiesen. Auch 2021 erreichten den Bürgerbeauftragten dazu Beschwerden. Erneut gab es Eingaben von Erziehungsberechtigten und Trägern von Kindertageseinrichtungen wegen erheblicher Bearbeitungsrückstände im Jugendamt. Dies betraf vor allem einen Landkreis. Mehrmonatige Bearbeitungszeiten und fehlende Erreichbarkeit führten zu Ärger und Not bei den Betroffenen.

Eltern entrichten zwar keine Beiträge mehr für die Kinderbetreuung. Sie tragen aber die Kosten der Verpflegung in der Kindertagesförderung. Soweit den Eltern eine Kostenbeteiligung nicht oder nur anteilig zuzumuten ist, übernimmt der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Verpflegungskosten und zahlt sie an den Träger der Kindertageseinrichtung oder an die Tagespflegeperson. Eine verzögerte Bearbeitung wirkt sich auf Personen mit geringem Einkommen besonders nachteilig aus. Solange es noch keine Entscheidung der Verwaltung über ihre Anträge auf Befreiung gibt, müssen sie die Verpflegungskosten an den Träger der Kindertageseinrichtung zahlen und damit verauslagen.  

Folgende Beispiele verdeutlichen die Probleme: 

  • In einem Fall meldete sich Ende Januar 2021 eine alleinerziehende Mutter mit geringem Einkommen, über deren Antrag seit August 2020 nicht entschieden wurde. Verpflegungskosten von mehreren hundert Euro hatte sie bereits verauslagt, sah sich jedoch nicht mehr in der Lage, weitere Verpflegungskosten zu zahlen. Die Kita drohte mit der Kündigung des Betreuungsvertrages. Die zuständigen Bearbeiter im Landkreis erreichte sie nicht; zugesagte Rückrufe erfolgten ebenfalls nicht.

 

  • In einem anderen Fall meldete sich im September 2021 eine Mutter eines kleinen Kindes. Sie hatte nach der Trennung vom Vater des Kindes im März 2021 einen Antrag auf Übernahme der Verpflegungskosten gestellt. Im Juli 2021 wurde sie aufgefordert, Nachweise einzureichen. Danach hörte sie von der Verwaltung nichts mehr. Auf Nachfragen per E-Mail erhielt sie keine Antwort. 

 

In diesen Fällen konnte eine kurzfristige Klärung erreicht werden, nachdem sich der Bürgerbeauftragte an die jeweilige Verwaltungsspitze wandte. Die laufenden Kosten wurden vom Jugendhilfeträger übernommen, Nachzahlungen für die verauslagten Kosten veranlasst. 

 

Eingliederungshilfe § 35 a SGB VIII

Ein weiterer Schwerpunkt war die Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung. Die Probleme sind hier vielfältig. Teilweise dauert es lange, bis der Bedarf ermittelt wird, weil für notwendige Begutachtungen monatelange Wartezeiten bestehen. Dann können dringend erforderliche Hilfen erst verspätet gewährt werden. 

Im folgenden Fall hatte die Verwaltung zwar den Bedarf zügig festgestellt und einen Integrationshelfer für eine Kita bewilligt. Die praktische Umsetzung war aber mit erheblichen Problemen für die Eltern verbunden: 

  • Die Mutter eines 5-jährigen Kindes teilte im März 2021 mit, dass sie keinen Kitaplatz für ihr Kind finde. Der vorherige Kita-Träger hatte den Betreuungsplatz gekündigt. Mehrere ärztliche Gutachten diagnostizierten psychosoziale Anpassungsprobleme, extreme Umtriebigkeit und eine allgemeine Entwicklungsverzögerung. Das Kind wurde seit mehreren Jahren in einem sozialpädiatrischen Zentrum behandelt. Seit Oktober 2020 wurde das Kind durchgängig teilstationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt und dabei von seiner Mutter begleitet. Die Entlassung stand Mitte März 2021 bevor. Obwohl das Jugendamt bereit war, die Fachleistungsstunden für den Integrationshelfer zu erhöhen, wollte keine Kita das Kind betreuen.  
     
    Der Bürgerbeauftragte wandte sich an den Oberbürgermeister und bat um schnelle Klärung. Aus ärztlicher, pädagogischer und psychologischer Sicht wurde eine sofortige Kindertagesbetreuung dringend angeraten. Es besteht ein Anspruch auf Kindertagesförderung und Sicherung des Eingliederungsbedarfs. Nach weiteren intensiven Bemühungen der zuständigen Fachdienstleiterin gelang es, einen Betreuungsplatz im benachbarten Landkreis zu finden.  

Im Bereich Wissenschaft und Kultur, der bis zum Herbst 2021 zum Ressort des Bildungsministeriums gehörte, gab es im Berichtsjahr 12 Eingaben. Sie betrafen hauptsächlich den Denkmalschutz (7 Fälle), im Übrigen die Hochschulen und die Kultur. 

Im Schwerpunkt Denkmalschutz sorgten sich Bürger um den Erhalt öffentlicher Bausubstanz als Kulturgut. Im Berichtsjahr betraf dies Abschnitte der alten B 96 bei Mesekenhagen im Landkreis Vorpommern-Greifswald; dort sollten Teile eines ca. 100-jährigen Straßenpflasters dem Ostseeküstenradweg weichen. Ein anderes Beispiel sind die Reste des Krankenhauses in Warin. Sie standen auf einem anerkannten Bodendenkmal aus mittelalterlicher Zeit, der sogenannten Bischofsburg. Sie mussten nach dem Willen der Stadt einer neuen Verwendung des Geländes mit Neubauten weichen – allerdings unter denkmalrechtlichen Auflagen zum Schutz des Bodendenkmals und der Gewölbekeller der Bischofsburg. In beiden Fällen lagen den Behördenentscheidungen Abwägungen zugrunde, die den Petenten erläutert wurden.

Die Eingaben zu Hochschule und Kultur bezogen sich auf persönliche Sachverhalte, zum Teil im Zusammenhang mit Corona-Schutzmaßnahmen. Zu erwähnen sind Fälle schneller Abhilfe nach Initiative des Bürgerbeauftragten: So gestattete die Universitätsbibliothek Rostock einer dort wohnenden Studentin einer Hamburger Hochschule aufgrund besonderer persönlicher Umstände die Nutzung, obwohl für auswärtige Studierende Beschränkungen bestanden. In einem anderen Fall nahm das Gesundheitsministerium eine kurzfristige Änderung in den Corona-Regelungen vor, um eine Gleichbehandlung verschiedener Hochschulausbildungsgänge zu ermöglichen.

Über die Jahre hinweg machen Anfragen und Eingaben zu sozialrechtlichen Angelegenheiten oder mit einem sozialen Schwerpunkt immer den größten Anteil an den Eingängen beim Bürgerbeauftragten aus. Das liegt an der besonderen Beratungs- und Unterstützungsaufgabe, die das Gesetz für den Bürgerbeauftragten vorsieht. Diese Themen haben in den letzten Jahren knapp die Hälfte der Fälle ausgemacht, zuletzt rund 45 %. 2021 waren es hingegen nur noch 706 Anfragen, also rund 36 %. Davon hatten 118 Corona-Bezug. Nicht mitgezählt sind 197 weitere Fälle des Gesundheitsrechts, die sich auf den Kernbereich des Infektionsschutzes bezogen (Quarantäne, Testen und Impfen). Zählte man dieses Sachgebiet mit, wären es 903 Fälle (45,5 %). 

Das Sozialrecht mit seinen verschiedenen Leistungsgesetzen und vielfältigen Anspruchsgrundlagen stellt schon für Rechtsanwender eine Herausforderung dar. Gute Rechtskenntnisse, die auch die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigen müssen, sind in der Sozialverwaltung nötig. Erst recht ist es für die Betroffenen schwer möglich, sich in den einzelnen Bestimmungen zurechtzufinden. Sie benötigen eine gute und umfassende Beratung, worauf ihnen § 14 SGB I auch einen Anspruch gibt. Über viele Bereiche der Sozialverwaltung erreichten den Bürgerbeauftragten jedoch Beschwerden, weil sich Bürger nicht gut oder gar falsch beraten fühlten. Andere wandten sich an die Dienststelle, weil sie dort eine unabhängigere und fundierte Hilfe suchten und einen leichteren Zugang erwarteten. 

Auch lange Verfahrensdauern waren Gegenstand von Beschwerden. Der Bürgerbeauftragte erreichte dabei in vielen Fällen eine Beschleunigung oder Klarheit über den Sachstand und Verfahrenshindernisse. Die rechtliche Behandlung durch die Fachreferenten führte häufig zu positiven Abschlüssen.

Die über längere Strecken für Publikum geschlossenen oder eingeschränkt zugänglichen Verwaltungen wurden von Betroffenen dabei unterschiedlich bewertet. Problematisch wurde dies bei Verfahren empfunden, etwa Bedarfsfestellungen, bei denen umfassendere Sachverhaltsermittlungen und Beurteilungen durch persönliche Gespräche nötig waren und Fachleute beteiligt werden mussten, z.B. in der Jugendhilfe oder der Eingliederungshilfe. Anders war dies bei überschaubaren Sachverhalten und klar definierten Leistungsansprüchen, in denen der Beratungsbedarf allgemein gut telefonisch oder online nach Übermittlung von Unterlagen und Nachweisen erfüllt werden kann.

 

Corona: Die Pandemie bestimmt das Petitionsgeschehen

 

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Corona-Pandemie das Petitionsgeschehen in vielen Themen- und Lebensbereichen ganz erheblich. Von den 1.985 Petitionen bezogen sich 506 unmittelbar oder mittelbar auf diesen Themenbereich – das sind ca. ein Viertel aller Eingaben. Hinzu kam erneut eine Vielzahl von „kleineren“ Anfragen per Telefon oder E-Mail. Denn auf einer Webseite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war über längere Zeit die Telefonnummer der Dienststelle des Bürgerbeauftragten als „Hotline“ gelistet. 

Als generelles Problem zeigte sich im Jahresverlauf, dass die Regelungen immer detaillierter und damit immer unübersichtlicher wurden. Selbst für die mit der Corona-Landesverordnung ständig befassten Mitarbeiter des Bürgerbeauftragten war es gerade zum Jahresende schwierig festzustellen, welche Regelung unter welchen Voraussetzungen galt. 

Folgende Themenkreise wurden im Laufe des Jahres häufiger angesprochen, wobei sich besonders im ersten Halbjahr die Punkte, die bereits 2020 Gegenstand des Jahresberichts waren, teilweise wiederholten:

  • Erneut gab es viele Beschwerden über restriktive Einreiseregelungen des Landes, die erst zum 11. Juni 2021 vollständig aufgehoben wurden. Viele Betroffene konnten das generelle Einreiseverbot für Auswärtige nicht nachvollziehen, zumal weiterhin die eigenen Bürger aus dem Land frei in andere Bundesländer reisen durften. Kritik entzündete sich insbesondere daran, dass bestehende Ausnahmeregelungen für auswärtige Bürger wieder aufgehoben worden waren. Dies betraf z. B. Personen aus anderen Bundesländern, die ihren Kleingarten, ihr Grundstück oder Ferienhaus im Land nicht mehr aufsuchen durften. Bei den Betroffenen führte dies nicht nur zu Unverständnis, sondern auch aufgrund der erneuten und langen „Aussperrung“ zu Empörung und Wut. 

 

  • Selbst beim eigentlich zulässigen Besuch der „Kernfamilie“ durch Auswärtige kam es zu Schwierigkeiten. So war es für Bürger unverständlich, warum die Einreise ins Bundesland zu diesem Zweck für Ehepaare zulässig war, der eigentliche Besuch bei der Kernfamilie aber, je nach genauer Familienkonstellation, wegen der allgemeinen Kontaktbeschränkungen zeitweise nur von einer einzigen Person durchgeführt werden durfte.

 

  • Aber auch Reisebeschränkungen für Aufenthalte innerhalb des Bundeslandes sorgten für Unverständnis: So beklagten sich Bürger, dass sie zwar tagsüber ihren Wohnwagen beim Dauercamping aufsuchen durften, aber ein Übernachten darin verboten war. Ähnliche Probleme gab es auch bei der Frage, ob bei der Nutzung eines Bootes im Hafen übernachtet werden durfte.

 

  • Wiederkehrend betrafen Eingaben den deutsch-polnischen Grenzverkehr. Hierbei ging es sowohl um die Einreise von polnischen Arbeitskräften im grenznahen Raum als auch um Besuche von Einheimischen in Polen. Hier gab es mehrfach Beschwerden, dass im Grenzgebiet eingesetzte Beamte nicht immer die aktuelle Regelungslage kannten und zu Unrecht Einreisen verweigerten oder falsche Auskünfte zu den Reisemöglichkeiten gaben. 

 

  • Die eingeführte Testpflicht beim Aufenthalt im Land oder bei der Beherbergung führte ebenfalls in den ersten Zeiten für erhebliche Verwirrung – sowohl bei den betroffenen Bürgern als auch bei den Beherbergungsbetrieben. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang auch, dass erst wenig Testmöglichkeiten vorhanden waren. Eine Problemlage, die sich bei Einführung der 3G-, 2G- und 2Gplus-Regelungen1 erneut und noch häufiger auftat. Der plötzlich enorm hohe Bedarf an Tests führte insbesondere in den ersten Tagen und Wochen teils zu Wartezeiten von zwei Stunden.

 

  • Mit der Einführung von örtlich begrenzten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gab es auch hierzu eine Reihe von Beschwerden beim Bürgerbeauftragten. Bürger konnten beispielsweise nicht nachvollziehen, warum sie abends nicht alleine spazieren gehen oder außerhalb ihres Grundstücks Sport treiben durften.

 

  • Kritisiert wurde auch in mehreren Fällen, dass nach der Einführung einer abschließenden Regelung zu erlaubten schulischen und Weiterbildungsveranstaltungen bestimmte Ausbildungsgänge nicht mehr in Präsenz stattfinden durften. Dies betraf z. B. Aufstiegsqualifizierungen, aber auch spezielle Kurse für benachteiligte Jugendliche. Der Bürgerbeauftragte bat die Landesregierung hier um eine Ergänzung der Regelung, die dann auch teilweise erfolgte.

 

  • Immer wieder angesprochen wurden auch Probleme mit der Maskenpflicht. Hierbei wurde teilweise die Maskenpflicht kritisiert bzw. individuelle Schwierigkeiten damit angesprochen. Von einkommensschwachen Bürgern wurde auch nach Unterstützung zur Versorgung mit FFP2-Masken nachgefragt – entweder durch eine Ausgabe von Masken an die Betroffenen oder über einen Zuschuss zu Sozialleistungen. 

 

  • Andere Anfragen betrafen die Förderung von Gewerbebetrieben oder Dienstleistern, die aufgrund der Pandemie ihre Tätigkeit nicht weiterführen durften.

 

  • Weniger Eingaben als im Vorjahr gab es zu Besuchen in Pflegeeinrichtungen oder in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung. Die Landesverordnung sah grundsätzlich Besuchsmöglichkeiten vor. Zu Jahresbeginn gab es aber lokale Einschränkungen durch Besuchsverbote in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen. Zur Jahresmitte kam vermehrt der Wunsch auf, aufgrund des damals sehr geringen Infektionsgeschehens, Angehörige auch ohne Maske besuchen zu dürfen. Zum Jahresende war Grund der Eingaben, dass einzelne Einrichtungen im Rahmen des Hausrechtes strengere Regeln vorsahen, als es die Landesverordnung verpflichtend vorgab. Hier wurde über die Möglichkeiten nach der Verordnung beraten. Teilweise konnte auch eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit der Einrichtungsleitung weiterhelfen. 

 

Der Bürgerbeauftragte beriet die Bürger in solchen Fragen zur Rechtslage. Er wandte sich aufgrund der Eingaben auch immer wieder an verschiedene Stellen in der Landesregierung, um bestehende Regelungen zu hinterfragen und Änderungen vorzuschlagen. Im Gegensatz zu 2020 blieben diese Initiativen aber im Berichtsjahr weitgehend ohne Erfolg. 

Mit der Ermöglichung von Impfungen ab dem Jahreswechsel 2020/2021 ergab sich eine Vielzahl von neuen Konfliktpunkten und Petitionen:

  • Sowohl zu Beginn der Impfkampagne als auch zum Jahresende 2021, als insbesondere Auffrischungsimpfungen notwendig wurden, gingen Beschwerden über lange Wartezeiten oder Probleme bei der Terminvergabe ein.

 

  • Auch die aufgrund der anfänglichen Impfstoffknappheit eingeführte Priorisierung bestimmter Personengruppen zu Beginn der Impfkampagne führte zu einer Vielzahl von Eingaben. Teilweise ging es darum, dass Personengruppen vorrangig geimpft werden sollten, z. B. Krebspatienten. Teilweise ging es auch um Einzelfälle, bei denen aufgrund verschiedener Faktoren eine höhere Priorisierung geprüft werden sollte. Der Bürgerbeauftragte setzte sich in diesen nachvollziehbaren Fällen für die Petenten ein. 

 

  • Auch die Wahl des Impfstoffes war ein Thema, sei es, dass zunächst für unter 60jährige nur Vektorimpfstoffe freigegeben wurden, sei es, dass zum Jahresende für über 30jährige nur ein bestimmter Impfstoff verimpft werden sollte. Hier verwies der Bürgerbeauftragte auf die medizinrechtliche Zulassung und damit auf die Sicherheit der Impfstoffe. 

 

Ein weiteres Problem ergab sich aus der Einführung der 3G-Regelung für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zum Jahresende, da die Einhaltung dieser Vorschrift vielfach gar nicht umsetzbar war. Wer auf dem Land wohnt, wo es vor Ort keine Testmöglichkeit gibt, und mit dem ÖPNV erst zum Testzentrum oder zur Arbeit (und zur dortigen Testdurchführung) fahren muss, konnte den ÖPNV faktisch nicht nutzen. Hier nahm der Bürgerbeauftragte mit dem Ministerium und der Verkehrsgesellschaft M-V Kontakt auf. Die Verkehrsbetriebe haben hierzu pragmatische Lösungen gefunden. 

Wie im Vorjahr ist festzuhalten, dass bei den meisten Bürgern grundsätzlich Verständnis für die pandemiebedingten Einschränkungen vorhanden war. Teils forderten die Petenten sogar, Regelungen zu verschärfen bzw. diese durch die Behörden strenger zu kontrollieren und durchzusetzen. Kritik entzündete sich aber auch an zahlreichen Einzelregelungen, die für die Bürger nicht nachvollziehbar waren. Gerade zum Jahresende wurde der Ton in den Zuschriften und Anrufen beim Bürgerbeauftragten zunehmend gereizter und aggressiver. Spätestens durch die Einführung der 2G-Regelungen fühlten sich nicht geimpfte Bürger zunehmend ausgegrenzt. Andere sahen in diesen Regelungen einen indirekten Zwang zur Impfung. Der Bürgerbeauftragte konnte in diesen Fällen, bestätigt durch die damalige Rechtsprechung, darüber informieren, dass solche Regelungen grundsätzlich zulässig sein dürften. Er warb darum, Differenzierungen zwischen Ungeimpften und Geimpften zu akzeptieren.

Der Bürgerbeauftragte sah sich durch die Vielzahl der Eingaben veranlasst, im Dezember 2021 für wechselseitiges Verständnis zwischen Bürgern und Politik zu werben. Es gelte, dringend die gemeinsame Verantwortung zu erkennen, sprachlich abzurüsten und Verständnis für die jeweils andere Seite aufzubringen. Gegenüber der Landespolitik mahnte er an, Vorausschau und mehr Vorlauf für neue Regelungen zu üben und bestehende Regelungen zu vereinfachen. 

 

Corona: Auslandsreisen hatten Folgen

Mehrfach setzte sich der Bürgerbeauftragte während des Berichtszeitraums auch in „Corona-Fällen“ für unbürokratische Lösungen zu Gunsten von Bürgerinnen und Bürgern ein. Dies gelang jedoch nicht immer. Die beteiligten Behörden verweigerten sich bürgerfreundlichen Entscheidungen, wie die folgenden beiden Fälle zeigen:

  • Eine Beschäftigte eines Landkreises reiste im Januar zur Hochzeit ihres einzigen Sohnes mit einer Mexikanerin nach Mexiko. Aufgrund der damaligen Corona-Bestimmungen war die Heirat in Deutschland nicht möglich gewesen. Wegen der erforderlichen weiten Reise war die Mutter die einzige Verwandte des Bräutigams, die vor Ort an der Feierlichkeit teilnehmen konnte. Nach Rückkehr aus dem seinerzeitigen Hochrisikogebiet Mexiko musste die Bürgerin in Quarantäne, konnte daher ihrer Arbeit bei einem Landkreis nicht nachkommen und bekam dementsprechend auch kein Entgelt. Sie stellte daher einen Antrag auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz für den Verdienstausfall beim Landkreis als ihrem Arbeitgeber. Dieser lehnte den Antrag ab. Die Reise zur Hochzeit ihres Sohnes sei im Sinne des § 56 Absatz 1 des Infektionschutzgesetzes „vermeidbar“ gewesen. Trotz aller Argumente blieb der Landkreis bei seiner ablehnenden Haltung. Das Sozialministerium hielt diese Entscheidung ausdrücklich für richtig. Sie beriefen sich auf die Gesetzesbegründung, die zur Frage der „Vermeidbarkeit“ das Folgende ausführt: „Eine Reise ist (…) dann vermeidbar, wenn aus Sicht eines verständigen Dritten keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für eine entsprechende Reise zum Zeitpunkt der Abreise vorlagen. Zu einer nicht vermeidbaren Reise dürften in jedem Fall besondere und außergewöhnliche Umstände führen (soweit diese nicht schon einen vorgesehenen Ausnahmetatbestand von der Absonderungspflicht erfüllen), wie die Geburt des eigenen Kindes oder das Ableben eines nahen Angehörigen wie eines Eltern- oder Großelternteils oder eines eigenen Kindes. Nicht dazu zählen insbesondere sonstige private oder dienstliche Feierlichkeiten, Urlaubsreisen oder verschiebbare Dienstreisen.“ 
     
    Der Bürgerbeauftragte sah dies nicht als überzeugend an. Bei einer Auslegung nach dem Zweck des Gesetzes müsse man zu einem anderen Ergebnis kommen. Selbstverständlich liege mit der Hochzeit des Sohnes genauso wie bei Reisen zu Geburt und Ableben eines nahen Angehörigen ein zwingender und unaufschiebbarer Grund für die Reise vor. Schließlich sei die Eheschließung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auf Lebenszeit angelegt.  
     
    Der Landkreis stellte in seiner Stellungnahme darauf ab, dass der Sohn „bewusst und gewollt Ort und Zeit der Hochzeit“ festgelegt habe. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten kommt es aber auf die Mutter an. Diese war nicht in der Lage, Ort und Zeit der Hochzeit ihres Sohnes festzulegen. Der Landkreis argumentierte weiter, dass die Eheschließung des Sohnes „in keinem Zusammenhang von der Anwesenheit der Mutter abhängig gewesen“ sei. Das ist rechtlich natürlich zutreffend, gilt aber auch für andere familiären Ereignisse. Es fehlte hier bei der Entscheidung an einer ganzheitlichen Rechtsbetrachtung, weil der Schutz von Ehe und Familie nach Artikel 6 Grundgesetz ausgeblendet wurde. Trotz aller Bemühungen des Bürgerbeauftragten verblieb der Landkreis bei seiner Einschätzung. 

 

  • In einem anderen Fall war ein Bürger Anfang Juli aus einem Urlaub in Portugal zurückgekehrt. Da zu diesem Zeitpunkt das Land als „Virusvariantengebiet“ eingestuft war, musste er sich trotz doppelter Impfung in 14-tägige häusliche Quarantäne begeben. Vier Tage nach seiner Rückkehr wurde allerdings die Einstufung Portugals als Virusvariantengebiet aufgehoben, weil sich die neue Variante inzwischen auch in Deutschland durchgesetzt hatte. Damit entfiel auch die Quarantänepflicht für die ab diesem Zeitpunkt Einreisenden. Der Petent bemühte sich nun beim Gesundheitsamt um eine Aufhebung seiner Quarantäne mit der nachvollziehbaren Begründung, dass er sich bei einer wenige Tage späteren Rückreise nicht mehr isolieren hätte müssen. Hierzu bat er den Bürgerbeauftragten um Unterstützung.  
     
    Dieser bemühte sich in den folgenden Tagen intensiv um eine Lösung für den Petenten, sowohl beim Gesundheitsamt als auch beim zuständigen Ministerium. Das Gesundheitsamt verwies auf die Einreiseverordnung des Bundes, aus der sich die Pflicht zur Absonderung unmittelbar ergebe. Die Verordnung enthalte aber keine Regelung zur Beendigung der Quarantäne, wenn sich die Einstufung des Reiselandes zu Gunsten des Bürgers ändere. Damit könne das Gesundheitsamt die Quarantäne auch nicht aufheben.  
     
    Das Ministerium wollte ebenfalls keine Entscheidung treffen, wandte sich aber nach einem Gespräch des Bürgerbeauftragten mit der Staatssekretärin an das Bundesministerium für Gesundheit. Dieses bestätigte die Argumentation des Bürgerbeauftragten, dass die offenkundige Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung der bestehenden Regelungen geschlossen werden müsse. Im Übrigen stehe eine entsprechende Änderung der Einreiseverordnung ohnehin bevor. Daraufhin hob das Gesundheitsamt die Quarantäne auf. Der Petent hatte aber vorher unnötigerweise sechs weitere Tage in Quarantäne verbringen müssen. 

 3. „3G-Regelung“: Zutritt oder Dienstleistung nur für Personen, die genesen, geimpft oder getestet sind; „2G“: Zutritt oder Dienstleistung nur für Personen, die genesen oder geimpft sind; „2Gplus“: Zutritt oder Dienstleistung nur für Personen, die genesen oder geimpft sind und zusätzlich ein aktuelles negatives Testergebnis vorlegen können.

Auch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gibt es nach der Neuverteilung der Aufgaben in den Ministerien Veränderungen. Der Bereich der Kindertagesförderung gehört jetzt zum Ministerium für Bildung und Kindertagesstätten (s. dort). 

Von den verbleibenden 40 Petitionen, die dem Rechtsgebiet der Kinder- und Jugendhilfe zuzuordnen sind, betrafen 36 den Kinder- und Jugendschutz und 4 die Kinder- und Jugendarbeit.

Der Bürgerbeauftragte beriet und unterstützte zu Fragen der Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff SGB VIII), zum Unterhaltsvorschuss, zu Kostenbeiträgen bei voll- oder teilstationären Leistungen (§§ 91 SGB VIII) oder zur Elternzeit und zum Elterngeld. 

22 Petitionen (Vorjahr: 32) zu verschiedenen Fallgestaltungen aus dem Rechtskreis des SGB III (Arbeitsförderung) gingen beim Bürgerbeauftragten ein. Wie auch in den Vorjahren betrafen sie Fragen der Leistungsberechnung, Sperrzeiten oder Fördermöglichkeiten. Überwiegend holte der Bürgerbeauftragte nach Vorprüfung Stellungnahmen der Agentur für Arbeit ein, um den Sachverhalt bewerten und die Petenten beraten zu können.  

Mehrfach meldeten sich Bürger, weil ihr Arbeitslosengeld zu gering berechnet wurde. Sie erhielten deutlich weniger Geld, als ihnen nach eigener überschlägiger Berechnung zustände. Der Bürgerbeauftragte wandte sich an die Arbeitsagentur und riet den Petenten, Widerspruch gegen den jeweiligen Bescheid einzulegen. Es stellte sich meistens heraus, dass das Bemessungsentgelt nach §151 SGB III als wesentliche Grundlage der Berechnung fehlerhaft ermittelt worden war, z. B. weil Arbeitgeber unzureichende Angaben beigebracht hatten. Die Bescheide wurden korrigiert. Die Petenten erhielten Arbeitslosengeld nachgezahlt. 

  • Schnell reagiert werden musste, als Ende Juli 2021 eine hochschwangere Frau mitteilte, dass sie ab 1. August keine Leistungen von der Arbeitsagentur erhalte und deshalb auch nicht mehr krankenversichert sein werde. Sie gehe ab 17. August in den Mutterschutz und habe neben den finanziellen Sorgen wegen des ausbleibenden Arbeitslosengeldes die Befürchtung, Vorsorgeuntersuchungen nicht mehr wahrnehmen zu können. Weiter teilte die Petentin mit, dass sie wegen eines ärztlichen Beschäftigungsverbotes infolge der Schwangerschaft bereits seit dem 01.03.2021 arbeitsunfähig sei.  
     
    Aus den Unterlagen, die die Petentin übersandte, ergab sich, dass der Arbeitgeber der Petentin ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen und dies als „Generelles Beschäftigungsverbot“ bezeichnet hatte. Die Arbeitsagentur lehnte daraufhin die Zahlung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, dass die Petentin wegen des Beschäftigungsverbotes nicht arbeitsfähig sei. Diese Auslegung und Bewertung durch die Arbeitsagentur war aber falsch.  
     
    Tatsächlich hatte der Betriebsarzt dem Arbeitgeber auch empfohlen zu prüfen, ob eine anderweitige Tätigkeit im Betrieb in Betracht komme. Das war dem Betrieb nicht möglich: daher erfolgte auch das Beschäftigungsverbot. Die Arbeitsagentur hätte die Petentin aber alternativ auch in eine andere Tätigkeit vermitteln können. Bei dem ärztlichen Attest handelte sich also nicht um ein generelles, sondern ein individuelles Beschäftigungsverbot. Das war von dem Arbeitgeber falsch bezeichnet und von der Arbeitsagentur dann nicht korrigiert worden. 
    Die Arbeitsagentur, an die sich der Bürgerbeauftragte wandte, korrigierte innerhalb eines Tages ihre Entscheidung. Die Petentin erhielt Arbeitslosengeld. Auch der Krankenversicherungsschutz war wieder gesichert.

 

Ein wiederkehrendes Thema war auch die Zahlung von Arbeitslosengeld bei längerer Arbeitsunfähigkeit. Bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit können Versicherte in die Lage kommen, dass bestimmte Zeiträume finanziell nicht mit Entgeltersatzleistungen abgedeckt sind: Versicherte haben einen Anspruch auf Krankengeld für längstens 78 Wochen für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit (§ 48 SGB V). Mit der danach greifenden „Nahtlosigkeitsregelung“ nach § 145 SGB III sollen dauerhaft leistungsgeminderte Arbeitnehmer vor Nachteilen geschützt werden, welche sich aufgrund unterschiedlicher Leistungszuständigkeiten ergeben können. Es könnten nämlich ansonsten Lücken entstehen, wenn der Anspruch auf Krankengeld aufgrund des Erreichens der Höchstanspruchsdauer bereits erschöpft ist, zu diesem Zeitpunkt der Rentenversicherungsträger allerdings über den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente noch nicht entschieden hat.

Bei Fragen zu diesem Thema erfolgte eine Beratung durch die Fachreferenten des Bürgerbeauftragten. Nötigenfalls wandte sich der Bürgerbeauftragte an die Arbeitsagentur bzw. den Rentenversicherungsträger. 

  • In einem Fall meldete sich eine Frau und teilte mit, dass sie wegen einer akuten Erkrankung auch nach dem Ausschöpfen des Krankengeldes von ihrem behandelnden Arzt weiter arbeitsunfähig geschrieben worden sei. Die Petentin war wegen ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung kaum in der Lage, den Sachverhalt mit der Mitarbeiterin des Bürgerbeauftragten zu besprechen. Die Gespräche führte nach dem Erstkontakt daher der Ehemann weiter. Dieser teilte mit, dass die Arbeitsagentur mit einem Widerspruchsbescheid entschieden habe, keine Leistungen zu erbringen. Die Ehefrau habe nämlich erklärt, wegen der erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen zu können. Die Arbeitsagentur halte sie aber nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst für erwerbsfähig. Über den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung sei noch nicht entschieden.  
     
    Der Bürgerbeauftragte empfahl der Petentin, vorsorglich Klage gegen den Bescheid einzulegen. Parallel dazu bat er die Arbeitsagentur, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Es stellte sich dabei heraus, dass für die durch den Medizinischen Dienst der Arbeitsagentur veranlasste Begutachtung nicht alle medizinischen Befundberichte vorgelegen hatten. Die Petentin wurde daher gebeten, Einsicht in weitere medizinische Unterlagen zu ermöglichen. Aufgrund der nun vollständig vorliegenden Unterlagen stellte auch der Medizinische Dienst eine Erwerbsunfähigkeit fest. Damit konnte rückwirkend die Zahlung von Arbeitslosengeld aufgenommen werden und zwar bis zur Entscheidung der Rentenversicherung. Die Klage konnte die Petentin nun zurücknehmen.

Die Anzahl der Anfragen und Eingaben im Bereich des Sozialgesetzbuches II lag mit 208 etwas unter dem Vorjahr (226). Im mittelfristigen Vergleich hat sich die Zahl seit Beginn der Pandemie deutlich verringert (2018: 269; 2019: 239). Da die Corona-Sozialschutz-pakete Regelungen für den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung für Arbeitssuchende enthalten haben, könnte dies zu einem Rückgang der Beratungs- und Unterstützungsbegehren geführt haben. Viele Hilfesuchende baten hinsichtlich dieser Sonderregelungen um Beratung und Unterstützung, u. a. wegen pandemiebedingter Sonderbedarfe (§ 21 Abs. 6 SGB II).

Der ganz überwiegende Teil der Petitionen betraf aber allgemeine Problemstellungen der Leistungen des Arbeitslosengelds II, z. B. bei der Sicherung des Lebensunterhaltes und der Kosten der Unterkunft. Häufig wurden auch Schwierigkeiten bei der erforderlichen Mitwirkung der Leistungsempfänger angesprochen. 

Aufgrund der fortdauernden Pandemie sowie der damit einhergehenden Arbeitsmarktlage wurden mit dem Sozialschutzpaket III viele der in den Sozialschutzpaketen I und II eingeführten Sonderregelungen fortgeführt (§§ 67 Abs. 1 bis 4, 68 SGB II). Ferner wurde eine Einmalzahlung aus Anlass der Pandemie von 150 EUR eingeführt sowie die Zugrundelegung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Feststellung eines Leistungsanspruchs aufgehoben (§ 41a Abs. 4 SGB II). Zuvor war § 67 Abs. 5 SGB II zum 1. Januar 2021 aufgehoben worden. Dieser hatte Verfahrenserleichterungen wie die Fortgeltung bereits gestellter Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geregelt.

 

§ 67 SGB II regelt in seiner Neufassung nun den vereinfachten Zugang von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, so Erleichterungen

  •  zum zeitlichen Anwendungsbereich, 
  • bei der Vermögensanrechnung, 
  • bei der Anerkennung von Bedarfen für die Unterkunft und Heizung sowie 
  • für vorläufige Bewilligungen und abschließende Entscheidungen.

 

Ausbildungsförderung oder Arbeitslosengeld II?

Gelegentlich entstehen Abgrenzungsprobleme zwischen Arbeitsförderung und Ausbildungsförderung: 

Anfang Juli 2021 lehnte ein Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab, weil die Antragstellerin eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviere. Hiergegen hatte sie Widerspruch erhoben. Es handele sich um ein berufsbegleitendes Teilzeitstudium, das nicht förderungsfähig nach dem BAföG sei. Über ihren Widerspruch hatte das Jobcenter Anfang September 2021 noch nicht entschieden. Die finanziellen Mittel der Bürgerin waren beinahe aufgebraucht. Sie schaltete nun den Bürgerbeauftragten ein. 

Der Bürgerbeauftragte regte bei der Geschäftsführung des Jobcenters an, dem Widerspruch schnellstmöglich abzuhelfen. Das Teilzeitstudium sei dem Grunde nach nicht über das BAföG förderungsfähig. Ausbildungsförderung werde nach § 2 Abs. 5 BAföG nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nehme. Nach der Verwaltungsvorschrift könne an Hochschulen eine Vollausbildung grundsätzlich angenommen werden, wenn im Durchschnitt pro Semester 30 Leistungspunkte vergeben würden. Für das von der Petentin absolvierte Fernstudium würden im Durchschnitt pro Semester aber nur 22,5 Leistungspunkte vergeben. 

Die Geschäftsführung bestätigte nun zwar, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. Sie verwies aber darauf, dass seit Erhebung des Widerspruchsverfahrens noch keine drei Monate vergangen seien, weshalb eine Untätigkeitsklage nicht statthaft und der Widerspruchsstelle kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Der Bürgerbeauftragte drängte hingegen auf eine sofortige Entscheidung, da die Petentin ihre Ersparnisse aufgebraucht habe. Die Petentin erhalte aufgrund des rechtswidrigen Ablehnungsbescheides seit Juli 2021 zu Unrecht keine Leistungen mehr. Die Leistungsträger seien aber gemäß § 17 SGB I verpflichtet, jedem Betroffenen die ihm zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig zukommen zu lassen.  

Anfang Oktober 2021 wurden der Bürgerin (zunächst vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Juli bis einschließlich Dezember 2021 bewilligt.

 

Das Sozialgeheimnis gilt auch beim Arbeitslosengeld II

Das Sozialgeheimnis (§ 35 Abs. 1 SGB I) verlangt einen sorgsamen Umgang mit Sozialdaten bei der Erbringung von Leistungen, der jedoch nicht immer gegeben ist: 

Ein Jobcenter hatte einer Bürgerin Kosten für die Heizmittelbeschaffung zugesagt und sie gleichzeitig aufgefordert, die Rechnung umgehend einzureichen, damit die Kosten direkt an den Brennstoffanbieter überwiesen werden könnten. Das wollte die Bürgerin aber nicht und wandte sich an den Bürgerbeauftragten.

Der Bürgerbeauftragte wies das Jobcenter darauf hin, dass diese Vorgehensweise rechtswidrig ist. Jeder hat Anspruch darauf, dass die Leistungsträger die ihn betreffenden Sozialdaten nur an Befugte weitergeben. Hiergegen wird nach der Rechtsprechung verstoßen, wenn der Bezug von Arbeitslosengeld II ohne Einwilligung des Leistungsberechtigten oder ohne eine gesetzliche Offenbarungspflicht Dritten mitgeteilt wird. Der Leistungsbezug würde aber mit der direkten Zahlung vom Jobcenter an den Heizmittellieferanten bekannt. Erlaubt wäre dies nur, wenn es Zweifel an der zweckentsprechenden Verwendung der Zahlung gebe. Dies war aber nicht der Fall. Der Bürgerbeauftragte regte an, in diesem Fall die Leistungen für die Heizung unmittelbar an die Petentin zu erbringen und generell die Verwaltungspraxis zu korrigieren.

Die Geschäftsführung teilte nach Prüfung die Auffassung, dass die Überweisung der Heizkosten an den Brennstofflieferanten nicht rechtskonform sei, und kündigte an, diese nach Vorlage der Rechnung an die Bürgerin zu überweisen. Sie bedauerte den Fehler und dankte für den Hinweis.

 

Wenn der Scheck nicht ankommt

 

Die Kassen- und Einzugsbestimmungen der Bundesagentur für Arbeit (KEBest) enthalten für viele Fälle eindeutige Regelungen zu den Modalitäten der Auszahlung von ALG II. Diese Regelungen müssen aber vom Jobcenter auch richtig angewandt werden:

Eine Empfängerin von Arbeitslosengeld II meldete sich Mitte Juni 2021 beim Bürgerbeauftragten. Ihr seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für März bis August 2021 bewilligt worden. Im März und April sei die Auszahlung auch erfolgt. Die Leistung für Mai sei aber noch immer nicht erbracht worden war. 

Das Jobcenter erbrachte die Leistungen für die Regelbedarfe an die Petentin stets per „Zahlungsanweisung zur Verrechnung“. Diese ist mit einem Scheck vergleichbar. Der Empfänger kann mit der Zahlungsanweisung (im Folgenden: Scheck) eine Filiale der Postbank aufsuchen und sich den ausgewiesenen Betrag in bar auszahlen oder auf sein Girokonto gutschreiben lassen. Geldleistungen nach den verschiedenen Büchern des SGB werden nach § 47 SGB I zwar grundsätzlich auf das im Antrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen. Wenn der Leistungsempfänger aber über kein Girokonto verfügt, muss ihm ein solcher Scheck übersandt werden.

Die Bürgerin hatte den Scheck für Mai nicht erhalten. Sie hatte deshalb schon Anfang Mai beim Jobcenter vorgesprochen. Es wurde ihr lediglich eine vorzeitige Leistung für Juni von 100 EUR angeboten, die den Auszahlungsanspruch für Juni entsprechend verringert hätte. Das hatte sie abgelehnt.

Der um Hilfe ersuchte Bürgerbeauftragte regte beim Jobcenter die umgehende Zahlung für den Monat Mai auf das von der Petentin inzwischen eröffnete Girokonto an. Selbst wenn der Scheck für Mai versandt worden sein sollte, führe dies nicht zur Erfüllung des Anspruchs der Petentin, weil diese den Scheck nicht erhalten habe. Das Jobcenter hielt jedoch an seiner Vorgehensweise fest, zumal es an der Mitteilung der Petentin, sie habe den Scheck nicht erhalten, Zweifel hatte.

Auch nach mehrfachem Schriftwechsel zur Möglichkeit eines solchen Vorschusses wollte das Jobcenter auch im Juli noch immer nicht leisten. Es verwies jetzt auf die KEBest, wonach die ausstehende Leistung grundsätzlich nur dann ausgezahlt werde, wenn der Scheck falsch adressiert gewesen sei. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Nachforschung habe im Übrigen zwar ergeben, dass der Scheck tatsächlich nicht eingelöst worden sei. Die Leistung für Mai dürfe aber erst dann ausgezahlt werden, wenn der Scheck für den Mai-Bedarf nicht mehr eingelöst werden könne. Dies sei erst Mitte August der Fall.

Nach Prüfung, auch der KEBest, teilte der Bürgerbeauftragte dem Jobcenter erneut mit, dass ein Vorschuss für Mai im Juli 2021 ausscheide. Das Nachforschungsverfahren zum Verbleib des Schecks hätte schon bei der ersten Vorsprache der Petentin Anfang Mai eingeleitet werden müssen. Dann hätte innerhalb von drei Wochen und damit noch im Mai 2021 festgestanden, dass der Scheck nicht eingelöst worden war. Die Mai-Leistung hätte dann umgehend erbracht werden können. Zugleich wäre die Petentin darüber zu informieren gewesen, dass sie den Scheck nicht mehr einlösen dürfe.

Mittlerweile hatte das Jobcenter endlich die Leistung für Mai überwiesen, allerdings als „Vorschuss“. Erst nach Anregung des Bürgerbeauftragten teilte es letztlich Ende Juli der Petentin mit, dass es sich hierbei nicht um einen Vorschuss, sondern um die verspätete Zahlung für den Mai handele. 

Die Sozialhilfe umfasst überwiegend Leistungen für Menschen, die nicht erwerbsfähig und nicht in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Hierbei gilt, dass Leistungen der Sozialhilfe nur gewährt werden, wenn andere Leistungsträger nicht zuständig sind. Mit 49 Eingaben (Vorjahr: 36) stieg die Anzahl der Eingaben gegenüber dem Vorjahr deutlich an. Bürger begehrten Beratung und Unterstützung insbesondere zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, zu Bedarfen für die Unterkunft und Heizung, der Hilfe zur Pflege, der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie der Einmalzahlung aus Anlass der Corona-Pandemie. 

Petenten beklagten sich erneut darüber, dass ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist über Anträge auf Hilfe zur Pflege sowie Widersprüche hinsichtlich abgelehnter oder zu gering bewilligter Hilfe zur Pflege (und zugleich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) entschieden worden war. In diesen Fällen wandte sich der Bürgerbeauftragte mit Erfolg an das Sozialministerium als Fachaufsichtsbehörde, so auch hier:

  • Eine Bürgerin hatte für ihre in einem Pflegeheim lebende Mutter Hilfe zur Pflege beantragt. Gegen den ablehnenden Bescheid des Sozialamtes war die Klage vor dem Sozialgericht erfolgreich. Trotzdem hatte das Sozialamt knapp einen Monat nach der gerichtlichen Entscheidung die Hilfe zur Pflege noch nicht bewilligt. Mittlerweise musste sich die Pflegebedürftige verschulden, um die Kosten tragen zu können. Der nun um Hilfe gebetene Bürgerbeauftragte ersuchte das Sozialministerium, auf eine umgehende Zahlung hinzuwirken. Selbst eine Berufung hätte in diesem Fall nämlich keine aufschiebende Wirkung. Keine zwei Wochen später wurde die Hilfe zur Pflege rückwirkend bewilligt. 

 

  • In einem anderen Fall hatte die Pflegekasse für einen im Endstadium an Krebs Erkrankten für den Umbau einer barrierefreien Dusche antragsgemäß einen Zuschuss von 4.000 EUR bewilligt. Die darüber hinausgehenden Kosten hatte seine Frau Mitte Februar 2021 beim Sozialamt beantragt. Wenige Tage später wurde sie aufgefordert, einen Antrag auf Eingliederungshilfe zu stellen und Nachweise einzureichen. 
     
    Über vier Monate hinweg forderte das Sozialamt mehrfach die unterschiedlichsten Unterlagen (Rentenbescheide, Angaben zu sonstigen Einnahmen wie Miete oder Pacht in Geld oder Geldeswert, die Vermögenserklärung oder die Kontoauszüge der letzten drei Monate, Sparbücher/Bausparkonten/ 
    Wertpapiere/Taschengeldkonto der Einrichtung, Lebensversicherung oder Sterbegeldversicherung/Rückkaufswert, den Mietvertrag, für das Wohneigentum den Grundbuchauszug und die entstehenden Belastungen sowie Hausrat- und/oder Haftpflichtversicherung) nach. Darunter befanden sich auch solche, die bereits eingereicht worden waren. Alle Unterlagen wurden jeweils von der Ehefrau innerhalb kurzer Zeit nachgereicht.  
     
    Nach einer weiteren Nachforderung von Unterlagen wandte sie sich hilfesuchend an den Bürgerbeauftragten. Ihrem Mann sei inzwischen schon ein Pflegegrad von 4 zuerkannt worden. Er werde palliativ versorgt. Selbst schwerbehindert (Grad der Behinderung von 80), strapaziere sie die Körperpflege ihres Mannes außerordentlich.  
     
    Auch hier regte der Bürgerbeauftragte beim Sozialministerium an, umgehend eine Bescheidung des Antrags auf Hilfe zur Pflege zu veranlassen. Seit Antragstellung seien mehr als fünf Monate vergangen. Kurze Zeit später wurden die Kosten zum rollstuhlgerechten Badumbau bewilligt.

Auch im Bereich der weiteren gesetzlichen Sozialversicherungen zeigte sich ein deutlicher Rückgang der Eingaben. Von 137 Petitionen im Vorjahr fiel die Anzahl im Berichtsjahr auf 83, die sich fast gleichmäßig auf die gesetzliche Krankenversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung verteilte. Die gesetzliche Unfallversicherung wurde nur in einer Eingabe angesprochen (Vorjahr: 6). 

Zur gesetzlichen Krankenversicherung gingen 29 Anfragen und Beschwerden beim Bürgerbeauftragten ein (Vorjahr: 54). Überwiegend ging es um individuelle Probleme beim Krankenversicherungsschutz und beim Bezug von Krankengeld. Eingaben betrafen auch die Durchführung von Kuren bzw. Reha-Maßnahmen, die häusliche Krankenpflege und die Beförderung zu Arztterminen. Der Bürgerbeauftragte beriet hierzu die Petenten und setzte sich, soweit nötig, auch bei den gesetzlichen Krankenversicherungen für Lösungen ein. 

26 Petitionen betrafen Fragen der gesetzlichen Rentenversicherung (Vorjahr: 33). Am häufigsten wurden Probleme bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente angesprochen. Die Petenten beklagten lange Verfahrensdauern und aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Ablehnungen. So wurde in einem Fall erst nach über einem Jahr der Rentenantrag ablehnend beschieden. Da zu befürchten war, dass auch die Bearbeitung des eingelegten Widerspruchs einige Zeit in Anspruch nehmen würde, wandte sich die Betroffene an den Bürgerbeauftragten. Auch dann dauerte es aber fast vier Monate zwischen dem Zeitpunkt der Begründung des Widerspruchs und der Entscheidung zu Gunsten der Petentin. Erst im Dezember 2021 wurde die Rente rückwirkend ab Mai 2019 bewilligt.

Lange Bearbeitungszeiten wurden in mehreren Eingaben auch bei Anträgen auf Altersrente kritisiert. Der Bürgerbeauftragte wandte sich hierzu an den Rentenversicherungsträger. Mehrfach wurde die Problematik des fehlenden Versorgungsausgleichs bei Renten angesprochen, wenn eine Scheidung bereits zu DDR-Zeiten erfolgt war. Hier setzen die Betroffenen nun auf einen geplanten Härtefallfonds für die Betroffenen, dessen Einführung jedoch auf sich warten lässt. Bürger beschwerten sich auch über coronabedingte Einschränkungen bei der Erreichbarkeit von Geschäftsstellen der Krankenkassen. 

 

Leben retten mit „Off-Label-Use“

Gleich zu Beginn des Berichtsjahres wandte sich eine junge, alleinerziehende Mutter mit der Bitte um Unterstützung gegenüber ihrer Krankenkasse an den Bürgerbeauftragten. Diese hatte im November 2020 abgelehnt, die Kosten für die Behandlung ihrer besonders bösartigen Krebserkrankung mit einem sogenannten „Off-Label-Use“ 1-Medikament zu tragen. Das dem Bürgerbeauftragten vorliegende Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sah die Voraussetzungen zur Kostenübernahme als nicht erfüllt an.

Um die dringend notwendige Behandlung mit dem Arzneimittel doch noch genehmigt zu erhalten, stellte die Petentin bei ihrer Krankenkasse im Januar 2021 einen Kostenübernahmeantrag für ein anderes Medikament mit gleichem Wirkstoff. Diesen Antrag begründete sie insbesondere damit, dass in vergleichbaren Fällen die Kostenübernahme für dieses Medikament durch die Krankenkasse bereits erfolgt sei. Zugleich bat sie den Bürgerbeauftragten um Unterstützung.

Unabhängig vom bereits laufenden Widerspruchsverfahren und in Anbetracht der lebensbedrohlichen Krankheit der Petentin bat der Bürgerbeauftragte umgehend den Vorstand der Krankenkasse um Prüfung, ob nicht doch unter Abwägung aller Argumente eine Kostenübernahme für die Behandlung der Petentin erfolgen könne. Dabei wies der Bürgerbeauftragte gegenüber der Krankenkasse auf ähnlich gelagerte Behandlungssituationen durch Kliniken in anderen Bundesländern hin. Es bestehe für die Petentin keine weitere Therapiemöglichkeit und keine Aussicht, mit einem anderen Arzneimittel einen Behandlungserfolg zu erzielen. Außerdem gebe es erfolgversprechende medizinische Studien für den Einsatz dieses Medikaments bei der Krankheit der Petentin.

Die Krankenkasse nahm das Schreiben des Bürgerbeauftragten zum Anlass, das Anliegen ihrer Versicherten erneut zu prüfen. Sie bewilligte im Rahmen eines individuellen Therapieversuches für sechs Monate die Kostenübernahme. Die Petentin ist nach der Behandlung krebsfrei. 

 

Umschulungen: Auf den Einzelfall kommt es an

Über die Deutsche Rentenversicherung können Leistungen zur beruflichen Rehabilitation oder zur Berufsförderung für Menschen mit Behinderung finanziert werden. Damit sollen die Erwerbsfähigkeit erhalten bleiben oder neue Berufschancen eröffnen werden. Zu solchen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erreichten den Bürgerbeauftragten insgesamt 14 Petitionen:

  • Ein Bürger meldete sich in der Dienststelle des Bürgerbeauftragten und schilderte, dass er derzeit an einer Umschulung teilnehme, die vom Rentenversicherungsträger finanziert wurde. Der Petent konnte behinderungsbedingt nicht mehr in seinem früheren Beruf arbeiten.  
     
    Da er die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte, stellte er einen Antrag auf Zulassung zur Nachprüfung, weiteren Unterricht bis zur nächsten Prüfung sowie Prüfungsvorbereitung und Weiterleistung des Übergangsgeldes. Zugestanden wurden zunächst nur die Prüfungsvorbereitung und die Nachprüfung. Nach Einschalten des Bürgerbeauftragten wurde auch weiterer Unterricht und Übergangsgeld bewilligt. Der Petent konnte auf seinen Wunsch hin auch den Bildungsträger wechseln und wird hier die Umschulung fortsetzen.

 

  • Ein anderer Petent berichtet, dass er wiederkehrende Depressionen habe. Sehr verschlechternd wirke sich hierbei aus, dass er sich beruflich unterfordert fühle. Ein Antrag auf Umschulung beim Rentenversicherungsträger wurde trotz zweier unabhängiger psychiatrischer Empfehlungen bis dahin abgelehnt. Die Begründung war, dass Menschen in der Regel doch eher durch Überforderung krank würden. Zudem sei der bisher erlernte Helferberuf aus Sicht der Rentenversicherung leidensgerecht. Auch in einer medizinischen Reha-Maßnahme sei eine erneute Empfehlung für eine Umschulung in einem geschützten Rahmen gegeben worden. Der erneute Antrag des Petenten wurde aber postwendend abgelehnt.  
    Der inzwischen um Hilfe gebetene Bürgerbeauftragte verwendete sich mehrfach bei der Rentenversicherung für den Petenten. Er legte hierbei insbesondere dar, dass auch eine Unterforderung bei der Arbeit krank machen könne. Die Rentenversicherung hielt jedoch an der Ablehnung fest. Es sei dem Petenten zumutbar, sich auf dem Arbeitsmarkt nach einer Stelle umzusehen. 

 


4. Unter einem Off-Label-Use versteht man den Einsatz eines Arzneimittels gegen eine Krankheit, für die es von den Zulassungsbehörden keine Genehmigung hat.

Nach dem Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz nimmt der Bürgerbeauftragte „insbesondere“ die Belange von Menschen mit Behinderungen wahr (§ 6 Abs. 1). Damit übernimmt er Funktionen eines Behindertenbeauftragten im Land und auf Bund-Länder-Ebene. Er ist von daher auch nichtstimmberechtigtes Mitglied des bisherigen Rates für Integrationsförderung von Menschen mit Behinderungen bei der Landesregierung.1

Fachveranstaltungen, Besuche in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und auch die Treffen mit den kommunalen Behindertenbeauftragten fielen auch im Jahr 2021 der Corona-Pandemie weitgehend zum Opfer. Der Bürgerbeauftragte konnte jedoch an einigen wichtigen gesetzlichen und programmatischen Aktivitäten sowie am 2. Tag der Menschen mit Behinderung im Landtag mitwirken.

Zum Ende der 7. Wahlperiode standen wichtige behindertenpolitische Themen noch einmal auf der Tagesordnung. Das war zum einen der Maßnahmeplan 2.0 der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und zum anderen die Novellierung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes (LBGG). In beiden Fällen wurde der Bürgerbeauftragte im Rahmen der Verbandsanhörung um Stellungnahmen gebeten und konnte seine Vorschläge im Rahmen der öffentlichen Anhörung im Sozialausschuss des Landtages vortragen.  

 

Maßnahmeplan 2.0

Der zweite Maßnahmeplan des Landes (nach 2013) sollte aus Sicht des Bürgerbeauftragten entscheidendes Instrument sein, behindertenpolitische Anliegen in Mecklenburg-Vorpommern umzusetzen, und als Basis für eine effektive und partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten zu dienen.

Diesen Ansprüchen wurde der Ende 2020 vorgelegte Entwurf nach Auffassung des Bürgerbeauftragten nicht gerecht. In einer ersten Stellungnahme hatte er kritisch gegenüber der Landesregierung dargelegt, dass für die Umsetzung vieler Maßnahmen keine mittelfristigen Zielformulierungen und konkreten Zeitangaben fixiert wurden. In einer Anhörung im Sozialausschuss des Landtages im März 2021 konkretisierte der Bürgerbeauftragte noch einmal einzelne Kritikpunkte und unterbreitete Verbesserungsvorschläge: Er empfahl u. a. entschiedenere Schritte zum barrierefreien Bauen und die Bildung einer gemeinsamen staatlichen Anlaufstelle (focal point) nach Art. 33 Abs.1 der UN-BRK. Der Maßnahmeplan wurde allerdings nur mit wenigen Änderungen von der Landesregierung beschlossen.

 

Landesbehindertengleichstellungsgesetz (LBGG)

Auch hier hat der Bürgerbeauftragte einige Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Kritisch merkte er insbesondere die Regelungen zur Barrierefreiheit bei öffentlichen Bestandsbauten an. Er forderte die Einsetzung einer regierungsunabhängigen Monitoringstelle nach Art. 33 Abs. 2 der UN-BRK, die die Überwachung der Umsetzung der Konvention sicherstellen soll. 

Schon früh hatte der Bürgerbeauftragte zudem konkrete Verbesserungsvorschläge zur Arbeit eines Inklusionsförderrates unterbreitet. Eine wichtige Änderung, auf die die Behindertenselbsthilfe im Land schon seit Jahren drängte, hat der Bürgerbeauftragte dabei ausdrücklich gefördert und begrüßt: das stärkere Gewicht der Selbsthilfevereine- und verbände im Gremium. Dieses wird nach der gesetzlichen Neuregelung im Inklusionsförderrat künftig verwirklicht.

 

Zweiter Tag für Menschen mit Behinderung im Landtag

Am 28. Mai 2021 fand in Schwerin der 2. Tag der Menschen mit Behinderung statt, pandemiebedingt aber anders als ursprünglich gedacht. Die in Präsenz geplante Plenartagung musste auf ein hybrides Format umgestellt werden. Über 150 Menschen nutzten die Gelegenheit, daran teilzunehmen. 

Zur inhaltlichen Vorbereitung hatten in den letzten zwei Jahren vier Arbeitsgruppen ihre Tätigkeit aufgenommen und in über 50 Treffen und Video-Konferenzen ihre Positionen erarbeitet. Inhaltliche Schwerpunkte dabei waren Gesundheit, Barrierefreiheit, Bildung und politische Partizipation. In den Arbeitsgruppen ist jeweils ein Positionspapier mit konkreten Forderungen erarbeitet worden.

An der Vorbereitung und Durchführung beteiligte sich der Bürgerbeauftragte. Er moderierte auch den Tag selbst und setzte sich in der politischen Nachbereitung für die regelmäßig wiederkehrende Durchführung in den folgenden Wahlperioden ein, die auch Inhalt einer Entschließung des Landtages wurde.

Einige konkrete Forderungen aus den Beratungen sind:

  • Um bei der Gesetzgebung die Belange von Menschen mit Behinderung besser zu berücksichtigen, sollen deren Selbstvertretungsorganisationen frühzeitig einbezogen werden. 
  • In allen Kreisen und kreisfreien Städten soll es Behindertenbeiräte und hauptamtliche Behindertenbeauftragte geben, auf Ämterebene ehrenamtliche. 
  • Chancengleichheit muss früh beginnen. Dafür soll die frühkindliche Förderung ausgebaut sowie der Personalschlüssel für Krippen, Kitas und Schulen verbessert werden. 
  • Bis spätestens 2030 sollen Bildungseinrichtungen im Land barrierefrei sein. 
  • Gleiches gilt für öffentliche Gebäude und medizinische Einrichtungen von der Arztpraxis bis zum Physiotherapeuten. 
  • Ein Kompetenzzentrum „Barrierefreies Bauen“ soll dabei beratend zur Seite stehen.
  • Darüber hinaus sollte eine unabhängige Monitoringstelle die Umsetzung aller Maßnahmen überwachen.

 

Bei den Beratungen spielte – natürlich – auch hier die Corona-Pandemie eine Rolle. Viele Rednerinnen und Redner verwiesen darauf, dass in Krisenzeiten Menschen mit Behinderung allzu leicht in den Hintergrund rücken. So durften in den ersten Monaten der Pandemie keine Besucher die Pflege- und Behinderteneinrichtungen betreten. Werkstätten für Menschen mit Behinderung wurden geschlossen, Förderschulen auf einen Notbetrieb reduziert. Auch in der zweiten und dritten Corona-Welle gab es immer noch erhebliche Einschränkungen in vielen Einrichtungen, obwohl ein guter Impfstatus erreicht war.  

Einen zusammenfassenden Forderungskatalog hat der Bürgerbeauftragte den Fraktionen von SPD und Linkspartei im Zuge der Koalitionsverhandlungen im Herbst zukommen lassen. 

 

Bund-/Länderzusammenarbeit

Regelmäßig im Frühjahr und im Herbst treffen sich die Behindertenbeauftragen von Bund und Ländern, um ein Schwerpunktthema und aktuelle Fragen zu beraten.

Im März 2021 fand diese Konferenz im Online-Format unter dem Thema „Berufliche Bildung von Menschen mit Behinderung“ statt. In einer gemeinsamen „Berliner Erklärung“ forderten die Beauftragten den Auf- und Ausbau eines Bildungssystems, das in seinen Rahmenbedingungen die Belange von Menschen mit Behinderung umfassend berücksichtigt. 

Die Lage der Menschen mit Behinderung im Bereich der beruflichen Bildung wurde dabei noch immer als kritisch eingeschätzt. Gründe dafür sind z. B. die fehlende Barrierefreiheit im Zugang und im Alltag von Schulen, geringe bis fehlende Durchlässigkeit zwischen Qualifizierungs- und Ausbildungsketten oder auch die fehlende Bereitschaft von Unternehmen, Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszubilden oder einzustellen.

Zum Abschluss des 62. Treffens der Beauftragten im Herbst in Dresden haben die Beauftragten in Form von „Dresdner Positionen“ Forderungen für einen Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages verabschiedet. So forderten die Beauftragten unter anderem, dass die Belange von Menschen mit Behinderung als Querschnittsthema in allen Politikfeldern Berücksichtigung finden müssen.

Die Beauftragten stimmen sich zunehmend in Online-Konferenzen ab, die sich in dieser Form 2021 deutlich erweitert haben.

 

Mitarbeit im Integrationsförderrat (IFR)

Als nichtstimmberechtigtes Mitglied berichtete der Bürgerbeauftragte in den Sitzungen des IFR regelmäßig über seine aktuelle Tätigkeit, Petitionsschwerpunkte und weitere Anliegen. Besonders im Mittelpunkt standen in diesem Jahr der bereits erwähnte Maßnahmeplan 2.0 und die Novellierung des LBGG. Der Bürgerbeauftragte und der IFR haben sich in der Vergangenheit immer eng über Initiativen und das politische Vorgehen abgestimmt. 

 

Schulische Inklusion

Beispielfälle von Schülern mit Behinderungen, denen zunächst kein bedarfsgerechter Zugang zum gemeinsamen Unterricht zur Verfügung stand, nahm der Bürgerbeauftragte zum Anlass, ein grundlegendes Gespräch im Bildungsministerium zu führen. In konkreten Einzelfällen wird in aller Regel mit Hilfe des Ministeriums eine Lösung für den Schulbesuch gefunden. Schulische Inklusion ist aber offensichtlich immer noch eine Herausforderung. So finden etwa Schüler mit starker Hörbehinderung keine Schule mit spezifischer Kompetenz im Land, in der sie das Abitur ablegen könnten; sie müssen nach Hamburg oder Berlin ausweichen. Der Bürgerbeauftragte wird weiter den Prozess der schulischen Inklusion begleiten (s. dazu auch unter 6.).

 

Finanzierung überregionaler Beratungsstellen

 

Zum 1. Januar 2022 trat der zweite Abschnitt des Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetzes (WoftG M-V) in Kraft. Dieser umfasst nach § 10 Absatz 7 WoftG M-V auch die Beteiligung des Landes an der Finanzierung der Beratungsarbeit für Bürger, die überörtlich im Bereich der sozialen Beratung oder der Gesundheitsberatung erbracht wird. In diesen Stellen werden besonders Menschen mit Behinderung beraten, z. B. Sinnesgeschädigte.

Die finanzielle Beteiligung des Landes an der Förderung dieser überörtlichen Beratungsangebote soll auf der Grundlage einer neuen Förderrichtlinie für die überörtliche Beratung erfolgen. Das Land plant, die nun gemäß § 10 WoftG M-V bestehende Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte auch für die Sicherstellung der überörtlichen Beratung finanziell stärker zu berücksichtigen und die Landesbeteiligung zu begrenzen. Da die kommunale Beteiligung aber nicht geklärt war, waren Schwierigkeiten für die Arbeit der Beratungsstellen zu befürchten. 

Der Bürgerbeauftragte hat in dieser Angelegenheit an einer kritischen Stellungnahme mitgearbeitet und sich mit einigen Sozialverbänden und Selbsthilfeorganisationen an Beratungen im Sozialministerium beteiligt. Für 2022 ist die geplante Neuregelung nun ausgesetzt worden. Es gilt jetzt, die Zeit für eine grundlegende Erörterung zu nutzen. Bei der Gestaltung der zukünftigen Richtlinie werden nun auch Möglichkeiten einer Verfahrenserleichterung bzw. -vereinfachung für die Beratungsstellen geprüft.

 

Corona und Menschen mit Behinderung

Das Geschehen rund um die Corona-Pandemie hat Menschen mit Behinderung weiter in besonderer Weise betroffen und zu zahlreichen Eingaben geführt, die oft auch grundsätzlicher Natur waren. Im Frühjahr 2021 spielte die Impfreihenfolge eine wichtige Rolle; Menschen mit einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung wünschten sich einen früheren Termin für eine Impfung.

Das Gesundheitsministerium des Landes hatte eine Arbeitsgruppe gebildet, in der über die Priorität von Einzelfällen entschieden wurde. Viele Petenten traten über den Bürgerbeauftragten an diese Arbeitsgruppe heran. Ein Vorziehen des Impftermins konnte in verschiedenen Fallkonstellationen erreicht werden. In anderen Fällen erläuterte der Bürgerbeauftragte die Gründe für eine Nachrangigkeit. Ab Anfang März wurde ein Vektor-Impfstoff für Menschen der Prioritäts-Gruppe 2 komplett freigegeben, was zu einer starken Entlastung der Situation führte.   

Einen weiteren Aspekt der Corona-Pandemie hat der Bürgerbeauftragte wiederholt zum Anlass genommen, sich auch der Öffentlichkeit gegenüber zu äußern. Denn immer wieder erreichten ihn Beschwerden von Menschen mit Behinderung oder Erkrankung, die trotz ärztlicher Befreiung von der Maskenpflicht aus Geschäften verwiesen wurden, wenn sie keine Maske trugen. Er hat die Unternehmen gerade im Einzelhandel dazu aufgerufen, keine pauschalen Entscheidungen zu treffen, sondern die individuelle Situation der Betroffenen und in den Geschäften zu berücksichtigen. Erschwert wurde der Einsatz für diese Personengruppe durch Hinweise, dass sich Impfgegner von impfkritischen Ärzten ohne medizinischen Grund Atteste besorgt haben. 

 

Petitionen von und für Menschen mit Behinderungen

Anliegen von Menschen mit Behinderungen betreffen regelmäßig ganz verschiedene Sachgebiete. Alles in allem gingen 202 Anfragen und Petitionen dazu ein (Vorjahr: 267). Davon hatten 155 einen sozialrechtlichen Schwerpunkt, vor allem im SGB IX. Neben Teilhabe, Rehabilitation und Eingliederungshilfe sind Feststellungsverfahren über Vorliegen und Grad einer Behinderung ein konstantes Thema (33 Eingaben).

 

Eingliederungshilfe

Im Jahr 2021 sind 21 Anliegen zu Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB VIII und SGB IX eingegangen. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, um selbstbestimmt am Leben teilnehmen zu können. Dabei ging es beispielsweise um Integrationsassistenten in Kita, Schule und Hort, um persönliche Assistenz, trägerübergreifendes persönliches Budget, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder auch Leistungen der Eingliederungshilfe bei gleichzeitigem Pflegebedarf.

In Beratungsgesprächen kam ein Thema immer wieder vor: Menschen mit Behinderung, die zugleich pflegebedürftig sind oder Hilfe im Haushalt benötigen, werden nur bzw. vorrangig auf die Leistungen der Pflege verwiesen, wenn sie in ihrer eigenen Wohnung bleiben möchten. Nach § 103 SGB IX stehen Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflege aber nebeneinander, wobei die Leistungen der Eingliederungshilfe weitreichender sind. 

So bat eine bettlägerige Petentin, die täglich nur wenige Stunden im Rollstuhl sitzen kann, um Unterstützung. Sie benötigte eine ausreichende pflegerische Versorgung und wollte auch am Leben in der Gemeinschaft teilhaben, um so einkaufen oder auch mal ins Kino gehen zu können. Nach einer entsprechenden Forderung des Bürgerbeauftragten sicherte das Sozialamt zu, dass der Bedarf mittels eines integrierten Teilhabeplans (ITP) erhoben werden soll. Mit einem ITP können pflegerische und Eingliederungsleistungen nebeneinander nach individuellem Bedarf festgesetzt werden. Auf die Erstellung eines ITP besteht grundsätzlich ein Anspruch des Betroffenen, der nach den Erfahrungen noch viel zu selten erfüllt wird. Der Bürgerbeauftragte hat hierzu das Sozialministerium um Unterrichtung gebeten. 

 

Nachteilsausgleich durch Parkerleichterungen

Viele Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben den Wunsch nach einer Parkerleichterung. In Mecklenburg-Vorpommern bestehen hierfür drei Formen von Parkausweisen. Oft ist nicht bekannt, dass der „blaue Parkausweis“, der insbesondere das Parken auf Behindertenparkplätzen gestattet, hohe Anforderungen hat. Er wird vor allem bei einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ausgestellt. Daneben gibt es aber auch einen gelben und orangen Parkausweis, die weniger strenge Voraussetzungen kennen, aber auch geringere Erleichterungen bewirken. Sie gestatten z. B. das zeitweilige Parken im Parkverbot oder das Parken an Parkuhren ohne Gebühr. Der Bürgerbeauftragte informierte über diese Unterschiede und beriet in diesem Zusammenhang zu Feststellungsverfahren beim Versorgungsamt. Bei diesen ist es nämlich wichtig, dass die Auswirkungen der vorhandenen Behinderungen auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft festgestellt werden. 

In manchen Fällen wandte sich der Bürgerbeauftragte auch schriftlich an das Landesamt für Gesundheit und Soziales – mit unterschiedlichen Ergebnissen: 

  • Bei einer Petentin mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung konnte erreicht werden, dass die vorliegenden Unterlagen erneut geprüft wurden. Dies führte im Ergebnis dazu, dass doch ein orangener Parkausweis erteilt werden konnte. 
  • In einem anderen Fall hatte ein Petent, der an einer Contergan-Schädigung leidet, an seinem früheren Wohnort in einem anderen Bundesland den blauen Parkausweis erhalten, weil im dortigen Feststellungsverfahren wesentliche Funktionseinschränkungen festgestellt wurden. Nach Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern und erneuter Prüfung kam das hiesige Versorgungsamt zu einem anderen Ergebnis und bescheinigte die Voraussetzungen für einen blauen Parkausweis nicht, obwohl beide Behörden nach denselben Vorschriften arbeiten. Auch der Bürgerbeauftragte, der sich für den Petenten einsetzte, konnte hier kein Umdenken bewirken. Das Verfahren befindet sich nun vor Gericht.
  • Ein anderes Problem bewegte eine schwerbehinderte Studentin aus Frankreich, die sich für ein Auslandsjahr in Mecklenburg-Vorpommern aufhielt. In Frankreich hatte sie bereits einen blauen Parkausweis erhalten. Beim Parken auf einem Behindertenparkplatz mit dem französischen Parkausweis wurde ihr durch den städtischen Ordnungsdienst eine Verwarnung ausgestellt. Auf Beschwerde der Studentin, unterstützt vom Bürgerbeauftragten, wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die Stadtverwaltung eingestellt. Denn nach einer Empfehlung des Europäischen Rates von 1998 sollen die Parkausweise der EU-Staaten unter-einander Geltung haben. Die Bundesrepublik Deutschland hat den französischen Parkausweis anerkannt. Der Bürgerbeauftragte regte bei der Stadtverwaltung an, den Ordnungsdienst entsprechend zu schulen. 

 


5 Mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes vom 29.05.2021 wurde der bisherige „Rat für Integrationsförderung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen“ (Integrationsförderrat) in den „Rat für Inklusionsförderung von Menschen mit Behinderungen“ (Inklusionsförderrat) umgewandelt. Diese Änderung tritt zum 01.04.2022 in Kraft.

Petitionsausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern

Die Bürgerinnen und Bürger haben in Mecklenburg-Vorpommern ein Wahlrecht, ob sie ihre Petition beim Landtag oder beim Bürgerbeauftragten einlegen. Der Petitionsausschuss und der Bürgerbeauftragte gleichen nach der Geschäftsordnung des Landtages die Eingänge regelmäßig ab. Bei parallelen Eingängen erfolgt eine Abstimmung zur weiteren Bearbeitung der Petition. Unabhängig hiervon legt der Bürgerbeauftragte dem Ausschuss einzelne Eingaben vor, wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass dieser bessere Handlungsmöglichkeiten hat.

 

Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Petitionen, die auf eine Änderung von Bundesrecht gerichtet sind, können in Abstimmung und für die Petenten an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags weitergeleitet werden.

 

Arbeitsgemeinschaft der parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten

Im Juli 2022 trafen sich die parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten Deutschlands auf Einladung des Thüringer Bürgerbeauftragten Dr. Kurt Herzberg zu einer Arbeitstagung in Erfurt. Sie berieten über die Rechtseinschränkungen in der Corona-Krise. Im Rückblick wurden manche Einschränkungen als überzogen betrachtet. 
So sei den Menschen insbesondere in den Pflegeheimen viel an Isolation zugemutet worden. Man wolle sich dafür einsetzen, dass wirklich nur die tatsächlich notwendigen und angemessenen Einschränkungen vorgenommen würden.

Die Bürgerbeauftragten befassten sich auch mit Vertrauensverlusten gegenüber Demokratie und Rechtsstaat. Sie begrüßten Entwicklungen in einigen Bundesländern, das Petitionswesen zu stärken und Bürgerbeauftragte einzuführen. Das Amt müsse aber personell arbeitsfähig und insgesamt angemessen ausgestattet sein. 

Im Oktober 2022 tauschten sich die Bürgerbeauftragten in einer Videokonferenz zur Frage des Datenschutzes in Petitionsverfahren aus.