Zu Petitionen, die vom Bürgerbeauftragten direkt an die kommunalen Entscheidungsträger, sowohl auf Landkreis- als auch auf gemeindlicher Ebene, herangetragen wurden, enthielten Antworten zunehmend Hinweise darauf, dass aufgrund von Sparzwängen Angelegenheiten nicht zugunsten der Bürger oder auch als Kompromiss entschieden werden können. Hier einige Beispiele:
… Unterlassen
Bewohner einer Seniorenanlage in einer kleineren Stadt kritisierten, dass die angrenzenden Gehwege mit Kopfsteinpflaster bestückt sind. Man wünschte sich für die Anwohner zumindest einen Bereich mit glatter Oberfläche, so dass man diesen problemlos mit Rollstuhl und Rollatoren passieren kann. Das Kopfsteinpflaster sei so uneben, dass bereits eine Rollstuhlfahrerin mit ihrem Rollstuhl umgekippt sei.
Der Bürgermeister, der durch den Bürgerbeauftragten persönlich auf die Angelegenheit angesprochen wurde, zeigte sich zwar sehr aufgeschlossen, machte aber sofort klar, dass die kommunalen Finanzen nicht ausreichen würden, um eine entsprechende Spur in den Gehwegbereich zu legen. Er erklärte sich bereit, mit dem Eigentümer der Seniorenwohnanlage in Kontakt zu treten und diesen um eine (Mit)Finanzierung für entsprechende Arbeiten zu bitten; nur dann würde eine Realisierung möglich sein.
Der Eigentümer der Wohnanlage zeigte sich jedoch nicht bereit, eine Kostenbeteiligung zu übernehmen. Das Anliegen des Petenten wurde daher mit Hinweis auf die angespannte Haushaltslage der Stadt zurückgewiesen.
… Kürzen
In einer größeren Stadt des Landes gibt es eine Beratungsstelle für Menschen mit Hörbehinderungen, die vom Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten getragen wird. Der Landesverband erhält hierfür Mittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern und zusätzlich für die Durchführung ambulanter Beratung von Menschen mit Behinderungen Zuschüsse dreier Landkreise.
Ein Landkreis kündigte Ende 2014 an, bis dahin als fixe Unterstützung geleistete Fördermittel für die Kosten der eigentlichen Beratungsstelle in erheblichem Umfang zu kürzen. Dies stellte die Existenz der Beratungseinrichtung insgesamt infrage.
Der Bürgerbeauftragte trat mit dem Landkreis in Kontakt. Im Antwortschreiben heißt es: „ … der Landkreis … ist wegen des bestehenden finanziellen Defizites … nicht in der Lage, alle freiwilligen Leistungen aufrecht zu erhalten. Kommunalrechtlich wurden wir aufgefordert, insbesondere die finanziellen Zuwendungen für freiwillige pauschale Aufgabenbereiche zu überdenken und zu kürzen…“ Eine zukünftige Förderung solle ausschließlich über zielgerichtete Einzelvereinbarungen über zu erbringende Fachleistungsstunden erfolgen. Letztlich sei der Landkreis jedoch nicht in der Lage, weiterhin finanzielle Mittel bereitzustellen.
Im Ergebnis der vorgenommenen Mittelkürzungen um über zwei Drittel binnen zwei Jahren musste die Beratungsstelle die genutzten Räumlichkeiten auf weniger als die Hälfte reduzieren und einer dort tätigen Teilzeitkraft kündigen, was für die Betroffenen Angebotsreduzierungen zur Folge hat. Es ist schwer zu erklären, dass gerade Beratungsleistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in so einem erheblichen Umfang gestrichen werden müssen.
… Verschieben
Seit dem Jahr 2008 kritisiert ein Bürger den Zustand einer durch seinen Wohnort führenden Kreisstraße. Von der Gemeinde und vom Kreis selbst wird der äußerst schlechte Zustand der Straße bestätigt. Schlaglöcher mit enormen Tiefen sind vorhanden. Ausgebesserte Stellen zerbröseln, teilweise ist die Straße auch noch mit Kopfsteinen gepflastert. Der Petent fordert seit Jahren eine Herrichtung der Straße oder aber eine Tonnagebegrenzung, die verhindert, dass große Fahrzeuge die Straße weiter in Mitleidenschaft ziehen. In verschiedenen Zeitungsberichten wird die Straße als Zumutung beschrieben.
Vor der Kreisgebietsreform hatte der damalige Landkreis die Straße bereits in eine Prioritätenliste eingeordnet. Vorrangige Projekte sollten jedoch zuerst erledigt werden. Nach der Kreisgebietsreform wurde dem Bürgerbeauftragten 2012 mitgeteilt, dass zunächst für den Gesamtkreis eine neue Prioritätenliste erarbeitet werden müsse.
Zu einer erneuten Beschwerde im Jahr 2015 teilte der Landkreis auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten mit, dass die Prioritätenliste noch nicht vorliege. In den zurückliegenden Jahren seit der Kreisgebietsreform sei es notwendig gewesen, ein Viertel des ingenieurtechnischen Personals der Straßenbauverwaltung für die Bewertung des Infrastrukturvermögens einzusetzen. Diese Arbeiten dienten der Aufstellung der Eröffnungsbilanz des Landkreises, wie sie im neuen Haushaltsrecht vorgeschrieben wird. Mit dem vorhandenen Personalbestand sei eine Fortschreibung der Prioritätenliste nicht möglich gewesen. Zusätzliches Personal hierfür könne nicht akquiriert werden. Auch hier erfolgte der Hinweis auf die entsprechende Finanzlage des Kreises.
Die vom Petenten gewünschte Alternative, nämlich die Anordnung einer Tonnagebegrenzung, wurde von der Straßenbauverwaltung ebenfalls abgelehnt, da mit einer solchen Einschränkung die Verkehrsfunktion und -bedeutung der Straße quasi aufgehoben würde. Somit konnte dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden.
… Streichen
Ein Bürger, der auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen ist, kritisierte, dass sein Wohnort - ca. 16 km von der nächst größeren Stadt entfernt - an den Wochenenden vom öffentlichen Personennahverkehr abgeschnitten ist. Wochentags wird die Ortschaft ausreichend oft angefahren. Mit den zum Jahresende umgesetzten Änderungen im Nahverkehrsplan wurde am Wochenende die Busverbindung völlig gestrichen. Weder Rufbus noch Linientaxis gibt es als Alternative.
Die Strecke ist als Hauptachse zur Ergänzung einer Bahnlinie im Nahverkehrsplan eingeordnet. Solche Hauptachsen sollen an Wochenenden nachfrageorientiert, aber mindestens mit vier Fahrten bedient werden. Trotzdem blieb der Landkreis bei der Streichung der Linie am Wochenende, weil die Anbindung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mehr vorgehalten werden könne. Da bisher durch den Landkreis die Nachfrage nach alternativen Bedienformen nicht beantwortet worden ist, ist die Petition noch nicht abgeschlossen.
… Verkaufen
Bürger einer größeren Stadt baten um Unterstützung für den Erhalt eines städtischen Areals, das als ursprüngliches Zentrum ihres Stadtteils galt, aber durch Bewuchs nicht mehr als solches erkennbar war. Die Stadt hatte das Grundstück zum Teil zum Verkauf als bebaubare Fläche ausgeschrieben. Hinweise der Bürger, der Ortsteilvertretung und des Bürgerbeauftragten auf die Historie, die Bedeutung als Grünfläche und ehemals zentraler Platz wurden zurückgewiesen. Wesentliches Argument: die Stadt benötige die Fläche nicht und könne daher nach § 56 Absatz 4 KV M-V verkaufen. Die Bürgerinitiative, die sich zwischenzeitlich gebildet hatte, sah dies als Ausverkauf der Geschichte zur Aufbesserung der Stadtkasse.
Auch ein Kleingartengelände dieser Stadt sollte verkauft werden. Den Nutzern wurde gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Bundeskleingartengesetz gekündigt, um eine andere als die kleingärtnerische Nutzung planungsrechtlich zulässig werden zu lassen und die Flächen als bebaubare Fläche vermarkten zu können. Der Bürgerbeauftragte zweifelt, dass die Voraussetzungen nach dem Bundeskleingartengesetz für eine Kündigung vorgelegen haben. Gespräche des Verbandes der Gartenfreunde e. V. mit der Stadt und ein schriftlicher Austausch zwischen der Stadt und dem Bürgerbeauftragten machten nur die unterschiedlichen Rechtspositionen zur Rechtmäßigkeit der Kündigung deutlich. Die Stadt blieb bei ihrer Haltung. Hier muss nun ein Klageverfahren Klärung bringen.
… Verteuern
Mit der Deutschen Einheit stellte sich in vielen Bereichen die Frage, wie die unterschiedlichen Rechtssysteme der beiden deutschen Staaten zusammengeführt werden konnten. Dies galt auch für das unterschiedliche Recht bei der Errichtung von Gebäuden auf fremden Grundstücken. Anders als das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ließ es das DDR-Recht zu, die Eigentumsrechte an Grundstücken und den darauf befindlichen Gebäuden zu trennen. Gerade beim Bau von Garagen und Wochenendhäusern war es in der DDR üblich, dass Bürger Bauten auf fremden Grundstücken errichten konnten und dann auch Gebäudeeigentümer waren, während das Grundstück lediglich genutzt werden durfte.
Bei der Rechtsangleichung entschied sich der Bundesgesetzgeber mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für folgende Lösung: Zunächst sollten in diesen Fällen die unterschiedlichen Eigentumsrechte weiterbestehen. Endet aber das Nutzungsverhältnis, so fällt das Eigentum am Gebäude an den Grundstückseigentümer. Um eine Übervorteilung der Nutzer zu verhindern, waren aber für einen Übergangszeitraum Kündigungsschutzfristen und Entschädigungszahlungen festgelegt.
Im Jahr 2015 erreichten den Bürgerbeauftragten eine ganze Reihe von Petitionen, die sich gegen die Erhöhung von Nutzungsentgelten für derartige Grundstücke wandten. Unter Hinweis auf den Konsolidierungsdruck hatten viele Gemeinden die über Jahre sehr niedrig gehaltenen Nutzungsentgelte deutlich erhöht.
So beklagten sich z. B. mehrere Bürger, dass ihre Pachtverhältnisse für die von ihnen genutzten Garagen gekündigt und neue Mietverträge angeboten worden seien. In einem Fall sollte sich das Entgelt von 43 EUR auf 180 EUR erhöhen. Versuche des Bürgerbeauftragten, bei der Stadt eine geringere Miethöhe zu erreichen, blieben erfolglos. Die Stadt erklärte, sie habe fast 100 Pächtern gekündigt und gleichartige Mietverträge angeboten. Im Rahmen der Gleichbehandlung könnten keine Ausnahmen gemacht werden. Im Übrigen sei die Höhe des Entgelts ortsüblich.
Der Bürgerbeauftragte konnte die Kritik der Bürger an diesen plötzlichen und sehr starken Erhöhungen nachvollziehen, zumal in anderen Fällen das Entgelt sogar auf das 10-fache stieg. Bei der Beratung der Petenten musste er allerdings darauf verweisen, dass jedenfalls eine Erhöhung auf das ortsübliche Niveau beim Abschluss von Neuverträgen nach der Nutzungsentgeltverordnung rechtlich zulässig ist. Im Gegensatz zur Wohnraummiete gibt es bei der Vermietung / Verpachtung von Garagen und Wochenendhäusern keine Begrenzungen für Erhöhungen. Zudem muss in jedem Einzelfall die Rechtslage geprüft werden: Nur bei noch aus der DDR-Zeit stammenden Verträgen sind die Regelungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes anzuwenden. Ist aber z. B. nach 1990 ein neuer Vertrag geschlossen worden, so gelten ausschließlich die Vorschriften des BGB.
Rechtlich problematisch ist auch der oftmals noch praktizierte „Verkauf“ von Garagen und Wochenendhäusern vom bisherigen Eigentümer des Gebäudes an Dritte. Diese Art der Weitergabe wird in manchen Gemeinden geduldet. Als sich in einem Fall eine Bürgerin beschwerte, die Gemeinde verhindere den „Ankauf“ einer solchen Garage, musste sie der Bürgerbeauftragte darüber aufklären, dass es für ein solches Rechtsgeschäft keine Rechtsgrundlage gibt. Nach den Bestimmungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes fällt bei Beendigung der Nutzung das Gebäude an den (zumeist kommunalen) Grundstückseigentümer. Entsprechend kann der bisherige Nutzer es dann auch nicht mehr verkaufen.